alimentierten Vietnam, das Hunderttausende von Flüchtlingen in die westliche Welt schickte und im Begriff war, die Nachbarn Laos und Kambodscha zu dominieren. Seither hat der Wind gedreht, ist Vietnam Mitglied in der einstmals kämpferisch antikommunistischen Asean-Gemeinschaft geworden, gelten ängstliche Gedanken und wachsende Verteidigungsetats einem wirtschaftlich und militärisch immer stärker werdenden China. Die letzten der Boot-Flüchtlinge aus Indochina, mit denen der Botschafter Dufner soviel Arbeit hatte und die kein Aufnahmeland fanden, werden in diesen Tagen in ihre Heimat repatriiert.
Manches in dem Buch ist deshalb bereits Geschichte. Es enthält indes bleibende Lesegenüsse: etwa die Beschreibung des reichen Erdöl-Sultanats Brunei oder das liebevolle Porträt des malaysischen Staatsgründers Tunku Abdul Rahman. Dufner hat die Botschaften in Singapur und Kuala Lumpur nicht als Vorposten zum Ruhestand gesehen, er ist viel gereist, hat gelernt und fleißig notiert. Er ist den Spuren Hermann Hesses in Südostasien nachgegangen und war mehrmals Gastgeber Ernst Jüngers. Daß die diplomatischen Strecken zwischen solchen Höhepunkten lange und langweilig sein können, ist nicht nur zwischen den Zeilen zu lesen. "Der Sultan von Pahan hat zum Poloturnier gebeten", heißt es da. Häufiger aber klagt Dufner über die "niederen Hilfsdienste für übermüdete, verschwitzte und verärgerte Bundestagsabgeordnete", die immer in den schönsten und teuersten Hotels am Ort wohnen wollen, schlecht vorbereitet sind und nach "höchstens drei Gesprächen mit den Regierenden ihre jeweiligen Meinungen aufs trefflichste bestätigt" finden. Bei Besuchen in Deutschland fällt ihm von Mal zu Mal mehr auf, daß seine Landsleute dabei seien, auf ihrem Wohlstandslorbeer einzuschlafen, dazu unfähig oder nicht willens, "der in jeden Lebensbereich eingreifenden Reglementierungswut des Staates Zügel anzulegen". Der Unterschied zu der "ungeheuren Aufbruchstimmung und dem sich mächtig entwickelnden Selbstbewußtsein in den Staaten Südostasiens könnte nicht größer sein", notiert der Diplomat.
Freilich, deren Häme gegenüber einem angeblich immer dekadenter werdenden Westen ist nur zum Teil berechtigt. Bei den vielgelobten "asiatischen Werten" handelt es sich nicht zuletzt um viktorianische Tugenden. Nicht nur dort liegt das Geheimnis der "atemberaubenden asiatischen Effienz", sondern auch in der Unterdrückung von Gewerkschaften und der Meinungsfreiheit, der Gängelung politischer Parteien. Während in den offenen Gesellschaften des Westens um soziale Fragen pluralistisch gerungen wird, erledigen die Konfuzianer im Osten solche Probleme mit einem Federstrich. Lee Kuan Yew, der Gründervater Singapurs, kann gefahrlos heute die kleine und morgen die große Familie (wenn die Mutter Akademikerin ist) propagieren. Niemand fragt nach riesigen ökologischen Schäden, die eine Folge der raschen wirtschaftlichen Entwicklung in Malaysia oder Indonesien sind. Und die westlichen Bewunderer Lee Kuan Yews (zu denen auch der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt gehört) vergessen gern, daß "König Harry" seine schärfsten Opponenten einfach ins Gefängnis gesteckt hat, ohne Gerichtsurteil und in einigen Fällen zwanzig Jahre lang.
Dufner hebt solche Schattenseiten des asiatischen Wirtschaftswunders nicht gerade ausgiebig hervor. Er weiß natürlich um sie, und sie bekümmern ihn, wie jeder bestätigen kann, der ihn als Botschafter an der Straße von Malakka erlebt hat. Einer seiner großen Wünsche hat sich inzwischen erfüllt: Die Zusammenarbeit zwischen Regierung in Bonn und deutscher Industrie macht Fortschritte, Botschafter werden immer mehr zu Wirtschaftsdiplomaten. Ob das "Asien-Konzept" der Auftakt ist für eine größere Rolle Deutschlands in den umkämpften Märkten Südostasiens, wo Japan und Amerika dominieren, muß sich freilich erst noch zeigen. ERHARD HAUBOLD
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