Schlägereien. Und Joschka Fischer teilt immer noch für die Grünen aus. In dem Buch finden sich Politikersprüche von Manfred Abelein bis Friedrich Zimmermann: ein seltsamer Zitatenschatz.
Die Vertreter der grünen Partei liefern dem Buch manch kecken Ausspruch. So Hubert Kleinert: "Herr Blüm, dann sind Sie die Rache des Mainzer Karnevals am Deutschen Bundestag." Oder Klaus-Dieter Feige: "Dem ,Spiegel' dieser Woche entnehme ich, daß der Absturz des Kollegen Geißler samt Fallschirm von der Krone zweier Kiefern von ihm selbst auf den schlechten Zustand der Wälder zurückgeführt wird."
Ansonsten muß man sich als Leser doch sehr über den mangelnden sprachlichen Zunder der Volksvertreter wundern, der seinen biederen Höhepunkt in "Pfeffersack" und "Lümmel" erreicht. Nicht wenigen Stammtischgängern ist da mehr rhetorisches Feuer zuzutrauen. Die Parlamentarier indes folgen brav ihren bewährten Steigerungsformen: Lümmel, Drecksack, Propagandaminister. Als Superlativ der Verachtung wird Goebbels des öfteren bemüht.
Natürlich gibt es auch Klassiker. Helmut Schmidts Ausspruch "Wie der Bulle pißt", gemünzt auf Franz Josef Strauß, wird ebenso unvergessen wie unverstanden bleiben. Und auch die Peinlichkeit vom Glas, das zu drei Viertel voll und zu drei Viertel leer ist, wird Matthias Wissmann weiterhin verfolgen. Auf den meisten Seiten des Buches aber halten die Zitate nicht, was der Titel verspricht. Beschimpfungen sind nur ein Teil der Auslese von Jutta Falke und Ulrich Kaspar. Dazu mengen die beiden Herausgeber jede Belanglosigkeit, die Politiker von sich gaben, es sei über sich selbst oder andere.
Da erfährt der Leser etwa, daß Renate Schmidt einmal von sich gesagt hat: "Ich bin ein Familientier." Anderes wird gleich zweimal abgedruckt. "Wenn ich so werde, wie Scharping mich haben will, läßt meine Frau sich scheiden", behauptete Schröder 1995 vorschnell. Im Buch ist das unnötigerweise sowohl unter dem Stichwort Scharping als auch unter Schröder nachzulesen. Wie überhaupt vieles seltsam hingehudelt wirkt. Da erscheint in der Quellenangabe der "SED-Politiker" Thierse, oder Aussprüche sind offensichtlich falsch zugeordnet.
Zudem ist die Idee nicht neu: Günter Pursch hat schon vor Jahren mit seinem "großen Parlamentarischen Schimpfbuch" den Bundestag als Plenum der Beleidigung entdeckt. Seine gesammelten Sprüche sind in überarbeiteter Neuauflage erschienen. Im Gegensatz zu seinen Nachahmern erweist sich dieser Zitatenschatz als sorgfältiger zusammengestellt und lesenswerter. Mit den Beleidigungen gibt es dort nämlich auch die dazugehörigen Repliken zu lesen. Wer austeilt, muß bekanntlich auch einstecken können. Das ist im Parlament nicht anders. Mit Anekdoten angereichert, nach Sinnzusammenhängen geordnet, wirken die Politiker bei Pursch erfrischend schlagfertig. So Kurt Schumacher auf den Hinweis, daß seine Zeit um sei: "Meine Zeit zwar nicht, aber meine Redezeit!" Oder auch der Ratschlag von Vizepräsident Klein, im Protokoll eine zweite Spalte anzulegen: "in der linken den Redebeitrag, in der rechten der Fischersche Kommentar".
Außerdem erfährt der Leser so einiges über die im Parlament herrschenden Sitten: Bei Zwischenfragen haben die Politiker die Hände aus den Taschen zu nehmen. Peter Sellin, Abgeordneter der Grünen, verzichtete einst, nachdem er darüber belehrt wurde, kurzerhand auf seine Frage. Wer sich durch die protokollarischen Stilblüten liest, erfährt auch (vom jeweiligen Präsidenten), was es im Bundestag nicht gibt: weder Heuchler oder Lügner noch Deppen.
SHIRIN SOJITRAWALLA
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