Sven F Kellerhoff
Broschiertes Buch
Der Reichstagsbrand
Die Karriere eines Kriminalfalls. Vorw. v. Hans Mommsen
PAYBACK Punkte
0 °P sammeln!
Den Brand des Reichstages am 27. Februar 1933 nutzten die Nazis virtuos, um ihre Diktatur zu errichten. Aber haben sie ihn deshalb auch selbst angesteckt? Darüber wird seit 75 Jahren erbittert gestritten. Wer in dem Holländer Marinus van der Lubbe den alleinigen Täter sieht, wird von jenen, die an eine Verschwörung der Nazis glauben, als 'Anhänger der Gestapo-Theorie' geschmäht. Unter Einbeziehung des nach der Wiedervereinigung zugänglichen Archivmaterials schildert Kellerhoff unvoreingenommen die historischen Ereignisse und die Hintergründe der späteren Debatten.
Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Sven Felix Kellerhoff, geboren 1971 in Stuttgart, studierte Geschichte und Medienrecht und absolvierte die Berliner Journalisten-Schule. Derzeit ist er leitender Redakteur für Zeit- und Kulturgeschichte bei der WELT. Zuletzt erschien von ihm im be.bra verlag 'Hitlers Berlin. Geschichte einer Hassliebe' (2005) sowie 'Berlin unterm Hakenkreuz' (2006).
Produktdetails
- Verlag: bebra verlag
- Seitenzahl: 160
- Altersempfehlung: ab 16 Jahren
- Erscheinungstermin: Januar 2008
- Deutsch
- Abmessung: 220mm x 140mm x 13mm
- Gewicht: 234g
- ISBN-13: 9783898090780
- ISBN-10: 3898090787
- Artikelnr.: 23375720
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Feuerfee und Komitee
Mit letzter Sicherheit ist die Frage nach der Urheberschaft des Reichstagsbrandes nicht zu klären, wenn auch sehr viel für jene "Alleintäterthese" spricht, die Fritz Tobias 1959 aufstellte. Damals äußerte der Ministerialrat und Hobbyhistoriker berechtigte quellenkritische Zweifel an der unmittelbar nach dem Feuer vom 27. Februar 1933 geäußerten Vermutung, dass die Nationalsozialisten die Täter gewesen seien. Sven Felix Kellerhoff schildert lebendig den Kriminalfall mit den weitreichenden Folgen. Das Reichstagsgebäude war übrigens Marinus van der Lubbes viertes Ziel. Zuvor hatte er sich an einer Baracke des Wohlfahrtsamtes in Neukölln, am Roten Rathaus und am Berliner Schloss versucht. Ausführlich geht
Mit letzter Sicherheit ist die Frage nach der Urheberschaft des Reichstagsbrandes nicht zu klären, wenn auch sehr viel für jene "Alleintäterthese" spricht, die Fritz Tobias 1959 aufstellte. Damals äußerte der Ministerialrat und Hobbyhistoriker berechtigte quellenkritische Zweifel an der unmittelbar nach dem Feuer vom 27. Februar 1933 geäußerten Vermutung, dass die Nationalsozialisten die Täter gewesen seien. Sven Felix Kellerhoff schildert lebendig den Kriminalfall mit den weitreichenden Folgen. Das Reichstagsgebäude war übrigens Marinus van der Lubbes viertes Ziel. Zuvor hatte er sich an einer Baracke des Wohlfahrtsamtes in Neukölln, am Roten Rathaus und am Berliner Schloss versucht. Ausführlich geht
Mehr anzeigen
der Autor auf den Prozess ein, der mit der Verurteilung van der Lubbes zum Tode und dem Freispruch für vier mitangeklagte prominente Kommunisten endete, sowie auf die Kontroversen der Nachkriegszeit. Diese befeuerte das 1968 von Edouard Calic gegründete Luxemburger Komitee mit vermeintlichen "Dokumenten", um aus volkspädagogischen Gründen die "Schuld der Nazis" am Reichstagsbrand herauszustellen und alle Kritiker solcher Schuldzuweisung als "Reinwäscher Hitlers" zu diffamieren. Der Tobias-Sekundant Hans Mommsen drischt nun im Vorwort noch einmal auf seine Altkontrahenten Karl Dietrich Bracher und Walther Hofer ein, als ob sich so der rote Hahn auf den längst klassischen Dachfirst der Zeitgeschichtsschreibung setzen ließe. (Sven Felix Kellerhoff: Der Reichstagsbrand. Die Karriere eines Kriminalfalls. be.bra-Verlag, Berlin 2008. 160 S., 14,90 [Euro].)
RAINER BLASIUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
RAINER BLASIUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schließen
eBook, ePUB
Der Historiker und Publizist Kellerhoff rückt die Täterfrage in den Fokus seines Buches. Um die Täterschaft wird seit nun schon bald neunzig Jahren gestritten. War der Brand Teil einer kommunistischen Verschwörung, das Fanal zu einem kommunistischen Aufstand? Oder eine gezielte …
Mehr
Der Historiker und Publizist Kellerhoff rückt die Täterfrage in den Fokus seines Buches. Um die Täterschaft wird seit nun schon bald neunzig Jahren gestritten. War der Brand Teil einer kommunistischen Verschwörung, das Fanal zu einem kommunistischen Aufstand? Oder eine gezielte Provokation der Nationalsozialisten, um hart gegen die KPD losschlagen und die NS-Diktatur errichten zu können? Oder doch die Tat eines Einzelnen - des Niederländers Marinus van der Lubbe? Der Autor gelangt aufgrund seiner Recherchen zu dem Ergebnis, dass an der Einzeltäterschaft van der Lubbes als Brandstifter nicht gezweifelt werden könne. (S. 139.) Auftraggeber, Mittäter oder Helfer hätte es nicht gegeben.
Der junge niederländische Rätekommunist und gelernte Maurer war in der Brandnacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 noch im Reichstagsgebäude als Tatverdächtiger festgenommen worden. Er gestand sogleich die Tat und beharrte von der ersten Vernehmung bis zu seiner Hinrichtung am 10. Januar 1934 darauf, den Reichstag allein in Brand gesetzt zu haben. Dabei hatte er das Ziel verfolgt, "die Arbeiter zum Kampf für die Freiheit aufzurütteln." (S. 41.) In seinem - in puncto Quellenwert umstrittenen - Geständnis vor dem Reichsgericht in Leipzig soll er ausgeführt haben, dass er die Tat begangen hätte, um die "deutsche Arbeiterschaft zum Widerstand gegen die kapitalistische Herrschaft und die Machtübergabe an die Faschisten aufzurufen."
Heute würden Strafrechtler und Kriminologen wohl vom Tätertyp eines "einsamen Wolfes" sprechen, dem es um eine Art Weckruf an die Adresse seiner deutschen Klassenbrüder gegangen war.
Die Alleintäterschaft van der Lubbes war bereits von vielen Zeitgenossen bezweifelt worden und wird bis heute kontrovers diskutiert. Als Kritiker der Alleintäterthese traten mehrere deutsche Geschichtswissenschaftler hervor; diese vermuteten eine unmittelbare Tatbeteiligung führender Nationalsozialisten. Mittlerweile geben sich allerdings nur noch wenige Forscher überzeugt, dass die NS-Führung hinter dem Brandanschlag steckte. Der amerikanische Historiker Benjamin Carter Hett hält die Täterschaft eines Berliner SA-Kommandos mit Goebbels als Hintermann für möglich.
Von der konträren Behauptung, der Niederländer hätte als willfähriges Werkzeug von KPD-Funktionären und -Aktivisten gehandelt, ist heute nirgendwo mehr die Rede. Zwar schürten die Nazis und die reaktionäre Kamarilla um Hindenburg Ende 1932/Anfang 1933 die Furcht vor einem kommunistischen Aufstand, aber man hatte auf der äußersten Rechten die damalige Strategie der KPD nicht begriffen - oder über sie zwecks wirksamer Agitation gegen die "Gefahr" geflissentlich hinweggesehen.
Diese Strategie bestand darin, abzuwarten bis die am 30. Januar 1933 neu eingesetzte Regierung mit Hitler als Reichskanzler infolge der tiefen Wirtschaftskrise, in der sich Deutschland und die übrige kapitalistische Welt damals befanden, "abgewirtschaftet" hatte und von selbst zusammenbrach. Dahinter stand die illusionäre und in der Rückschau verhängnisvolle Hoffnung, politisches Stillhalten würde letztlich zum Erfolg - zum schnellen Ende des Präsidialkabinetts Hitler - führen.
Die Karriere des Kriminalfalls "Reichstagsbrand" ist eigentlich zweigeteilt. Zum einen besteht sie aus dem Historikerstreit um die Frage der Urheberschaft der Reichstagsbrandstiftung bzw. der Alleintäterschaft van der Lubbes. Diese zeitweise sehr heftig geführte Kontroverse schwelt seit Ende der 1950er Jahre und scheint längst nicht beendet.
Zum anderen wurde das Recht brechende Todesurteil des Reichsgerichts in Leipzig vom 23. Dezember 1933 gegen Marinus van der Lubbe von bundesdeutschen Gerichten in der Zeit von 1967 bis 1983 mehrfach abgemildert, für ungültig erklärt und in veränderter Form wieder bestätigt und schließlich am 6. Dezember 2007 von der Bundesanwaltschaft endgültig aufgehoben. Dass das Leipziger Gerichtsurteil erst so spät kassiert wurde, wirft kein gutes Licht auf die deutsche Justiz.
Dr. Harald Me
Weniger
Antworten 1 von 1 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 1 von 1 finden diese Rezension hilfreich
Andere Kunden interessierten sich für