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Kerstin Petermann
Buch mit Leinen-Einband
Bernt Notke
Arbeitsweise und Werkstattorganisation im späten Mittelalter. Diss.
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Die in der Werkstatt des spätmittelalterlichen Lübecker Malers Bernt Notke entstandenen Werke zählen zu den bedeutendsten des Ostseeraumes. Auf der Grundlage umfassender Restaurierungen nimmt diese Monographie eine Neubewertung des Lübecker Meisters vor. Erstmals werden die neugewonnenen kunsttechnologischen Befunde in eine Betrachtung der Arbeitsweise und Werkstattorganisation Bernt Notkes einbezogen.
Produktdetails
- Verlag: Reimer
- 2000.
- Seitenzahl: 273
- Deutsch
- Abmessung: 246mm x 177mm x 28mm
- Gewicht: 1134g
- ISBN-13: 9783496012177
- ISBN-10: 349601217X
- Artikelnr.: 08657133
Herstellerkennzeichnung
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Fürwahr, den Drachen fürchtete er nicht
Denn seine Arbeit beschränkte sich auf die Gestaltung der Oberfläche: Bernt Notke mußte sich seine Skulpturen nicht selber schnitzen
Groß war die Überraschung im April 1972, als anläßlich der Restaurierung von Bernt Notkes monumentaler Triumphkreuzgruppe im Lübecker Dom eine Künstlerinschrift zutage trat, die wohl jeden Kunsthistoriker in Entzücken versetzt hätte. Auf einem schmalen Pergamentstreifen, der im Inneren der hölzernen Figur des trauernden Johannes verborgen war, fand sich die Jahreszahl 1472 für die Vollendung der Skulptur. Zudem hatten der "meister bernt notken" und fünf Mitarbeiter ihre Namen und Aufgaben bei der Fertigung der Skulpturengruppe auf dem Blatt
Denn seine Arbeit beschränkte sich auf die Gestaltung der Oberfläche: Bernt Notke mußte sich seine Skulpturen nicht selber schnitzen
Groß war die Überraschung im April 1972, als anläßlich der Restaurierung von Bernt Notkes monumentaler Triumphkreuzgruppe im Lübecker Dom eine Künstlerinschrift zutage trat, die wohl jeden Kunsthistoriker in Entzücken versetzt hätte. Auf einem schmalen Pergamentstreifen, der im Inneren der hölzernen Figur des trauernden Johannes verborgen war, fand sich die Jahreszahl 1472 für die Vollendung der Skulptur. Zudem hatten der "meister bernt notken" und fünf Mitarbeiter ihre Namen und Aufgaben bei der Fertigung der Skulpturengruppe auf dem Blatt
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vermerkt. Damit trat das bisher nur zugeschriebene Triumphkreuz als drittes gesichertes Werk neben die beiden Hochaltarretabeln, die Notke für die Kirchen im dänischen Århus und in Reval gefertigt hatte. Mit dem sensationellen Dokumentenfund erhielt zugleich ein bis heute andauernder Streit um die Arbeitsteilung in der sagenumwobenen Notke-Werkstatt neue Nahrung.
Die kunsthistorische Wiederentdeckung Notkes war im Jahr 1889 mit der Dissertation des Mediävisten Adolph Goldschmidt eingeleitet worden. Ihr folgte eine Reihe von Zuschreibungen, die 1939 in einer zweibändigen Monographie von Walter Paatz ihren numerischen Höhepunkt fand. In einer noch 1944 nachgelieferten Kurzfassung des Buches wurde Notke dann zum "düster-genialischen" Universaltalent und zur überragenden Künstlerpersönlichkeit des von der Hanse beherrschten Ostseeraumes verklärt. Wie ein polemischer Gegenentwurf zum uomo universale der italienischen Frührenaissance mutet diese überspannte dithyrambische Beschwörung des nordischen Alleskönners Notke an.
Das Notke-Bild der modernen Forschung fällt dagegen weniger emphatisch aus. Entsprechend nüchtern ist auch die Sprache, mit der Kerstin Petermann in ihrer Kieler Dissertation von 1997 die archivalischen Fakten mit naturwissenschaftlichen Restaurierungsbefunden und Erkenntnissen über die spätgotische Werkstattpraxis zur Rekonstruktion von Notkes Werk neu verknüpft hat. Nicht mehr die Monographie eines genialen Künstlerindividuums wird hier vorgelegt, sondern der Versuch einer auf den rein materiellen Befund gegründeten Bestandsaufnahme der unter Notkes Namen laufenden Werke.
Für einen Künstler der Spätgotik ist über Notke erstaunlich viel aus den Quellen zu erfahren. In Lübeck ist der vermutlich aus Pommern stammende Notke von 1467 an als Meister im Amt der Maler nachweisbar. Als Haupt einer überaus produktiven Werkstatt, die den gesamten Ostseeraum mit farbig gefaßten Holzskulpturen und Tafelmalerei belieferte, hielt er sich für mehrere Jahre in Stockholm auf, wo er das hohe Amt eines Münzmeisters bekleidete. Zurückgekehrt nach Lübeck, übernahm er bis zu seinem Tode 1509 die Leitung des im Export engagierten Ziegeleihofes der Petrikirche.
Notke wird in den Quellen zumeist als Maler bezeichnet. Folgerichtig wurde von der Forschung ein malerisches OEuvre rekonstruiert, dessen traditionellen Kern die beiden Totentänze in Lübeck und Reval und die bemalten Flügel der urkundlich gesicherten Retabeln bilden. Der größere Totentanz in der Lübecker Marienkirche ging zusammen mit der ebenfalls Notke zugewiesenen "Gregorsmesse" im Zweiten Weltkrieg zugrunde, so daß die materielle Grundlage für eine Bewertung des Malers Notke schmal bleibt. Dagegen haben sich plastische Hauptwerke in bemerkenswerter Anzahl erhalten. Auf fragwürdige Zuschreibungen verzichtend, führt Petermann nun eine auf kunsttechnologische Befunde gestützte Analyse durch, die vor allem dem Beweis ihrer Hauptthese zu dienen hat: Notke war nicht selbst als Bildschnitzer tätig, sondern hat den von ihm entworfenen Skulpturen lediglich durch die farbige Fassung seine Handschrift verliehen.
Bereits die Restaurierung des Lübecker Triumphkreuzes von 1971 bis 1977 hatte die Perspektive der Forschung entscheidend verändert. Angesichts der offenbaren qualitativen Unterschiede bot das Kruzifix mit seinen überlebensgroßen Assistenzfiguren ein eher verwirrendes Bild von Notkes Tätigkeit. Die Skulpturen weisen ein für seine Werkstatt typisches Verfahren auf: Auf den großflächig bossierten Eichenholzkörper wurde ein dicker Kreidegrund aufgetragen, mit dem die Oberfläche der Figur erst eigentlich modelliert werden konnte. In einem weiteren Arbeitsgang trat dann die farbige Fassung und Vergoldung zur Verlebendigung des Bildwerkes hinzu. Petermann erkennt hier in Notke vor allem den entwerfenden und kontrollierenden Werkstattleiter, der eine Reihe von Spezialisten für die einzelnen Arbeitsgänge beschäftigte und möglicherweise nur die farbige Fassung selbst in die Hand nahm.
Als eine mediale Besonderheit bezog Notke immer wieder fremde Materialien in die Gestaltung seiner Skulpturen ein, womit er bisweilen äußerst eindringliche Wirkungen erzielen konnte. Diese Technik offenbart vor allem das überzeugend Notke zugewiesene Hauptwerk, die kolossale St.-Jürgen-Gruppe in der Nikolaikirche von Stockholm, die 1489 geweiht wurde. Es handelt sich um die mit einer Grablege verbundene Altarstiftung des schwedischen Reichsverwesers Sten Sture, deren moderne Aufstellung nicht dem originalen Zustand entspricht.
Dem heutigen Betrachter der Skulpturengruppe drängt sich unwillkürlich die Frage auf, wie im künstlerischen Diskurs der Zeit die Mimesis bemalter Plastik reflektiert wurde. Die Notke-Werkstatt hat dem Drachenkampf durch den Einsatz von Fremdmaterialien eine Präsenz verliehen, die offenbar der medialen Überwindung der Gattung dienen sollte: Lederriemen fingieren den Sattel des Pferdes, Pergamentstreifen modellieren die Falten der Gewandung. Besonders bizarr erscheint das grausige Stachelkleid des Drachenpanzers, das zahlreiche Elchgeweihe zieren. Zusätzlich verliehen echte Haare der erstaunlich modern wirkenden Büste eines getöteten Drachenopfers eine eigentümliche Drastik. Der kritische Leser wird sich kaum des Vorwurfs vorwissenschaftlichen Mystagogentums schuldig machen, wenn er bei der allzu sachlichen Schilderung dieser einzigartigen Skulpturengruppe die Thematisierung des eigentlich Schöpferischen vermißt. Gegen eine kolossale Chimäre wie den multimedialen Stockholmer Drachen ist die Kunstwissenschaft methodisch kaum gewappnet, wenn sie sich mit bloßer Schilderung von Äußerlichkeiten begnügt, statt sich der hermeneutischen Herausforderung zu stellen.
Man muß der Autorin zugute halten, daß sie das reiche Material kunsttechnologischer Befunde systematisiert hat. Zudem ist ihr gelungen, das Prinzip rationaler Arbeitsteilung in der Notke-Werkstatt zu veranschaulichen. Gleichwohl bleibt der Künstler Notke auch in Petermanns Buch zwangsläufig eine Figur des Imaginären. Wie die positivistische Negativform zum Geniekult vergangener Zeiten erscheint bisweilen der ambitionierte Versuch, in Notke lediglich den entwerfenden Organisator und Faßmaler zu erkennen, der selbst kein Schnitzmesser in die Hand genommen habe. Mit Kerstin Petermann kann der Leser nun unter die Epidermis von Notkes Werken blicken, dessen spektakuläre Kunst er jedoch weiterhin selbst entdecken muß.
MICHAEL THIMANN
Kerstin Petermann: "Bernt Notke". Arbeitsweise und Werkstattorganisation im späten Mittelalter. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2000. 273 S., 18 Farb- u. 195 SW-Tafeln, geb., 128,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die kunsthistorische Wiederentdeckung Notkes war im Jahr 1889 mit der Dissertation des Mediävisten Adolph Goldschmidt eingeleitet worden. Ihr folgte eine Reihe von Zuschreibungen, die 1939 in einer zweibändigen Monographie von Walter Paatz ihren numerischen Höhepunkt fand. In einer noch 1944 nachgelieferten Kurzfassung des Buches wurde Notke dann zum "düster-genialischen" Universaltalent und zur überragenden Künstlerpersönlichkeit des von der Hanse beherrschten Ostseeraumes verklärt. Wie ein polemischer Gegenentwurf zum uomo universale der italienischen Frührenaissance mutet diese überspannte dithyrambische Beschwörung des nordischen Alleskönners Notke an.
Das Notke-Bild der modernen Forschung fällt dagegen weniger emphatisch aus. Entsprechend nüchtern ist auch die Sprache, mit der Kerstin Petermann in ihrer Kieler Dissertation von 1997 die archivalischen Fakten mit naturwissenschaftlichen Restaurierungsbefunden und Erkenntnissen über die spätgotische Werkstattpraxis zur Rekonstruktion von Notkes Werk neu verknüpft hat. Nicht mehr die Monographie eines genialen Künstlerindividuums wird hier vorgelegt, sondern der Versuch einer auf den rein materiellen Befund gegründeten Bestandsaufnahme der unter Notkes Namen laufenden Werke.
Für einen Künstler der Spätgotik ist über Notke erstaunlich viel aus den Quellen zu erfahren. In Lübeck ist der vermutlich aus Pommern stammende Notke von 1467 an als Meister im Amt der Maler nachweisbar. Als Haupt einer überaus produktiven Werkstatt, die den gesamten Ostseeraum mit farbig gefaßten Holzskulpturen und Tafelmalerei belieferte, hielt er sich für mehrere Jahre in Stockholm auf, wo er das hohe Amt eines Münzmeisters bekleidete. Zurückgekehrt nach Lübeck, übernahm er bis zu seinem Tode 1509 die Leitung des im Export engagierten Ziegeleihofes der Petrikirche.
Notke wird in den Quellen zumeist als Maler bezeichnet. Folgerichtig wurde von der Forschung ein malerisches OEuvre rekonstruiert, dessen traditionellen Kern die beiden Totentänze in Lübeck und Reval und die bemalten Flügel der urkundlich gesicherten Retabeln bilden. Der größere Totentanz in der Lübecker Marienkirche ging zusammen mit der ebenfalls Notke zugewiesenen "Gregorsmesse" im Zweiten Weltkrieg zugrunde, so daß die materielle Grundlage für eine Bewertung des Malers Notke schmal bleibt. Dagegen haben sich plastische Hauptwerke in bemerkenswerter Anzahl erhalten. Auf fragwürdige Zuschreibungen verzichtend, führt Petermann nun eine auf kunsttechnologische Befunde gestützte Analyse durch, die vor allem dem Beweis ihrer Hauptthese zu dienen hat: Notke war nicht selbst als Bildschnitzer tätig, sondern hat den von ihm entworfenen Skulpturen lediglich durch die farbige Fassung seine Handschrift verliehen.
Bereits die Restaurierung des Lübecker Triumphkreuzes von 1971 bis 1977 hatte die Perspektive der Forschung entscheidend verändert. Angesichts der offenbaren qualitativen Unterschiede bot das Kruzifix mit seinen überlebensgroßen Assistenzfiguren ein eher verwirrendes Bild von Notkes Tätigkeit. Die Skulpturen weisen ein für seine Werkstatt typisches Verfahren auf: Auf den großflächig bossierten Eichenholzkörper wurde ein dicker Kreidegrund aufgetragen, mit dem die Oberfläche der Figur erst eigentlich modelliert werden konnte. In einem weiteren Arbeitsgang trat dann die farbige Fassung und Vergoldung zur Verlebendigung des Bildwerkes hinzu. Petermann erkennt hier in Notke vor allem den entwerfenden und kontrollierenden Werkstattleiter, der eine Reihe von Spezialisten für die einzelnen Arbeitsgänge beschäftigte und möglicherweise nur die farbige Fassung selbst in die Hand nahm.
Als eine mediale Besonderheit bezog Notke immer wieder fremde Materialien in die Gestaltung seiner Skulpturen ein, womit er bisweilen äußerst eindringliche Wirkungen erzielen konnte. Diese Technik offenbart vor allem das überzeugend Notke zugewiesene Hauptwerk, die kolossale St.-Jürgen-Gruppe in der Nikolaikirche von Stockholm, die 1489 geweiht wurde. Es handelt sich um die mit einer Grablege verbundene Altarstiftung des schwedischen Reichsverwesers Sten Sture, deren moderne Aufstellung nicht dem originalen Zustand entspricht.
Dem heutigen Betrachter der Skulpturengruppe drängt sich unwillkürlich die Frage auf, wie im künstlerischen Diskurs der Zeit die Mimesis bemalter Plastik reflektiert wurde. Die Notke-Werkstatt hat dem Drachenkampf durch den Einsatz von Fremdmaterialien eine Präsenz verliehen, die offenbar der medialen Überwindung der Gattung dienen sollte: Lederriemen fingieren den Sattel des Pferdes, Pergamentstreifen modellieren die Falten der Gewandung. Besonders bizarr erscheint das grausige Stachelkleid des Drachenpanzers, das zahlreiche Elchgeweihe zieren. Zusätzlich verliehen echte Haare der erstaunlich modern wirkenden Büste eines getöteten Drachenopfers eine eigentümliche Drastik. Der kritische Leser wird sich kaum des Vorwurfs vorwissenschaftlichen Mystagogentums schuldig machen, wenn er bei der allzu sachlichen Schilderung dieser einzigartigen Skulpturengruppe die Thematisierung des eigentlich Schöpferischen vermißt. Gegen eine kolossale Chimäre wie den multimedialen Stockholmer Drachen ist die Kunstwissenschaft methodisch kaum gewappnet, wenn sie sich mit bloßer Schilderung von Äußerlichkeiten begnügt, statt sich der hermeneutischen Herausforderung zu stellen.
Man muß der Autorin zugute halten, daß sie das reiche Material kunsttechnologischer Befunde systematisiert hat. Zudem ist ihr gelungen, das Prinzip rationaler Arbeitsteilung in der Notke-Werkstatt zu veranschaulichen. Gleichwohl bleibt der Künstler Notke auch in Petermanns Buch zwangsläufig eine Figur des Imaginären. Wie die positivistische Negativform zum Geniekult vergangener Zeiten erscheint bisweilen der ambitionierte Versuch, in Notke lediglich den entwerfenden Organisator und Faßmaler zu erkennen, der selbst kein Schnitzmesser in die Hand genommen habe. Mit Kerstin Petermann kann der Leser nun unter die Epidermis von Notkes Werken blicken, dessen spektakuläre Kunst er jedoch weiterhin selbst entdecken muß.
MICHAEL THIMANN
Kerstin Petermann: "Bernt Notke". Arbeitsweise und Werkstattorganisation im späten Mittelalter. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2000. 273 S., 18 Farb- u. 195 SW-Tafeln, geb., 128,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Mehr Hermeneutik hätte sich Michael Thimann von dieser kunsthistorischen Dissertation gewünscht. Zwar kommt die nüchterne Sprache, mit der die Autorin Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse verknüpft und zugleich auf fragwürdige Befunde verzichtet, der Monographie ganz offenbar zugute, auf die derart formulierte These vom Werkstattleiter Notke, der mehr kontrollierte als schuf jedoch, scheint der Rezensent nicht eben viel zu geben. Wie sonst könnte er ausgerechnet in dieser Arbeit die Thematisierung des eigentlich Schöpferischen vermissen?
© Perlentaucher Medien GmbH
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