1957 war sie gar zur Opposition verurteilt. Erst seit 1966 stellt sie wieder Alleinregierungen.
Wie krisenhaft ihre Frühgeschichte nach dem fulminanten Anfangserfolg verlief, ist in 70 Dokumenten nachzulesen, die das Institut für Zeitgeschichte in dieser dritten Edition zur Geschichte der CSU veröffentlicht hat. Die in mühsamer Kleinarbeit zusammengetragenen, in ihrem Aussagewert unterschiedlichen Beschluss-, Ergebnis-, Verlaufs- und Wortprotokolle der Sitzungen der CSU-Führungsgremien, die teils aus Stenogrammen zu transkribieren waren, werden ergänzt durch Berichte aus der "CSU-Correspondenz". Im Anhang finden sich das Programm für die Landtagswahl 1954 und die Satzung von 1952 sowie fast 90 Kurzbiographien der Vorstandsmitglieder und Sitzungsteilnehmer.
Die Protokolle des geschäftsführenden Landesvorstands, der anfangs in der Rechtsanwaltskanzlei des Vorsitzenden Josef Müller tagte, und des Landesvorstands, an dessen Sitzungen verschiedentlich Vertreter der Landtagsfraktion und ab 1950 der CSU-Landesgruppe im Bundestag teilnahmen, offenbaren nicht nur die Konfliktlinien, Führungs- und Flügelkämpfe zwischen liberal-konservativen, christlich-interkonfessionellen, katholisch-konservativen, gemäßigt föderalistischen und partikularistischen Kräften, sondern auch die tiefen persönlichen Zerwürfnisse zwischen den Protagonisten Josef Müller, Fritz Schäffer, Alois Hundhammer und Martin Horlacher. Ende der vierziger Jahre lag der Parteiapparat am Boden, der Mitgliederschwund galoppierte, die Partei mutierte zur Honoratiorenpartei, die Parteifinanzen waren zerrüttet. Zentrifugal wirkte auch der Dualismus zwischen Partei und Fraktion. Die Quittung für diese in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Zwistigkeiten erhielt die Partei bei den Bundestags- beziehungsweise Landtagswahlen 1949 und 1950, die die 1948 lizenzierte Bayernpartei als wählbare Alternative zur drittstärksten Kraft machten.
Im Frühjahr 1949 löste Hans Ehard den glücklosen Vorsitzenden Josef Müller ab. Obwohl es ihm gelang, die Partei in ruhigeres Fahrwasser zu führen, gingen Impulse für ihre Entwicklung von ihm nicht aus, zumal er zwischen Juni 1949 und Juni 1950 weder den Landesvorstand noch zwischen April 1951 und Oktober 1952 den Landesausschuss einberief. 1952 bezeichnete Bundeskanzler Konrad Adenauer im CDU-Vorstand die Verhältnisse in der CSU und die Zusammenarbeit der auf ihre Probleme fixierten Schwesterpartei als schwierig. Abhilfe versprach er sich durch die Einladung des CSU-Generalsekretärs und späteren Landesgruppenvorsitzenden Franz Josef Strauß zu den Sitzungen des CDU-Vorstands. Zu einer vergleichbaren Maßnahme konnte sich die CSU nicht durchringen, weil sie sich vom Bundeskanzleramt nicht als "Kreisverband der CDU" disziplinieren lassen wollte. Nur einmal, am 2. Juli 1954, war CDU-Bundesgeschäftsführer Bruno Heck zu einem Bericht über die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu einer Vorstandssitzung geladen.
Selbst nach Gründung der Bundesrepublik bestimmten zunächst noch landespolitische Themen die Sitzungen: Finanzfragen, Ringen mit der Bayernpartei, Kandidatenaufstellungen, Skandale und nicht zuletzt das Verhältnis zur CDU. Erst mit der Verstärkung des Einflusses der CSU-Landesgruppe gewann die Bundespolitik an Gewicht. Ausführungen von Strauß zur Außenpolitik wurden allerdings auf seinen ausdrücklichen Wunsch nicht protokolliert. Der Schock des Regierungsverlustes 1954 setzte endgültig neue Kräfte frei; die Phase der Stagnation und Sklerose wurde überwunden. Es kam zu einem Elitenwechsel, der die verkrusteten Strukturen aufbrach und auch zur Neutralisierung des katholisch-konservativen Flügels führte. Verantwortlich dafür waren die Landtagsfraktion und die CSU-Landesgruppe unter ihrem aufstrebenden Vorsitzenden Strauß. Zum neuen Parteivorsitzenden wurde aber nicht er, sondern Hanns Seidel auf der Landesversammlung am 22. Januar 1955 mit 380 zu 329 Stimmen gewählt. Vorausgegangen war eine langwierige Diskussion über eine Kandidatur von Fritz Schäffer. Strauß' Argument, dass der Bundesfinanzminister als CSU-Repräsentant im Bonner Kabinett unverzichtbar sei und deshalb nicht gleichzeitig Parteivorsitzender in München sein könne, zählte 1961 bei seiner eigenen Wahl zum Vorsitzenden nicht mehr. Für den teils dramatischen Wandlungsprozess der CSU zur dominanten bayerischen Hegemonialpartei mit bundesweiter Wirkkraft bietet diese vorzüglich editierte Quellensammlung unverzichtbares Anschauungsmaterial.
GÜNTER BUCHSTAB
Jaromír Balcar/Thomas Schlemmer (Herausgeber): An der Spitze der CSU. Die Führungsgremien der Christlich-Sozialen Union 1946 bis 1955. Oldenbourg Verlag, München 2007. 679 S., 69,80 [Euro].
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