konnten Erfolge erzielt werden, etwa bei der Verfolgung von Al Qaida in Afghanistan. Aber bald stellte sich heraus, daß weder die politische Führung der Vereinigten Staaten noch die einzusetzenden Organisationen, die Geheimdienste und die Streitkräfte, für diese Auseinandersetzung angemessen gerüstet waren. Das betrifft vor allem die Lagebeurteilungen, die politischen und juristischen Konzepte und die Operationspläne.
Das Buch von Seymour M. Hersh, einem der erfolgreichsten und angesehensten Journalisten Amerikas, bietet eine umfangreiche, mit Hintergrundinformationen reichgesättigte Bilanz von drei Jahren Krieg gegen den Terrorismus. Es ist eine klägliche Bilanz. Dabei sind es nicht die Dämonie und Verschlagenheit ihrer Gegner, welche das amerikanische Vorgehen am nachhaltigsten beeinträchtigen, sondern eigene Fehler. In acht Kapiteln behandelt Hersh die amerikanische Häftlingspolitik in Guantanamo Bay und im Irak, das Versagen der Geheimdienste vor dem 11. September, die Schwierigkeiten des Kriegs in Afghanistan, die Gründe für die amerikanische Entschlossenheit zur Intervention im Irak einschließlich der unhaltbaren Begründung, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen und die Schwierigkeiten nach seiner Eroberung.
Die beiden letzten Kapitel bieten eine besonders deprimierende Lektüre. Zunächst untersucht Hersh die politische Zuverlässigkeit der nicht gerade demokratisch legitimierten Regierung Pakistans, eines willigen Verbündeten der Vereinigten Staaten im Kampf gegen den Terrorismus, zugleich aber auch eine Umschlagstelle von Komponenten für den Bau von Nuklearwaffen. Daran schließt sich eine Panoramasicht auf die Konfliktherde im Nahen Osten an. Mit den Ausnahmen Libyen und Türkei wurden sie in den letzten drei Jahren allesamt eher angeheizt.
Bei seinen Untersuchungen verläßt sich Hersh in erster Linie auf zahllose Interviews mit "Insidern" der Regierung, der verschiedenen Dienste sowie mit in- und ausländischen Experten. Häufig kann er die Quelle für seine Informationen benennen, ebensooft muß er sie verschweigen. Er behilft sich dann mit einer ungefähren Beschreibung der Position des Auskunftgebers. Das Handwerk des Enthüllungsjournalisten, seine Kunst, wenn man so will, besteht darin, diese Massen von Informationen in ein Gesamtbild einzufügen. Freilich muß dabei vorher die Verläßlichkeit der Informationen streng geprüft werden. Hersh hat es hier zu großer Meisterschaft gebracht. Seine Glaubwürdigkeit erhöht sich noch dadurch, daß er nicht einseitig vorgeht, sondern verschiedenen Auffassungen und Deutungen seiner Gewährsleute auf faire Weise Raum gibt. Größere Teile der Texte wurden bereits als längere Artikel in The New Yorker abgedruckt. Jetzt stehen sie im Buch in einem systematischen Zusammenhang und wirken deshalb um so erschreckender. Das Gesamtbild, das auf diese Weise entsteht, gleicht einem Teppich, nicht einem aus Wollfäden, sondern aus Informationen. Geheimdienste arbeiten übrigens auch nach dieser Methode.
Gibt es ein Grundmuster in diesem Teppich? Keines, das den verschiedenen Verschwörungstheorien recht gibt oder als Verrat an den amerikanischen Werten der Demokratie angesehen werden müßte. Die mehr als dubiosen Rechtsvorstellungen im Weißen Haus und im Pentagon über die Einschränkung der Rechte der Gefangenen kommen letzterem am nächsten und sind ganz und gar inakzeptabel. Ansonsten sind es schlichte Arroganz der Macht, zwischen-organisatorische Reibungsverluste, ideologisch begründete Fehlwahrnehmungen (die Neokonservativen in der Administration), Bürokratismus in Verbindung mit politischer Hysterie und allerdings ziemlich gebündelt auftretende persönliche Inkompetenz, deren Zusammenspiel zu dieser kläglichen Bilanz geführt haben. Es ist erstaunlich, wie tief eine beinahe in Echtzeit durchgeführte Untersuchung in so komplexe politisch-militärische Zusammenhänge eindringen kann. Er halte nichts von Zeitgeschichtsschreibung aus der Hüfte heraus, hat Donald Rumsfeld einmal gesagt. Da hat er im Prinzip recht. Aber diese hier ist zuverlässig und trifft so gut wie alle schmerzhaften Punkte.
WILFRIED VON BREDOW
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main