Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.1996Blondes Püppchen, wohin?
Weihnachtsgeschichten sind wohl das Ärgste, was sich Autoren zumuten können. Gibt es noch Spielräume zwischen frommem, kommerziellem und konsumkritischem Kitsch? Eva Heller versucht es mit Ironie, stattet den Weihnachtsmann mit PC und Drucker aus, nimmt die konsum- und medienorientierten Kinder von heute ins Visier und zwinkert dabei heftig den Erwachsenen zu. Sie sollen sich amüsieren über die kleinen, mit Zitaten aus den jeweiligen Jargons gespickten Spitzen gegen karriereversessene Familien und blutrünstige Computerspiele, gegen feministische, chauvinistische und noch ein paar weitere Gemeinplätze. Die Story selbst ist uraltbekannt: Es gilt, die einzig richtige Puppenmutter für eine
übriggebliebene Puppe zu finden. In einem allegorischen Zwischenspiel haben Frau Glück und Herr Liebe Gelegenheit zu albernen Reden ohne die feinste Spur von Tiefsinn oder Absurdität.
Michael Sowa hat reizvolle Räume für die belanglose Geschichte entworfen: fast alles Intérieurs, in denen er eine raffinierte Lichtregie führt und die Personen im Medium von Ding, Gemälde, Foto und Spiegel reflektiert. Sowa wechselt Blickführung und Bildschnitt, er wechselt zwischen surrealistischer und realistischer Darstellung, zwischen Winterzauber und beklemmenden Einblicken in Kindheiten. Ein Bilderbuch als Mitbringsel für Weihnachtspartys - und für Liebhaber der Bilderbuchkunst am Jahrhundertende. gma.
Eva Heller und Michael Sowa: "Das unerwartete Geschenk vom Weihnachtsmann und von Frau Glück und Herrn Liebe". Lappan Verlag, Oldenburg 1996. 40 S., geb., 29,80 DM.
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