Moore denken, den Star der "George-Bush-ist-ein-Gangster-Gemeinde", auch wenn der Untertitel der Originalausgabe nur besagt, daß Amerika im neuen Jahrhundert vom Weg abkommt, "loosing our way in the new century".
Nun liegen zwischen Paul Krugman und Michael Moore Welten - hier der grobschlächtige, effektheischende Filmemacher, der geschäftstüchtig und routiniert ein und dasselbe Thema gewinnbringend recycelt, dort der brillante Professor, der in seinen bisherigen Büchern genau jenen Bauernfängern vom Schlage eines Michael Moore den Kampf angesagt hatte. Wenn also einer das Zeug hat, der Regierung George Bush nachhaltig am selbigen zu flicken, dann ist es Krugman und nicht Moore. Doch wer Krugmans bisherige Bücher kennt, wird dieses Werk enttäuscht zur Seite legen: Der Ökonom läßt in diesem Buch jene intellektuelle Leichtigkeit, Eleganz und Beschlagenheit im Umgang mit Theorien, Fakten und Zahlen vermissen, die seine bisherigen Bücher geprägt und so lesenswert gemacht haben.
Die Kernthesen des Buches sind recht einfach: Krugman schießt sich auf das Establishment der Ostküstenelite ein, deren Repräsentanten für ihn George Bush und dessen Regierungsmitglieder sind. Die Regierung Bush ist Krugman zufolge eine Schurkenregierung, die ihre eigentlichen Ziele hinter politischen Parolen verbirgt, Andersdenkende diffamiert und statt des Wohls der Bevölkerung nur die eigenen Interessen im Sinne hat. Sie ist für ihn eine im wahrsten Sinne des Wortes revolutionäre Kraft, die sich keinen Deut um politische Spielregeln oder ihre Verantwortung gegenüber dem Wähler schert, sich sogar gegen ihn verschwört. So holzschnittartig dieser Verdacht klingt, so fällt auch das ganze Buch aus.
Ein Beispiel dafür bietet Krugmans ceterum censeo, daß die Steuerpläne der Regierung Bush ein Verbrechen seien: Permanent bekommt der Leser dies um die Ohren geschlagen, doch im ganzen Buch finden sich nur wenige Absätze, in denen Krugman wenigstens ansatzweise begründet, warum er diese Steuerpläne für so verwerflich hält. Das ist die große Schwäche des Buches: Es besteht fast nur aus Meinungen, Behauptungen und Anschuldigungen. Die ausführlichen Begründungen, die Zahlen, die Analyse fehlen. Alles, was Krugmans Artikel und Bücher sonst lesenswert macht, gerade das, was den Ökonomen vom Politiker trennt, ist auf der Strecke geblieben. Das ergibt sich wohl daraus, daß das Buch nicht mehr ist als eine Zusammenstellung von Krugmans Kolumnen in der New York Times, in Fortune und dem Online-Magazin Slate. Kolumnen sind kein guter Platz für eine scharfsinnige Analyse, sondern für den kurzen, präzisen Schlag auf den politischen Gegner. Hier überzeugt Krugman den Leser nicht, er überfährt ihn. Für den kurzen Drei-Minuten-Kampf einer Kolumne braucht er eine Keule, nicht das Florett. Kolumnen und Kurzartikel seien das falsche Format für differenzierte, subtile und gleichzeitig abgerundete Gedankengänge, hat dabei Paul Krugman selbst einmal geschrieben.
Vor Jahren ist er ausgezogen, um gegen die Popularisten, wie er sie nannte, zu Felde zu ziehen, und es war ein erfolgreicher Feldzug. Krugman setzte platten Parolen präzise Argumente entgegen, er zerstörte wirre Ideologien durch klare Analyse. Doch jetzt droht dieser Feldzug ins Stocken zu geraten. Krugman scheint die Distanz zu den Objekten seiner Kritik zu verlieren und damit auch seine Besonnenheit und Ausgewogenheit. Krugman ist ein brillanter Wissenschaftler, keine Frage. Aber er ist ein genauso schlechter Politiker wie all jene, die er in seinen bisherigen Büchern abgebürstet hat. Sein politisches Engagement, seine innere Überzeugung haben zumindest in diesem Buch die Oberhand über den besonnenen Wissenschaftler gewonnen. Es bleibt zu hoffen, daß sich das mit dem nächsten Buch wieder ändert. Die Welt braucht Ökonomen vom Schlage eines Paul Krugman.
HANNO BECK
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main