dabei glänzend erfüllt.
Für die Zeit von 1000 bis 1450 zeichnet Stuart Jenks verantwortlich. Der Erlanger Historiker betont die Diskontinuität der Entwicklung im Mittelalter. Eine lange expansive Periode sei spätestens zur Mitte des 14. Jahrhunderts von einer depressiven Phase abgelöst worden, die bis in die frühe Neuzeit angedauert habe. Als charakteristisch für das Spätmittelalter erachtet Jenks einen tiefgreifenden Strukturwandel. "Die Hinwendung der Gewerbe- und Industrietreibenden zu den großen internationalen Messen steigerte die Transparenz des Marktes (. . .) ebenso wie die Integration der deutschen Güter- und Kapitalmärkte."
Michael North, der die Zeit von 1450 bis 1815 untersucht, betont den institutionellen Wandel zu Beginn der Neuzeit. Als zentrale Elemente nennt er die Schaffung von Eigentumsrechten. Das Feudalsystem sei erst im 19. Jahrhundert zum Erliegen gekommen. Wesentlich sei auch die Einrichtung eines zweiten Arbeitsmarkts, der Produktionswilligen den Marktzugang neben der Zunftordnung gestattet habe, sowie die Europäisierung des Handels- und Zahlungsverkehrs. "Viel zuwenig beachtet wurden bisher die Reichsinstitutionen, die überregional Rechtssicherheit und Vertrauen und damit einen relativ stabilen Ordnungsrahmen für die wirtschaftliche Erholung nach dem Dreißigjährigen Krieg bildeten."
Wie sich das im Jahrhundert der Industrialisierung ausgewirkt hat, zeigt Dieter Ziegler (Dresden/Bochum). Er bezieht sich dabei auf die drei Komplexe "Der Mensch in seiner Zeit", "Wirtschaft" sowie "Wirtschafts- und Sozialpolitik", die auch den roten Faden des Buches darstellen. Wie eindrucksvoll die Umwälzungen von 1815 bis 1914 waren, zeigt sich nach Ziegler vor allem am Wandel der Beschäftigtenanteile. Während der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft zunächst zwei Drittel betragen habe, sei er vor dem Ersten Weltkrieg nur mehr ein Drittel gewesen. Die Entwicklung in der Industrie, abzulesen am Anstieg der Beschäftigtenquote von 20 auf 40 Prozent, sei indes umgekehrt verlaufen. Aus einem rückständigen Agrarland wurde eine führende Industrienation, aus einer Feudalgesellschaft eine Marktgesellschaft.
In den drei folgenden Dekaden bis 1945 ("Von Kriegswirtschaft zu Kriegswirtschaft") gab es drei verschiedene Systeme: das Ende des Kaiserreiches, die Weimarer Republik, das Dritte Reich. In der ersten deutschen Demokratie kam es, schreibt Gerold Ambrosius (Siegen), zu einer problematischen Stabilisierung. Die Kritik des Geschichtswissenschaftlers gilt dem staatlichen Schlichtungswesen, das kontraproduktiv gewirkt habe. 1929 sei der Startschuß für den ökonomischen Niedergang Deutschlands gefallen - "wie ihn die Welt im Industriezeitalter bis dahin nicht erlebt hatte". Die Folgen, mit der Machtergreifung Adolf Hitlers, der nationalsozialistischen Diktatur, der Kriegswirtschaft und dem 1945 zerstörten Deutschland, führt der Verfasser plastisch vor Augen.
Das gilt auch für die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik, die der Wirtschaftshistoriker Harm Schröter (Bergen) erzählt. Als treibende Wachstumskräfte macht er Export und Massenkonsum aus. Die Jahre 1973/75 markierten einen Einschnitt in der Entwicklung der Bundesrepublik. Wiederaufbau und Boom seien von einer Periode ökonomischer Normalität abgelöst worden, ohne daß Strukturwandel der Vergangenheit angehört hätte. Dafür stünden die gestiegene Arbeitsproduktivität (inklusive der höheren Arbeitslosigkeit) sowie die "Tertiärisierung der Industrie".
Ohne diese "wäre die relative Bedeutung des sekundären Sektors noch schneller und drastischer gesunken". Aber das Problem der Arbeitslosigkeit habe keine Regierung gelöst. Sozialistische Staaten - wie die DDR - führten dieses Problem einer eigenen "Lösung" zu: Arbeitslosigkeit durfte es offiziell schlicht nicht geben. Im Arbeiter-und-Bauern-Staat, betont Schröter, sei die Produktivität freilich auf 30 Prozent des Westniveaus gesunken. Den Grund sieht er in der Wirtschaftsverfassung; somit erscheint die DDR als Episode der Geschichte. Vom Jahr 1989/90 vermag das niemand zu behaupten. Die folgende Dekade hat nach Schröter das Zusammenwachsen des Landes und die europäische Integration geprägt. Künftig komme es darauf an, dem Nachholbedarf in der Modernisierung Rechnung zu tragen.
Das abschließende Kapitel von Rainer Metz (Sankt Gallen) fällt aus dem Rahmen. Es ist der langfristigen Entwicklung gewidmet und vermittelt so - nach Abhandlung der einzelnen Epochen durch die übrigen Autoren - einen konzentrierten, gehaltvollen Überblick. Die Darstellung zeigt, daß Prosperität in Deutschland lange keineswegs gang und gäbe war und daß mithin das heutige Niveau kaum selbstverständlich ist. Wohlstand will immer wieder aufs neue erarbeitet, verteidigt oder gemehrt werden.
RALF ALTENHOF
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