Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.01.2008Von Trinkern und anderen Welterklärern
Es gehört kein Mut dazu, zu behaupten, dass an Frankfurter Trinkhallen mehr Kultur zusammenkommt als an den Trinkhallen aller hessischen Kurorte zusammen. Man muss nur sehr genau hinschauen und -hören, dann erkennt man "Titanic"-Redakteure, Kultromanautoren und Büchner-Preisträger, wie sie, eine Bierflasche in der Hand, die Welt erklären oder Bayreuth schlechtmachen wollen - und vice versa. Ein gieriges Publikum freilich finden sie nicht; man bleibt unter sich. Und vielleicht ist es das, was das Büdchen so attraktiv macht: dass man einigermaßen unbemerkt schwadronieren kann. Auch Ulrich Sonnenschein, Kulturredakteur beim Hessischen Rundfunk, weiß die Vorteile der Kioske zu schätzen.
Gemeinsam mit drei Freunden hat er ihnen ein Buch gewidmet, einen "Büdchen-Führer", der berücksichtigt, welche prominenten Kunden hier schon gesehen (bis hin zu Boris Becker) und welche Filme gedreht worden sind ("Tatort"), der aber auch die Zahl der Biersorten im Angebot nennt (bis zu vierzehn) - denn auf Wasser beschränken sich die "Wasserhäuschen" schon lange nicht mehr. Fünf Dutzend Kioske haben die vier ausgewählt aus insgesamt etwa dreihundert, die es in Frankfurt noch gibt. Es waren einmal achthundert, weshalb sich das Buch auch als Mahnung versteht, ein Erbe nicht achtlos aufzugeben. Da ist es gut zu wissen, dass wenigstens manche der Häuschen schon unter Denkmalschutz stehen. Solch architektonische Perlen sind sogar eine eigene Reise wert.
F.L.
"Die unteren Zehntausend - Der ultimative Büdchen- und Trinkhallenführer Rhein-Main" von
Ulrich Sonnenschein, Jens Bredendieck, Andreas Heller und Peter Schenk. Societäts Verlag, Frankfurt 2007. 144 Seiten, zahlreiche Farbfotos. Broschiert, 9,90 Euro.
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