Aufnahmen sind ein halbes Jahrhundert später in Hutterer-Kolonien im Staat Washington entstanden und zeigen vor allem Menschen: Kinder, in der Schule oder beim Spielen auf dem Feld. Männer, die Arme in die Hüften gestemmt, vor großen Landwirtschaftsmaschinen. Frauen, bei der Ernte, an der Nähmaschine oder bei einer Atempause im Kartoffelsilo (unsere Abbildung). Die Freundschaft und Vertrautheit, die nötig waren, damit diese Bilder entstehen konnten, dürfen jedoch nicht überschätzt werden. Kaum ein Hutterer blickt offen in die Kamera. Die Aufnahmen in diesem eindrucksvollen Band sind entstanden aus einem Gefühl der Verbundenheit mit der Fotografin. Was sie dokumentieren, ist das Bewußtsein der unüberwindlichen Fremdheit auf beiden Seiten.
Die Hutterer, eine im sechzehnten Jahrhundert in Österreich entstandene Gemeinschaft von Wiedertäufern, haben sich, aus Rußland kommend, mit sechshundert Mitgliedern 1879 in South Dakota angesiedelt. Heute leben in den Vereinigten Staaten 40 000 Hutterer in kleinen Kolonien: Inseln einer spirituellen Gemeinschaft, die ihre Zugehörigkeit zu einer anderen Welt demonstriert, in dem sie in dieser Welt ein isoliertes und abgeschlossenes Leben führt, wie es der hutterische Prediger Paul S. Gross formuliert hat. In seinem 1965 erschienenen Buch "The Hutterite Way" erklärte erstmals ein Hutterer der Außenwelt die Lebensweise einer Gemeinschaft, die sich in einer fernen Zeit verschließt. Aus seinem Buch spricht ebensowenig das Bedürfnis sich zu rechtfertigen wie aus den Blicken der Menschen auf Kristin Capps Fotografien. (Kristin Capp: "Die Hutterer. Zeitreisende aus dem 16. Jahrhundert". Edition Stemmle, Zürich 1998. 144 S., Abb., geb., 148,- DM.)
igl
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