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Ägypten
Neue und alte Geheimnisse am Nil
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"Balsam für die Fantasie" von Jochen Vorfelder: N 27¡ 27. 747' E 28¡ 42. 817'
An der Karawanenstraße
Es muss ein fideler Heiligabend gewesen sein für den deutschen Afrika-Forscher Gerhard Rohlfs, jener 24. Dezember 1873 - sein Diener brachte ihm den Tischwein und als Überraschung das Geschenk seiner Frau Gemahlin: handgestrickte Hausschuhe. Die passten zwar nicht in die karge Wüste, doch Rohlfs war dennoch hoch erfreut. Just zum Weihnachtstag hatte seine Karawane auf dem Weg zum Großen Sandmeer und nach Libyen die Djara-Tropfsteinhöhle erreicht, die er als erster Weißer betrat.
Auch 128 Jahre später ist Djara an der alten Karawanenstraße von Assiut nach Bahariya im Westen Ägyptens noch immer eine Sensation: In einem Hügelfeld verbirgt sich in einer Felsspalte eine schmale Öffnung, hinter der sich eine teilweise zwölf Meter hohe und tennisplatzgroße Höhle öffnet. Tausende von Stalaktiten hängen an der Decke, am Boden befinden sich Stalagmiten - vom Flugsand umbrandet. In die Wände sind Zeichnungen geritzt.
Eine Nebenhöhle mit Feuerspuren, wie alt mögen sie sein? Wie kommt Tropfstein in diese wasserlose Einöde? Und was mochte Rohlfs gedacht haben?
Wir sind seit zwei Tagen auf seiner Fährte: Die Hand voll Oasen im Westen Ägyptens sind trotz asphaltierter Straßen und regelmäßigen Busverkehrs nach Kairo immer noch Entdeckerland. Dramatische Wüsten, menschenleere Winkel, überraschende Grabfunde wie im Tal der Mumien und Geschichten von Liebe und Entbehrung - das endlose Land westlich des Nil schlägt den Besucher mit einer Vielfalt von Eindrücken in den Bann, wenn, ja wenn er sich auf gelegentliche Strapazen einlässt.
Von Bahariya, einer der Oasen im westlichen Ägypten, waren wir mehr als 100 Kilometer Richtung Osten vorgedrungen, hatten die zwei Toyota-Geländewagen durch tiefe Wadis und auf hohe Plateaus geprügelt und waren dann an einem Gebirge aus Sanddünen gen Süden abgedreht, bevor wir die Djara-Höhle erreichten. "Abdel, wie findest du diese Höhle, wo alle Hügel hier gleich aussehen?" Abdel Kadr el-Badramany, Rektor der Grundschule von Bahariya und unser Führer durch die Wüste, lacht und zieht an seiner Zigarette. "Einfach den Spuren nach, auch wenn du keine siehst. Kann jeder von uns Badramanys. Frag Magdi, Wüste liegt uns im Blut." Auch Magdi Badri el-Badramany, unser zweiter Fahrer, navigiert völlig entspannt durch das raue Niemandsland, vor allem, weil bei dieser Exkursion außer zwei zahlenden Fahrgästen viele Freunde aus der Oase mit an Bord sind: Abdel, der Onkel, Achmed, Abdullah und Peter Wirth, der Deutsche, der mit seiner japanischen Frau Miharu in Bahariya ein Hotel betreibt.
Abends am Lagerfeuer, als ich mein GPS-Gerät auspacke und mir von den Satelliten am Sternenhimmel die Koordinaten unseres Camps berechnen lasse, kommt das Thema noch einmal auf. "Manchmal glaube ich, dass die Beduinen den richtigen Weg riechen wie Kamele das Wasser", sinniert Wirth abschließend aus seinem Schlafsack.
Mir kommt dazu eine Passage aus den "Sieben Säulen der Weisheit" von T.E. Lawrence in den Sinn: "Meine Führer witterten gleich Hunden in der Luft, führten mich von einem verfallenen Raum in den anderen und erklärten: âDas hier ist Jasmin, das Veilchen, das Rose.' Aber zuletzt zog mich Dahoum mit sich: âKomm und rieche den schönsten Duft von allen.' Wir gingen in den Hauptraum, traten an die gähnenden Fensterhöhlen und tranken dort mit offenem Mund den leichten, reinen, unbeschwerten Wüstenwind, der uns umfächerte. Das ist der beste, sagten sie zu mir: ,Er hat keinerlei Geschmack.'"
Was gibt es Schöneres, als in fast schmerzhafter Stille unter dem Sternenhimmel im Sand zu liegen? Die Reinheit und Leere der Wüste - wer sich auf sie einlassen kann, wird mit einer meditativen Reise durch eine einzigartige Landschaft belohnt. Vor rund 70 Millionen Jahren lag diese trockenste Zone der Erde noch auf dem Boden eines Urmeeres. Doch seither haben Wind und Sand aus dem abgelagerten Sediment- und Kalkgestein verschiedenste Formationen und Gegenden geschaffen - wie die Schwarze Wüste, wo Kegel- und Pyramidenformen dominieren, changierende Brauntöne, der allgegenwärtige Schiefer und anderes schwarzes Gestein. In der Weißen Wüste dagegen gibt es nur Sand und weißen Kalkstein. Doch wer denkt, das sei langweilig, täuscht sich gewaltig - die genial einfache Mischung lässt der Fantasie viel Raum. N 27¡ 15. 763' E 28¡ 11. 708'
Camp in der Weißen Wüste
Wenige Tage nach dem Trip zur Djara-Höhle sind wir mit Magdi und Samy, einem der jüngeren Brüder aus dem Badramany-Klan, wieder unterwegs. Es wird Abend, die Hitze des Tages lässt nach. Während Magdi und Samy das Lager aufschlagen, wandern Andreas, der Fotograf, und ich in der Weißen Wüste umher. Die Kalkstein-Skulpturen liegen unter sanftem Licht und werfen lange Schatten.
Das kurze Intermezzo zwischen Sonnenuntergang und Dunkelheit ist die Mußestunde der Wüste; jetzt zeigt sie sich von ihrer milden Seite. Alle Lebewesen, die sich unter Tage vor der unbarmherzigen Sonne versteckt hatten, erwachen zum Leben. Käfer, schwarz und groß wie ein Fünf-Mark-Stück, wagen sich aus der Deckung. Ein paar Wüstensteinschmätzer, die an den wenigen Wasserstellen leben, schwirren herum.
Mein Blick fällt immer wieder auf die Erde, die Wüste liegt mir in Form von Souvenirs zu Füßen - Scherben römischer Amphoren, Bruchstücke von Straußeneiern und fossile Muscheln.
Die Gedanken schweifen zurück, zur Abfahrt. Der schnelle Abschied von Bahariya, wo wir den Wüstentrip ohne Probleme innerhalb eines halben Tages organisiert hatten, kam uns zupass. Der Unterhaltungswert der Wüsten-Enklave tendiert nach einem Tag intensiver Erkundung gegen null; abendlicher Höhepunkt sind der Spaziergang vom Hotel zur Hauptstraße und die warme Pepsi vor dem Kaffeehaus, während auf der Straße das Leben tobt: Bauern treiben ihre Esel durchs Dorf, vor dem Bäckerladen werden Brotfladen kunstvoll gestapelt. Die Wasserpfeifen blubbern; der Geruch von süßem Apfeltabak signalisiert: Der Tag ist gelaufen, aber morgen geht's wieder weiter - wie seit tausend Jahren.
Nicht ganz so altvordern wie die lokalen Sitten, aber doch auch von bemerkenswerter Verweildauer sind die Toyotas, mit denen Magdi und seine Kollegen die Touristen durch die Wüste fahren. Mehrfach umgebaute und zerbeulte Allrad-Veteranen aus den siebziger Jahren sind keine Seltenheit, neumodischer Schnickschnack wie Scheibenwischer, Klimaanlagen und elektrische Fensterheber zwar bekannt, aber unerwünscht. Was es nicht gibt, kann auch nicht kaputtgehen. ...
An der Karawanenstraße
Es muss ein fideler Heiligabend gewesen sein für den deutschen Afrika-Forscher Gerhard Rohlfs, jener 24. Dezember 1873 - sein Diener brachte ihm den Tischwein und als Überraschung das Geschenk seiner Frau Gemahlin: handgestrickte Hausschuhe. Die passten zwar nicht in die karge Wüste, doch Rohlfs war dennoch hoch erfreut. Just zum Weihnachtstag hatte seine Karawane auf dem Weg zum Großen Sandmeer und nach Libyen die Djara-Tropfsteinhöhle erreicht, die er als erster Weißer betrat.
Auch 128 Jahre später ist Djara an der alten Karawanenstraße von Assiut nach Bahariya im Westen Ägyptens noch immer eine Sensation: In einem Hügelfeld verbirgt sich in einer Felsspalte eine schmale Öffnung, hinter der sich eine teilweise zwölf Meter hohe und tennisplatzgroße Höhle öffnet. Tausende von Stalaktiten hängen an der Decke, am Boden befinden sich Stalagmiten - vom Flugsand umbrandet. In die Wände sind Zeichnungen geritzt.
Eine Nebenhöhle mit Feuerspuren, wie alt mögen sie sein? Wie kommt Tropfstein in diese wasserlose Einöde? Und was mochte Rohlfs gedacht haben?
Wir sind seit zwei Tagen auf seiner Fährte: Die Hand voll Oasen im Westen Ägyptens sind trotz asphaltierter Straßen und regelmäßigen Busverkehrs nach Kairo immer noch Entdeckerland. Dramatische Wüsten, menschenleere Winkel, überraschende Grabfunde wie im Tal der Mumien und Geschichten von Liebe und Entbehrung - das endlose Land westlich des Nil schlägt den Besucher mit einer Vielfalt von Eindrücken in den Bann, wenn, ja wenn er sich auf gelegentliche Strapazen einlässt.
Von Bahariya, einer der Oasen im westlichen Ägypten, waren wir mehr als 100 Kilometer Richtung Osten vorgedrungen, hatten die zwei Toyota-Geländewagen durch tiefe Wadis und auf hohe Plateaus geprügelt und waren dann an einem Gebirge aus Sanddünen gen Süden abgedreht, bevor wir die Djara-Höhle erreichten. "Abdel, wie findest du diese Höhle, wo alle Hügel hier gleich aussehen?" Abdel Kadr el-Badramany, Rektor der Grundschule von Bahariya und unser Führer durch die Wüste, lacht und zieht an seiner Zigarette. "Einfach den Spuren nach, auch wenn du keine siehst. Kann jeder von uns Badramanys. Frag Magdi, Wüste liegt uns im Blut." Auch Magdi Badri el-Badramany, unser zweiter Fahrer, navigiert völlig entspannt durch das raue Niemandsland, vor allem, weil bei dieser Exkursion außer zwei zahlenden Fahrgästen viele Freunde aus der Oase mit an Bord sind: Abdel, der Onkel, Achmed, Abdullah und Peter Wirth, der Deutsche, der mit seiner japanischen Frau Miharu in Bahariya ein Hotel betreibt.
Abends am Lagerfeuer, als ich mein GPS-Gerät auspacke und mir von den Satelliten am Sternenhimmel die Koordinaten unseres Camps berechnen lasse, kommt das Thema noch einmal auf. "Manchmal glaube ich, dass die Beduinen den richtigen Weg riechen wie Kamele das Wasser", sinniert Wirth abschließend aus seinem Schlafsack.
Mir kommt dazu eine Passage aus den "Sieben Säulen der Weisheit" von T.E. Lawrence in den Sinn: "Meine Führer witterten gleich Hunden in der Luft, führten mich von einem verfallenen Raum in den anderen und erklärten: âDas hier ist Jasmin, das Veilchen, das Rose.' Aber zuletzt zog mich Dahoum mit sich: âKomm und rieche den schönsten Duft von allen.' Wir gingen in den Hauptraum, traten an die gähnenden Fensterhöhlen und tranken dort mit offenem Mund den leichten, reinen, unbeschwerten Wüstenwind, der uns umfächerte. Das ist der beste, sagten sie zu mir: ,Er hat keinerlei Geschmack.'"
Was gibt es Schöneres, als in fast schmerzhafter Stille unter dem Sternenhimmel im Sand zu liegen? Die Reinheit und Leere der Wüste - wer sich auf sie einlassen kann, wird mit einer meditativen Reise durch eine einzigartige Landschaft belohnt. Vor rund 70 Millionen Jahren lag diese trockenste Zone der Erde noch auf dem Boden eines Urmeeres. Doch seither haben Wind und Sand aus dem abgelagerten Sediment- und Kalkgestein verschiedenste Formationen und Gegenden geschaffen - wie die Schwarze Wüste, wo Kegel- und Pyramidenformen dominieren, changierende Brauntöne, der allgegenwärtige Schiefer und anderes schwarzes Gestein. In der Weißen Wüste dagegen gibt es nur Sand und weißen Kalkstein. Doch wer denkt, das sei langweilig, täuscht sich gewaltig - die genial einfache Mischung lässt der Fantasie viel Raum. N 27¡ 15. 763' E 28¡ 11. 708'
Camp in der Weißen Wüste
Wenige Tage nach dem Trip zur Djara-Höhle sind wir mit Magdi und Samy, einem der jüngeren Brüder aus dem Badramany-Klan, wieder unterwegs. Es wird Abend, die Hitze des Tages lässt nach. Während Magdi und Samy das Lager aufschlagen, wandern Andreas, der Fotograf, und ich in der Weißen Wüste umher. Die Kalkstein-Skulpturen liegen unter sanftem Licht und werfen lange Schatten.
Das kurze Intermezzo zwischen Sonnenuntergang und Dunkelheit ist die Mußestunde der Wüste; jetzt zeigt sie sich von ihrer milden Seite. Alle Lebewesen, die sich unter Tage vor der unbarmherzigen Sonne versteckt hatten, erwachen zum Leben. Käfer, schwarz und groß wie ein Fünf-Mark-Stück, wagen sich aus der Deckung. Ein paar Wüstensteinschmätzer, die an den wenigen Wasserstellen leben, schwirren herum.
Mein Blick fällt immer wieder auf die Erde, die Wüste liegt mir in Form von Souvenirs zu Füßen - Scherben römischer Amphoren, Bruchstücke von Straußeneiern und fossile Muscheln.
Die Gedanken schweifen zurück, zur Abfahrt. Der schnelle Abschied von Bahariya, wo wir den Wüstentrip ohne Probleme innerhalb eines halben Tages organisiert hatten, kam uns zupass. Der Unterhaltungswert der Wüsten-Enklave tendiert nach einem Tag intensiver Erkundung gegen null; abendlicher Höhepunkt sind der Spaziergang vom Hotel zur Hauptstraße und die warme Pepsi vor dem Kaffeehaus, während auf der Straße das Leben tobt: Bauern treiben ihre Esel durchs Dorf, vor dem Bäckerladen werden Brotfladen kunstvoll gestapelt. Die Wasserpfeifen blubbern; der Geruch von süßem Apfeltabak signalisiert: Der Tag ist gelaufen, aber morgen geht's wieder weiter - wie seit tausend Jahren.
Nicht ganz so altvordern wie die lokalen Sitten, aber doch auch von bemerkenswerter Verweildauer sind die Toyotas, mit denen Magdi und seine Kollegen die Touristen durch die Wüste fahren. Mehrfach umgebaute und zerbeulte Allrad-Veteranen aus den siebziger Jahren sind keine Seltenheit, neumodischer Schnickschnack wie Scheibenwischer, Klimaanlagen und elektrische Fensterheber zwar bekannt, aber unerwünscht. Was es nicht gibt, kann auch nicht kaputtgehen. ...