von der unerträglichen Leichtigkeit (und Endlichkeit) des Seins.
Katarina von Bredows Jugendbuch scheint diese Geschichte fast zu wiederholen, jedoch aus der Sicht des jungen Mädchens. Der Roman, angelegt als tagebuchartiger Brief, erzählt im Rückblick, wie sich die neunzehnjährige Elin heftig in einen gut zwanzig Jahre älteren Mann verliebt. Paul ist ihr Nachbar, der Vater ihrer besten Freundin. Bei einem Volkshochschulkurs mit dem Thema "Literarisches Schreiben" lernen sie sich kennen und entdecken Gemeinsamkeiten: die Liebe zur Literatur und den Wunsch, selbst zu schreiben. Doch dann packt Elin die Leidenschaft. Vorerst bleibt es bei einem halb braven Kuss des standhaften Familienvaters. Doch Elin will es wissen und zieht alle Register ihrer Verführungskunst. So gerät sie in die undankbare Rolle der Geliebten. Ein Rollenspiel beginnt gegenüber ihrer Freundin. Quälend sind die gemeinsamen Grillabende der befreundeten Familien. Elin muss sich nun verhalten, "als ob nichts wäre". Ihr Nervenkostüm wird dabei merklich dünner.
Katarina von Bredow zeigt die großen Gefühle des Mädchens in der Breitwandfassung. Da ist vom Stacheldraht im Bauch die Rede, da zittern die Hände und rieseln die Schauer, einmal kommt gar "das Blut im Unterleib zum Sieden" - die Autorin präsentiert die ganze Palette der Liebeswonnen und -leiden sensoround. Dabei gerät sie bedenklich in die Nähe einer Hollywood-Darstellung - professionell, spannend, aber auch sterotyp.
Das Ganze wäre gehobene Teenagerunterhaltung, gäbe es da nicht noch den Familienschauplatz, der ebenso viel Raum einnimmt wie Elins amouröses Drama. Von Bredow entwirft trotz der auch hier anzutreffenden Klischees familiäre Szenen, die den Hort der Familie als Tatort entlarven. Man erfährt von Schlägen, Lieblosigkeiten und Unterdrückungsritualen, aber auch von einem sehr zärtlichen Geschwisterverhältnis. Nach und nach wird deutlich, wie ähnlich die familiären Verhaltensmuster Elins Manövern sind. Der Roman wagt einen Blick durch die Jalousie der Einfamilienhausidylle und bekommt damit eine weitere Dimension. "Hoffentlich erfährt es niemand" steht in großen Lettern über allem.
Dazwischengestreut sind dichte, poetische Momente, die die Autorin bei der Detailzeichnung alltäglicher häuslicher Situationen findet: So zerfließt Butter während eines Gesprächs auf dem Toast, da überzieht langsam eine dünne Haut die Sauce des Familienmittagessens. Sonderbar berühren diese kleinen Impressionen und erinnern wieder an den erwähnten Film, der ähnlich kunstvoll und überraschend Alltagsbilder einbringt, wie zum Beispiel eine im Wind tanzende Plastiktüte.
CAROLINE ROEDER
Katarina von Bredow: "Als ob nichts wäre". Aus dem Schwedischen von Maike Dörries. Anrich Verlag, Weinheim 2000. 240 S., geb., 24,80 DM. Ab 14 J.
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