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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2014
Wenig Gesellschaft, viele Gedanken
Der Filmemacher, Autor und Paul-Celan-Experte Klaus Voswinckel begibt sich in sieben auf wundersame Weise miteinander Zwiesprache haltenden Episoden auf reisephilosophische Exkursionen - in das Wesen der Dinge und Orte, des Schreitens und Schreibens. Seine oft in südlichen Gefilden spielenden Prosatexte sind dem kosmischen Korrelieren der Alltagsphänomene gewidmete Liebeserklärungen an das Leben und ergebnisoffene Lauschangriffe auf die Natur. Traumgespinste, Verfolgungswahn, "Worte wie Versuchsballons" und eine von ewiger Wahrheitssuche getriebene "écriture automatique" prägen den tastenden Stil. In der in Welten des Unbewussten abtauchenden Erzählung "Ich oder wer?" gerät das Ich zum
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Glaubensakt im vom Sprudeln der unzulänglichen zwischenmenschlichen Kommunikation, Bilder, Blinkzeichen und Gedanken unberührten Einsamkeitsraum des Selbst. "Ein roter Ball namens Wir" würde bald nach Geburt und Sozialisation durch die Gesellschaft geistern, sie zu Beifallsstürmen oder Wutausbrüchen verleiten, das "Wir" bliebe aber eine illusionistische Solidarisierung. Die Schlusserzählung "Wiederkehr" schildert die Rückkehr nach Paris als Stadt der literarischen Liebe des gealterten Protagonisten: Der Autor erinnert sich an Begegnungen mit Paul Celan, der ihn mit "fast geflüsterten Gedichten" in seinen Studentenjahren politisiert hatte, und rekonstruiert die letzten Lebenswochen, Orte und Worte, die der Dichter nach ideologischer Vereinnahmung der Muttersprache erst wiederzufinden und mit neuem Sinngehalt einzukleiden suchte - bis zu seinem Freitod in der Seine.
sg
"Aufbrüche, Wiederkehr. Erzählungen" von Klaus Voswinckel. Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2013. 216 Seiten. Gebunden, 20 Euro.