Hans-Hermann Dubben von der Universität Hamburg nachgegangen. Die nun in einem Buch zusammengetragenen, witzig-locker präsentierten Beispiele sind eine Warnung, "wissenschaftlichen" Ergebnissen blind zu vertrauen.
Viele Wissenschaftler wissen, daß ihnen große öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wird, wenn sie über eine "auffällige Häufung" seltener Krankheiten berichten können. Je seltener das Leiden, desto leichteres Spiel hat der Zufall - oder desto leichter ist es, mit seiner Hilfe ein Ergebnis zu manipulieren. Die Wissenschaftler demonstrieren das mit einem Experiment, das sie auch in ihren Vorlesungen an der Universität immer wieder vorführen. Hierbei konstruiert man anhand von Adressen aus dem Hamburger Telefonbuch, die einzig und allein durch Würfeln ausgewählt werden, die Verteilung einer fiktiven Leukämiehäufigkeit für die Hansestadt. Verblüffenderweise kommt es dabei regelmäßig zu scheinbar deutlichen Häufungen. Daß diese in jeweils anderen Stadtteilen zutage treten, läßt sich leicht verschleiern, indem man das Experiment nicht wiederholt, also nur einen ausgewählten Zeitraum berücksichtigt. Legt man es darauf an, findet man bestimmt auch einen "Verursacher" für die scheinbare Häufung.
Wie weit Schein und Wirklichkeit auseinanderklaffen können, führen die Autoren am Beispiel einer konstruierten Krankheit vor, der "Bellsucht". Ein Urlauber, der befürchtet, sich in einem exotischen Land mit dieser seltenen und zunächst unbemerkt bleibenden Krankheit angesteckt zu haben, läßt einen Labortest vornehmen. Dieser ist tatsächlich positiv. Nach Angaben seines Arztes kann man mit dem Test 99 von 100 Infizierten erkennen. Außerdem würden von 100 nicht Infizierten nur 2 fälschlich als infiziert eingestuft. Nebenbei erwähnt der Arzt noch, daß sich erfahrungsgemäß nur einer von 1000 Touristen tatsächlich ansteckt.
Der Patient ist verzweifelt. Er müßte das aber nicht sein, wenn er die Gesetze der Statistik anwendete. Er käme dann nämlich zu dem - richtigen - Ergebnis, daß er nur mit einer Wahrscheinlichkeit von fünf Prozent mit dem Erreger der Bellsucht infiziert ist. Die Hamburger Wissenschaftler haben den konstruierten Fall einigen Teilnehmern einer medizinischen Fachtagung vorgestellt und diese gebeten, die Infektionswahrscheinlichkeit bei positivem Testergebnis anzugeben. Von 15 Befragten wußte nur einer die richtige Antwort.
Mit Hilfe der Mathematik lassen sich, sofern man sie beherrscht, eindeutige Aussagen machen. Doch dann kommt die Sprache ins Spiel. Sie ist selten eindeutig. Das zeigt sich auch in der Wissenschaft, zumal hierbei noch Unschärfen beim Übersetzen der meist englischsprachigen Literatur hinzukommen. Die Autoren demonstrieren das mit 20 verschiedenen Formulierungen, die um die Aussage kreisen, Therapie A sei effektiver als Therapie B. Eine Umfrage unter Wissenschaftlern belegt, daß die Aussagen sehr unterschiedlich gewertet werden. So wurde der Satz "Evidently therapy A is more effective than therapy B" einmal eher als sicherer Beleg, ein andermal eher als spekulative Aussage gewertet. Wissenschaftler mit Englisch als Muttersprache urteilten ähnlich unterschiedlich. Für Patienten kann die Bewertung erhebliche Konsequenzen haben, hängt doch die Behandlung möglicherweise davon ab. Es lohnt sich also, Ergebnisse etwas genauer zu betrachten. So gesehen säen die Hamburger Wissenschaftler ein gesundes Mißtrauen. R.W.
Hans-Peter Beck-Bornholdt/Hans-Hermann Dubben: "Der Hund, der Eier legt. Erkennen von Fehlinformationen durch Querdenken". Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 1997. 256 S., br., 16,90 Mark.
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