monarchistischen Anhängers der Action française, der die Wiedererlangung der einstigen Größe Frankreichs durch eine nationale Revolution propagierte.
Zum Nationalsozialismus bewahrte Blanchot, anders als Pierre Drieu la Rochelle oder Robert Brasillach, dank seiner antideutschen Affekte eine kritische Distanz. Dennoch scheute er in seinen hasserfüllten Invektiven gegen die sozialistische Regierung Blum keineswegs vor antisemitischen Klischees zurück. Noch 1940 feiert er die Machtübernahme Pétains, leitet die Literaturabteilung der von Vichy finanzierten Kulturorganisation "Jeune France" und nimmt bis zuletzt in Kauf, dass seine literarischen Essays im "Journal des débats" neben Reden von Hitler und Goebbels erscheinen.
Öffentlich geäußert hat sich Blanchot zu dieser Phase seines Lebens nie. Er beließ es bei Briefen an die engsten Freunde, späte Rechtfertigungen und Selbststilisierungen, ohne die eigentliche Frage - seine Autorschaft am einst Geschriebenen - auch nur zu berühren. In diesem Unwillen Blanchots, sein journalistisches und sein literarisches Werk, das "Schreiben des Tages" und das "Schreiben der Nacht", zusammenzudenken, erblickt Michel Surya die "wesentliche Inkonsequenz" des Autors.
Mit Blick auf Heideggers politische Verstrickungen hatte Blanchot schon früh erklärt, auf dem Denken des Philosophen laste fortan ein Verdacht. Surya wendet diesen Maßstab unter Ausblendung aller Unterschiede, die beide Fälle voneinander trennen, auf Blanchots eigenes Denken an und schildert dessen Weg von "einem kriecherischen Traditionalismus zu einem rhetorischen Progressismus". Unter Letzteren fallen für ihn offenbar ebenso Blanchots Engagement gegen den Algerien-Krieg wie seine - freilich schwärmerische - Begeisterung für den Mai 1968.
Diesen beiden Phasen der politischen Passion lässt Surya eine dritte des endgültigen Abschieds von der Politik zugunsten eines "büßerischen Philosemitismus" folgen, in der sich Blanchots Nähe zu seinem langjährigen Freund Emmanuel Levinas in "Bauchrednerei" verwandelt habe: "Durch diese ,Konversion' erreicht er mit einem Sprung den Rang der Opfer, ohne je das Risiko getragen zu haben, mit ihnen oder für sie den Preis dafür zu zahlen."
Trotz der bisweilen unheimlichen Kontinuität der Denkfiguren, die Surya zwischen den Texten der dreißiger und der sechziger Jahre aufzeigen kann, ist diese Einschätzung ungerecht. Wenn seine Behauptung, aus Levinas' Schriften fänden sich bei Blanchot "bis in die 70er Jahre höchstens zwei oder drei Zitate", schlicht falsch ist, so bleibt unverständlich, warum er eine entscheidende Tat Blanchots während des Zweiten Weltkriegs lediglich beiläufig erwähnt: Wie Levinas Ende der achtziger Jahre berichtete, hatte Blanchot seine Frau vor der Deportation gerettet.
Ein Blick auf das literaturtheoretische Werk hätte Surya zudem vor die Frage gestellt, ob die Vernichtung der Juden Blanchots Denken der Nachkriegszeit, das unablässig um die Motive von Schreiben, Tod und Überleben kreist, nicht von Anfang an heimgesucht hat. Wie aber ließe sich dann das Schweigen über seine Vergangenheit erklären? Eine mögliche Antwort, die Surya nicht in Erwägung zieht, könnte lauten, dass Blanchot auf eine viel radikalere Weise als seine poststrukturalistischen Nachfolger die Konsequenzen aus den Prämissen seines Denkens gezogen hat: Wo jede außerhalb der Sprache verbürgte Einheit des Subjekts fehlt, gibt es keine Verantwortung mehr. Das einmal Geschriebene, im Rückblick Fremdgewordene ist dann nur noch lesbar als das Werk eines anderen.
MAXIMILIAN GILLESSEN.
Michel Surya: "Der andere Blanchot". Das Schreiben des Tages, das Schreiben der Nacht. Aus dem Frz. von J. Sörös und D. Rupp. Matthes und Seitz Verlag, Berlin 2020. 204 S., br., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main