durch gegenläufige Interessen und Strategien unrettbar blockiert. Ihr drohe eine lange "wirtschaftliche Dürre". Marsh bezweifelt, ob eine an inneren Widersprüchen leidende Währung als weltweite Reservewährung Erfolg haben könne. Die Asiaten seien zunehmend skeptisch. Statt das "Dollar-Monopol" zu brechen, wie einige, vor allem französische Europapolitiker einstmals hofften, werde der Euro bloß ein Regionalgeld bleiben.
In zwanzig kurzen Kapiteln versucht Marsh, das komplizierte ökonomisch-politische Interessenknäuel zu entwirren, das die Euro-Krise charakterisiert. Zunächst erinnert Marsh in einem Rückblick an Hoffnungen und Hintergedanken bei der Einführung. Dann beschreibt er kurz die Schönwetterperiode und zeichnet nach, welche Ungleichgewichte und ökonomisch-fiskalische Risiken sich aufbauten. Genüsslich zitiert Marsh schöngefärbte Berichte der Brüsseler Behörden und der EZB, kurz bevor die Krise ausbrach. Marsh hat das Europrojekt stets mit skeptischem Wohlwollen betrachtet. Inzwischen sieht er die Gemeinschaftswährung und zu niedrige Leitzinsen als Hauptursache der Verschuldungskrise der Krisenländer. Die gigantischen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse seien ein zweifelhafter Segen, ein erheblicher Teil der Auslandsforderungen sei gefährdet. Inzwischen hält die Bundesbank den allergrößten Teil als sogenannte Target-Forderungen. Das Risiko liegt damit beim Steuerzahler. Marsh schreibt, es sei "offenkundig, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser hohen Forderungen an das Ausland nie zurückgezahlt werden wird".
Den Kern der "unlösbaren" Krise sieht er in Interessenkonflikten. Europa sei in Schuldner und Gläubiger gespalten - das vermeintliche Friedensprojekt produziere wechselseitige Ressentiments. Der Süden wünscht eine Schuldenvergemeinschaftung, der Norden stemmt sich dagegen. Stattdessen hat der Norden harsche Konsolidierungsprogramme erzwungen, die den Süden tief in die Rezession gedrückt haben. Die teils berechtigten Vorwürfe gegen Deutschland arteten in eine "Diffamierungskampagne" aus. Deutschland sei wirtschaftlich viel stärker als seine Nachbarn, doch leide es unter nationalgeschichtlichen Komplexen, unter Unsicherheit und Unbeholfenheit. Für eine echte Führungsrolle fehle es den Deutschen an Selbstvertrauen und Weitsicht.
Inzwischen gibt es einige institutionelle Reformen in der Währungsunion, die Marsh aber als ungenügend oder unglaubwürdig abtut, etwa den "verschärften" Stabilitätspakt. Der Krisenfonds ESM könne zwar große Summen verleihen, doch sei Streit über fragwürdige Anreizwirkungen und über Reformvorgaben programmiert. Auch bei der geplanten Bankenunion sei Streit über die Altlasten absehbar. Der Reformeifer in den Krisenländern lasse wieder nach, schreibt Marsh, seit die EZB durch ihr Stützungsversprechen den Druck der Märkte abmildere. Die Korrektur der falschen realen Wechselkurse werde langwierig und sehr schmerzhaft sein.
Statt den Euroraum mit gewaltigen Transfers in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung zu erhalten, könnte er sich gesundschrumpfen, wenn Griechenland und andere Dauerkrisenländer austreten würden. Der Euroraum könnte damit auf längere Sicht stabiler werden, meint Marsh. Allerdings sieht er auch die möglichen Gefahren durch Ansteckungseffekte bei einem Exit einzelner Länder. Mehrfach erwähnt Marsh die eurokritische Partei Alternative für Deutschland. Er begrüßt es, dass sie versuche, "die jahrelang in Deutschland von überzogener politischer Korrektheit gekennzeichnete Debatte um die Währungsunion zu entstauben". Marsh überschätzt aber die Wirkung der AfD, dass "endlich eine sachliche, nüchterne Debatte über Kosten und Nutzen der Währungsunion stattfindet". Das Wort "alternativlos" hat die Kanzlerin aus Reden gestrichen, doch sie verhält sich weiterhin so.
Der frühere Bundesbankpräsident Pöhl betont im Vorwort, dass Regierungen und EZB einen Ausstieg aus dem jetzigen Rettungssystem scheuten, weil die Kosten zu hoch würden: "So bleibt als einzige Alternative der Weg in die Transferunion, das heißt Vergemeinschaftung der Schulden."
PHILIP PLICKERT.
David Marsh: Beim Geld hört der Spaß auf.
Europa Verlag, Berlin 2013,175 Seiten, 10 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main