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Es war ihre Großmutter, die ihr die erste Zigarette in die Hand gedrückt hatte. Die deutschsprachige Schauspielerin und Schriftstellerin türkischer Herkunft, die in Berlin lebt, hat der Ahnfrau in ihrem ersten Roman "Das Leben ist eine Karawanserei" (Kiepenheuer & Witsch, 1992) ein Denkmal gesetzt. Jetzt trug sie nicht nur einzelne Passagen aus diesem Buch vor, sie erzählte auch von der Traumatisierung ihrer Großmutter. Diese hatte als junge Frau in Kappadokien den Genozid der Türken an den armenischen Nachbarn miterlebt: mitangesehen, wie sich Armenierinnen von einer Brücke stürzten, um nicht in die Hände türkischer Männer zu fallen.
Die Familie wanderte nach Westen: Anatolien, Ankara, Istanbul, wo die Eltern heirateten. Wie schwer sie es dem Kind ihrer "Liebe" - das nämlich bedeutet "Sevgi" - machten, weiter nach Westen zu reisen, nämlich 1965 nach Deutschland, um sich als Gastarbeiterin die unerwünschte Schauspielausbildung zu verdienen, das erzählt Özdamar ebenfalls in der "Karawanserei". Aber auch in ihrem jüngsten Theaterstück, das sie für die diesjährige Kulturhauptstadt "Ruhr 2010" verfasst hat: Mit "Perikizi", dem "Feenkind", schlägt sie einen autobiographischen Bogen unter dem Leitwort "Theater ist mein Leben."
Daran konnten weder die weinende Mutter, noch der hellsichtige Vater etwas ändern, der ihre Titelheldin davor warnt, in einem fremden Land zu einem "Niemand" zu schrumpfen wie weiland Odysseus vor dem Zyklopen. Die Tochter machte ihren Weg: an der Seite namhafter Regisseure wie Benno Besson und Claus Peymann in Berlin, Paris und Bochum. Sie verfasste zwei weitere Romane, Erzählungen, Theaterstücke und zog 2003 als Stadtschreiberin in Bergen ein. Inzwischen hat sie auch daheim ein Buch über den türkischen Dichter Ece Ayhan veröffentlicht. Er hatte ihr den Ehrennamen "Emine" gegeben: Sie ist eine "Vertrauensperson".
CLAUDIA SCHÜLKE
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