an der Harvard Business School entwickelt worden. Es hat seitdem nicht nur in den akademischen Zirkeln Beachtung gefunden. Manche glauben, damit die Wunderwaffe gefunden zu haben. Andere wollen das zumindest glauben machen.
Für den kritischen Beobachter zeigt sich indessen, daß sich die Diskussion über das Pro und Contra dieses Instrumentes umgekehrt proportional zu seiner tatsächlichen Umsetzung der Praxis verhält. Die Begründung hierfür ist leicht zu finden: Das Instrument ist im Hinblick auf seine Logik bestechend einfach. Wenn man jedoch in einem Unternehmen eine Balanced Scorecard erarbeiten will, so wird man schnell feststellen, daß der Teufel im Detail steckt. Die Balanced Scorecard umzusetzen ist ein mühevolles Unterfangen, für das die Betriebswirtschaftslehre bisher wenig Hilfestellung bietet.
Es ist daher erfreulich, daß unter der Ägide von Péter Hórvath, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Stuttgart und Begründer einer Unternehmensberatungsgesellschaft, ein umfangreicher Leitfaden zur praktischen Nutzung dieses Managementsystems entstanden ist. In das Werk sind die Erfahrungen aus rund vierzig Praxisprojekten eingeflossen. Das Autorenteam wendet sich damit vor allem an Unternehmensleiter in der Praxis.
Die Autoren skizzieren im ersten Teil treffend das Managementsystem Balanced Scorecard und gehen dann in den folgenden Teilen detailliert und mit Beispielen hinterlegt auf das sogenannte Hórvath & Partner-Modell zum praktischen Einsatz der Balanced Scorecard ein. Dieses Modell sieht die fünf Phasen Klärung der strategischen Grundlagen, Schaffung des organisatorischen Rahmens für die Implementierung, Entwicklung einer Balanced Scorecard, Management des Roll-out und Sicherstellung des kontinuierlichen Einsatzes der Balanced Scorecard vor. Speziell über die zuletzt genannte Phase ist bisher wenig geschrieben worden. Interessant sind die Ausführungen über die Verknüpfung des neuen Managementsystems mit dem in den letzten Jahren stark propagierten Shareholder-value-Management. Die Balanced Scorecard gibt - nach Meinung der Autoren - dem Shareholder-value-Management die notwendige Bodenhaftung.
Der betriebswirtschaftlich geschulte Leser kann dem in sich schlüssigen Modell viele nützliche Anregungen entnehmen, die ihn bei seiner Arbeit unterstützen. Gleichwohl sollte er sich jedoch keinen Illusionen hingeben: Auch eine sorgfältig ausgearbeitete Balanced Scorecard ist kein Freifahrschein zum Erfolg. Dieses Instrument vermag keine Antwort auf die Frage zu geben, ob ein Unternehmen tatsächlich die richtige Strategie gewählt hat. Hierzu bedarf es immer noch des richtigen unternehmerischen Gespürs für Marktentwicklungen.
Das gut strukturierte Buch ist ein Appetitanreger (und wohl auch so gedacht): In dem engagierten Plädoyer für die Balanced Scorecard dominieren trotz mancher Tips die grundsätzlichen, methodischen Erwägungen. Nach der Lektüre weiß der Leser aus der Praxis zweifellos mehr. Ob er jedoch genug weiß, um in einem konkreten Anwendungsfall eine Balanced Scorecard in ihrem Facettenreichtum ohne Beratungsunterstützung einsetzen und nutzen zu können, ist nicht sicher. Die tatsächliche Komplexität eines solchen Vorhabens wird beim Ableiten von Zielen, Ressourcen, Verantwortlichkeiten und Meßgrößen nicht nur auf der Ebene der Unternehmensleitung offenbar, sondern vor allem auf den nachgeordneten Ebenen der Hierarchie. Diese Schwierigkeiten kann man bei der Lektüre nur erahnen. Péter Hórvath scheint sich der Lücke zwischen Denken und konkretem Tun bewußt zu sein, wenn er im Vorwort Erich Kästner mit dem bekannten Satz zitiert: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es." In europäischen Unternehmen bleibt noch viel zu tun, wenn es darum geht, Visionen und Strategien in den rauhen betrieblichen Alltag umzusetzen. Die Balanced Scorecard ist wohl kaum die von vielen ersehnte Wunderwaffe; sie kann aber helfen, die richtigen Fragen zu stellen, konfliktäre Zielsetzungen aufzudecken und diese bei richtiger Handhabung zum Ausgleich zu bringen. Unternehmer, die sich dieser anspruchsvollen Übung unterziehen, durchlaufen einen wertvollen Lernprozeß, an dessen Ende sie mit einem besseren Verständnis des eigenen Unternehmens belohnt werden.
ROBERT FIETEN
(Management-Forschungs-Team, Köln)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main