wie Pralinen, die man ja auch nicht gleich im Geschäft wegfuttert. Es muss sich bei dem Aneignungsprozess übrigens um so was wie Osmose handeln. "Sie war es gewohnt, bei Männern über den Sex zu gehen, um ihnen die für sie wichtigen Gefühle abzutrotzen." Bei Roland kann man aber nicht "über den Sex gehen", denn der wurde "von mehreren Freundinnen wegen angeblicher Impotenz verlassen" und sucht nun ein Frauchen nur fürs Geschäftliche, weil er meint, ein solches sei nötig, um dritter Teilhaber der Anwaltskanzlei werden zu können, in der er bislang als Hilfsbremser im Großraumbüro schuftet. Er ist genauso ein öder Idiot wie sie, deshalb kriegen sie sich auch am Schluss, nachdem sie vorher jeweils erfolglos an einem Markus und einer Maischa rumgemacht haben, die zufälliger-, aber für einen Gruselplot wie diesen auch glücklicherweise im selben Studentenwohnheim in Bockenheim leben. Diese völlig hirn- und sinnlose Geschichte wird stilistisch kongenial ausgebreitet: Da "rauschte die Ahnung eines ungeheuren Kitzels in ihren Ohren", da "klaffte ihr Körper wie eine weite, offene Wunde im Raum", bisweilen schimmert aber das nasse Gras auch nur grün. "Sonja Rudorf lebt als freie Schriftstellerin in Frankfurt am Main", belehrt der Klappentext. Vielleicht sollte, nein, muss man das tiefer hängen: Das Buch hat siebzehn Kapitel. Die sind korrekt mit "Eins" bis "Siebzehn" überschrieben. Wie wär's mit "freier Kapiteldurchnummeriererin"? Der Wohnort kann bleiben.
BURKHARD SCHERER
Sonja Rudorf: "Die zweite Haut". Roman. Rotbuch Verlag, Hamburg 2000. 209 S., geb., 36,- DM.
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