Erschöpfung dieser Metapher gilt wenigstens, daß Männer draußen vor der Tür am besten zur Geltung kommen.
"Über den Fluß und in die Wälder", der Titel eines Spätwerks von Hemingway, taugt auch heute noch, fast fünfzig Jahre nach seinem Erscheinen, um den Leser auf die Stimmung vorzubereiten, die ihn in den acht Geschichten Brad Watsons von Hunden und Männern erwartet. Als ein Hemingway der weißen Vorstadtsiedlung benutzt er zwar anderes Personal, aber die Botschaft ist dieselbe geblieben: Männer taugen nicht für eine Zivilisation, die sie selbst erfunden und den Frauen zuliebe mitgetragen haben. Teils wissen die Frauen in ihrer Ahnungslosigkeit das männliche Opfer nicht zu schätzen, teils sind sie als treulose Ehefrau oder verständnislose Hundefeindin dies Opfer nicht wert. Nach den feministischen Turbulenzen der vergangenen Jahre ist es kaum verwunderlich, daß ein Autor mit diesem Sujet der Versuchung zur Misogynie nicht ausweicht.
Nicht mehr als Jäger und Abenteurer, wie bei Hemingway, vergewissern sich verunsicherte Männer ihrer Männlichkeit in der Kumpanei mit ihresgleichen, beim Trinken, Jagen und Töten. Watsons Helden leben in der Vorstadt, es sind Angestellte, Manager, Pensionäre, und obwohl in fast allen Geschichten geschossen, getötet, ja, gemordet wird, soll die eigentliche Verbindung des Mannes zu seinen Wurzeln der Hund stiften. Das kann ein Jagdhund sein, der mit Lust und Laune, aus amoralischer Funktionslust, ein Kaninchen tötet. Das kann ein Blindenhund sein, der mit seinem Herrn eine undurchdringliche Gemeinschaft auf Leben und Tod bildet. Zu seinen Wurzeln dringt auch ein Mann vor, der sich einem todkranken Straßenköter gewissermaßen als Sterbebegleiter aufdrängt.
Damit ist dann auch schon angedeutet, daß der Hund als männliches Existenzial literarisch überfordert ist, so daß die Grenze zum Kitsch leicht überschritten wird. Verhaltensforscher und Hundekenner aller Art fänden an Watsons Geschichten eine Menge zu monieren. Ein Hund, der einen zweiten ersäuft, ist so unwahrscheinlich wie ein Hund, der Haus und Hof verläßt, weil seine Herrschaft, eine hundekritische Witwe, an den Tod zu denken beginnt.
Sowenig man die Erfolge von Ganghofer und Anzengruber oder die der zahllosen Western mit dem Vorwurf der fehlenden Aktualität des alpinen Landlebens oder der Verfälschung der Realgeschichte des Westens wegerklären kann, so wenig nützt bei neuen Mythologien der Verweis auf die Wirklichkeit. Watsons Literatur und insbesondere seine Mann-Hund-Metaphorik beziehen sich nur auf dem Umweg über die phantastische Reaktion auf Veränderungen im Verhältnis der Geschlechter, die allerdings sehr real sind. Das männliche Begehren ist ja nicht mehr bloß, wie bei Hemingway, ängstlich und verunsichert aus sich selbst heraus - es ist in jeder Beziehung diskreditiert. Über jeder seiner Äußerungen schwebt der Verdacht des Verbrechens. Da ist es nicht verwunderlich, daß Schriftsteller anfangen, über Rückzugsmöglichkeiten zu phantasieren und Hunde dramatisch zu verklären; Lebensweisen der Einsamkeit neu zu bewerten, in denen Frauen bloß noch als ferne Erinnerung vorkommen. KATHARINA RUTSCHKY
Brad Watson: "Die letzten Tage der Hundemenschen". Short Stories. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Eike Schönfeld. Berlin Verlag, Berlin 1997. 175 S., geb., 36,- DM.
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