Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.1999Ferne
"Afrika solo" von Kevin Kertscher. Franz Deuticke Verlagsgesellschaft, Wien/München 1999. 332 Seiten, zahlreiche Farb- und Schwarzweißfotos. Gebunden, 39,80 Mark. ISBN 3-2163-0452.
Die besten Reisen sind womöglich die ohne Grund unternommenen. Seltsam genug, daß die meisten davon nach Afrika führen. Oder entsteht dieser Eindruck nur, weil jene, die nach Afrika reisen, es drängt, darüber zu berichten? Jedenfalls gibt es mittlerweile zahlreiche Bücher über Reisen durch Afrika: zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Motorrad, im Jeep, sogar mit dem Schiff. Seltsam auch, daß sich die besten von diesen Büchern lesen wie Romane. Man bangt mit dem Helden, zu dem sich der Erzähler in der Regel wie von selbst verwandelt - vor
allem, wenn er immer wieder Wert auf die Feststellung legt, gar kein Held zu sein. Afrika-Reisebücher haben oft auch etwas Prätentiöses: Es war gar nicht so schlimm, aber ich könnte euch Geschichten erzählen . . . In den besten Fällen mag man diese Bücher dann noch mehr. Schon nach den ersten Seiten gehört "Afrika solo" dazu. Wer gleich am Anfang über seine Zweifel am eigenen Mut schreibt, hat ihn: "Ich wünschte, daß noch ein paar Touristen in Reichweite wären." Doch es sind keine da. Afrika kann sehr einsam machen. Auffallend oft betont Kevin Kertscher in seiner Schilderung einer langen Reise durch den Schwarzen Kontinent - die ihn Ende der achtziger Jahre von Oran bis Nairobi führte -, daß er nicht reist, um etwas zu beweisen. Allenfalls sich selbst, daß er es geschafft hat. Doch dafür, daß er im Grunde kein Ziel hat, keine Zeit zu gewinnen, wird er doch immer wieder recht unleidlich, wenn einer seiner zahlreichen Pläne unterwegs nicht aufgeht. Richtig böse kann er sogar werden, wenn er sich von Afrika getäuscht fühlt. Das passiert nicht nur einmal. In Timbuktu etwa, das seit Jahrhunderten magisches Ziel fast aller ist, die Afrika verfallen sind, nur um sie schließlich durch die banale Abwesenheit aller Magie zu enttäuschen; in Timbuktu also ist er sehr schlecht gelaunt. Unter Travellern, wie die unerbittlichen Expeditionsfreizeitreisenden einander gerne nennen, würde man es wohl einen Afrika-Koller nennen: "Timbuktu war nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte." Das ist - mit wechselnder Ortsangabe - seit jeher ein entscheidender Satz unter Reisenden, zumal unter Afrika-Reisenden. Er führt direkt zu den Grundfragen des Unterwegssein: Warum das alles? Es ist der größte Vorzug dieses Buchs, daß es auf solche Fragen kommt, die Antworten darauf und damit sich selbst jedoch nicht wichtig nimmt. Dadurch wird es wichtig. Über der Lektüre beginnt man sich für den Autor zu interessieren, der zwar über seine Erlebnisse schreibt - so wahrhaftig, dabei auch komisch, manchmal tieftraurig -, wie man nur über das Reisen schreiben kann. Es macht Spaß, sich aus den kleinen Hinweisen, die er über den Text verstreut hat, ein eigenes Bild über ihn zusammenzusetzen. Am Ende würde man ihn womöglich gerne wirklich kennenlernen. Man hätte einander viel zu erzählen. Über Afrika und über das Reisen. (A.O.)
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