Handwerk des Teufels" deutlich mehr zu bieten haben als diese schlichte Erkenntnis.
Madison Smartt Bell will an diese Riege der knurrigen Spaßverderber anknüpfen. Der 1957 in Nashville, Tennessee, geborene Schriftsteller hat sich vor allem durch seine Romantrilogie über die Haitianische Revolution einen Namen gemacht. In Deutschland ist Madison Smartt Bell nun mit seinem im Original 2011 erschienenen Buch "Die Farbe der Nacht" kennenzulernen, das von gleich mehreren Traumata der Vereinigten Staaten handelt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Ich-Erzählerin Mae, mit der es das Leben in mehrfacher Hinsicht nicht gut gemeint hat. Sie lebt in einer Wohnwagensiedlung am Rande der Wüste, ist mit Schusswaffen groß geworden, nennt ihre Mutter das "Mom-Ding" und hatte einen geradezu mustergültigen Psychopathen zum Bruder. Ihr erster Satz ist die pure Geschmacklosigkeit: "Wie mein Herz frohlockte, als die Türme einstürzten."
Während Mae im Fernsehen die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York wieder und wieder betrachtet und sich an den Bildern der Zerstörung ergötzt, entdeckt sie auf dem Bürgersteig zwischen all den Verzweifelten und Versehrten ihre frühere Geliebte Laurel. Mit ihr gemeinsam gehörte sie, nachdem sie von zu Hause abgehauen war und sich als Prostituierte durchgeschlagen hatte, während des kalifornischen Sommers der Liebe zu einer obskuren Hippie-Kommune, die alsbald blutrünstige Morde begehen sollte. Mae und Laurel, zwei berserkerhafte Mänaden, können rechtzeitig untertauchen, als dem bacchantischen und bestialischen Treiben der Kommune ein Ende gesetzt wird. Jetzt, dreißig Jahre später, macht Mae sich mit ihrem Gewehr auf den Weg nach New York, um Laurel zu einem letzten Rendezvous zu bitten.
Auch wenn der Name kein einziges Mal fällt, ist überdeutlich, dass Madison Smartt Bell seiner Protagonistin eine Vergangenheit als Anhängerin von Charles Manson andichtet, der mit den Bluttaten seiner "Family" Ende der sechziger Jahre der Bewegung der Blumenkinder den Garaus machte. Was zwischen den damaligen Morden und 9/11 mit Mae geschah, bleibt weitgehend eine Leerstelle, versinnbildlicht in ihren nächtlichen Streifzügen durch die Wüste. Maes Verachtung für die "Sterblichen", wie sie alle nicht zu ihrer sektenähnlichen Vereinigung gehörenden Menschen nennt, führt der Autor anschaulich vor Augen. Auch ihre von Brutalität, Schmerzenslust und Missbrauch geprägte Adoleszenz und ihre Weigerung, sich selbst als Opfer zu sehen, schildert er eindrucksvoll. Gleichwohl erscheint Maes Täterbiographie wie aus dem Bilderbuch: Wem so viel Böses widerfährt, dem ist anschließend nichts mehr etwas wert. Ganz so einfach ist es wohl nicht.
Wenig schlüssig ist zudem die literarische Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart. In ihr spiegelt sich nichts als eine ungebrochene, dadurch aber auch vorhersehbare und eindimensionale Kontinuität der Gewalt und des Nihilismus, der hier insbesondere in Form des religiösen Wahns in Erscheinung tritt. Das mag man verstörend oder provokant finden, tatsächlich aber ist es in erster Linie langweilig und unterkomplex. Hinzu kommt, dass die Motivik von "Die Farbe der Nacht", etwa in den zahlreichen Anspielungen auf den Orpheus-Mythos, stellenweise bemüht wirkt und beinahe unfreiwillig komisch. Der Balanceakt, die Gewalt einerseits abgebrüht und erbarmungslos zu beschreiben, sie andererseits aber wiederholt poetisch zu überhöhen, misslingt. Figuren und Handlung lassen den Leser daher kalt. Und wenn selbst der sich nicht mehr für die Erniedrigten und Beleidigten erwärmen lässt, dann sieht es wirklich finster aus für die pessimistische Literatur.
ALEXANDER MÜLLER
Madison Smartt Bell: "Die Farbe der Nacht". Roman.
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2013. 238 S., geb., 18,90 [Euro].
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