Allendes Trivialroman "Eva Luna" über den Gang einer "Mulattin mit vollen Brüsten" zu erfahren, die ihrer süßsauren Nebenrolle, "stolz auf die Fülle ihres Fleisches", pflichtbewußt gerecht wird.
Rhythmus, Würde, Sinnlichkeit, Stolz und Fleisch jener demonstrativ Schreitenden in der Literatur haben ihren Eindruck auf die mexikanische Autorin Laura Esquivel nicht verfehlt. In ihrem Roman "Das Gesetz der Liebe" kann bereits auf Seite zwanzig eine bildschöne Aztekin vor Stolz und Kraft kaum laufen: "Ihr stolzer Gang verriet keinerlei Zeichen der Unterwerfung. Er war hochmütig, ja, sogar herausfordernd. Das Schwingen ihrer breiten Hüften erfüllte den Raum um sie herum mit Sinnlichkeit . . ."
Wie es eben so geht und wie gegangen werden muß in Zentralamerika, damit in Europa die Kasse stimmt. Laura Esquivel hat ihren Roman aber nicht allein den Verfechtern des pompösen Schreitens und den Liebhaberinnen des sinnlichen Übersee-Hüftschwungs zugedacht. Auf Gabriel García Márquez' magischen und Isabel Allendes kulinarischen Realismus läßt sie einen esoterischen Realismus folgen, der auch die Fans von Carlos Castaneda, Elisabeth Kübler-Ross und Thorwald Dethlefsen ansprechen muß.
Hier geht niemand leer aus. Die Romanfiguren sind spanische Conquistadoren und aufreizend stolz umherwatschelnde Aztekinnen, und sie werden immerzu wiedergeboren, auch in der Zukunft, wo die Seelenwanderung staatlich geregelt ist. Im Hintertreppenroman des neunzehnten Jahrhunderts würzten vertauschte und verwechselte Kinder die Handlung. Für das Wassermannzeitalter hat Laura Esquivel den abgeschmackten Verwechslungsreigen reinkarnationstherapeutisch überpfeffert: "Citlali - damals ein Mann - war also der Schwager, der, der Rodrigo - in jenem Leben eine Frau - mißbraucht hatte, und somit der Bruder von Isabel." Am Ende sind alle Querbeziehungen geklärt und die karmischen Schulden beglichen, und die Welt steht still - vor Glück: "Die kosmische Ordnung war wiederhergestellt, und alle Zweifel waren aus der Welt."
Laura Esquivel hat nichts zu erzählen. Sie behilft sich mit Predigten. Sie teilt mit, daß die Kraft der Schöpfung das Chaos ordne, daß sich im Inneren des Menschen eine göttliche Essenz verberge und daß es im Universum nur eine einzige Energie gebe, die ständig in Bewegung sei. Dann wird salbungsvoll über negative Energiewellen, Yin und Yang, kosmische Gesetzmäßigkeiten, Zwillingsseelen, Tierkreiszeichen und Wiedergeburt schwadroniert. Wer nach Details lechzt, wird kurzerhand abgefertigt und ruppig beschieden: "Unzählige karitative Aktivitäten zeichneten ihn aus und so weiter und so fort."
Aus dem mexikanischen Spanisch übersetzt hat Maralde Meyer-Minnemann das Werk ins Wühltischdeutsche. Geweint wird ausnahmslos "bitterlich", gestrahlt wird "über das ganze Gesicht", gebetet wird "inständig" und anschließend "auf Biegen und Brechen" gekämpft; die Wangen sind "rosig" und die Nerven "bis zum Zerreißen gespannt", wie es das Pflichtprogramm vorschreibt. Aber keine Übersetzerin hätte einen Roman retten können, in welchem es heißt: "Die Welt ist zu einer endlosen Kette des Wie-du-mir-so-ich-dir geworden", einen Roman, dessen Autorin den Hüftschwung eines Erdbebens folgendermaßen ins Wort erlöst: "Die Wände wogten, als übten sie ,La Ola' für das nächste Fußballspiel."
Doch alle Zweifel, auch die hier formulierten, werden eines Tages ausgeräumt und aus der Welt sein, wenn die kosmische Ordnung wiederhergestellt sein wird. Im Abspann ihres nichtigen, mit einer Opernarien-CD und hochambitionierten Comic-Farbseiten ausstaffierten Romans teilt Laura Esquivel Einzelheiten über das fernere Schicksal ihrer Helden mit: "Es herrschte Glück auf Erden. Citlali hatte ihre Zwillingsseele gefunden. Und Cuquita die ihre. Teo wurde befördert."
Im Abspann des Spielfilms "Ein Fisch namens Wanda" wurden die Zuschauer darüber informiert, daß das von John Cleese und Jamie Lee Curtis verkörperte Schurkenpärchen später geheiratet, siebzehn Kinder in die Welt gesetzt und eine Aussätzigenkolonie betreut habe. Daß man nach solchen Parodien nicht einfach weitermachen kann, als sei nichts geschehen, hat Laura Esquivel nicht mitbekommen, sonst hätte sie das Manuskript ihrer bittersüßen Esoterikschnulze, einer geheimen Musik folgend, sofort der Sterbehelferin Elisabeth Kübler-Ross überreicht. GERHARD HENSCHEL
Laura Esquivel: "Das Gesetz der Liebe". Roman mit CD-Beigabe und 48 Seiten Farbillustrationen von Miguelanxo Prado. Aus dem Spanischen übersetzt von Maralde Meyer-Minnemann. Ullstein Verlag, Berlin 1996. 288 S., geb., 44,- DM.
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