Die Situation in Afghanistan bildet den Rahmen um die eigentliche Geschichte. In der geht es um die psychologisch gut herausgearbeitete Hauptfigur. Johannes Clasen kehrt schwer verletzt und mit einer Amnesie aus Afghanistan zurück. Bei seinem letzten Einsatz soll er zwei Kinder getötet haben. Obwohl
das eingeleitete Untersuchungsverfahren zu dem Schluss kommt, dass man ihm nichts anlasten kann,…mehrDie Situation in Afghanistan bildet den Rahmen um die eigentliche Geschichte. In der geht es um die psychologisch gut herausgearbeitete Hauptfigur. Johannes Clasen kehrt schwer verletzt und mit einer Amnesie aus Afghanistan zurück. Bei seinem letzten Einsatz soll er zwei Kinder getötet haben. Obwohl das eingeleitete Untersuchungsverfahren zu dem Schluss kommt, dass man ihm nichts anlasten kann, belastet ihn die Situation schwer. Im Rahmen einer Türkeireise hofft er, seinen inneren Frieden wiederzufinden. Dort angekommen fühlt er sich jedoch verfolgt und bald darauf wird er tatsächlich angegriffen. Gleich mehrere Killer versuchen ihn zu töten. Ihre Motivation liegt offenbar in den Vorkommnissen in Afghanistan begründet.
Präsentiert wird die Geschichte aus verschiedenen Zeitebenen und Perspektiven. Da ist einmal Clasen. Aus seiner Sicht wird aus dem aktuellen Geschehen heraus und aus seiner Zeit in Afghanistan beziehungsweise aus der Zeit in Deutschland vor und nach seinem letzten Aufenthalt dort erzählt. Da sind aber auch ein afghanischer Warlord, seine Untergebenen und dessen Widersacher, die für andere Blickwinkel sorgen. Der Autor springt von einer Perspektive zur anderen und wieder zurück, ohne anfangs beim Erzählen der einen zu viel im Bezug auf die anderen zu verraten.
Die Schilderung des Soldatenlebens klingt ebenso glaubwürdig wie das von Clasen erlittene Trauma. Das stetige Grübeln, die angeschnittenen Beziehungsprobleme, das sich verraten fühlen, das sich verlassen fühlen bis hin zur Frage, ob der Einsatz in Afghanistan überhaupt Sinn macht - all das offenbart die innere Zerrissenheit der Hauptfigur. Gleichzeitig gelingt es dem Autor durch die aus der Sicht der afghanischen Charaktere geschilderten Passagen zu zeigen, dass Denkweisen aufeinandertreffen, die gegensätzlicher nicht sein können. Er umreißt die verworrene politisch-ökonomische Konstellation in Afghanistan, wo alte Stammesstrukturen, Korruption und Drogengeschäfte mit dafür sorgen, dass eine Stabilisierung, Normalisierung und Frieden nahezu unmöglich zu sein scheint. Gleichzeitig wird klar, dass eine schlichte Einteilung in Gut und Böse nicht einfach so funktioniert.
Neumann berichtet glaubwürdig von den Soldaten, die sich faktisch bereits im Krieg befanden, als Politiker hierzulande das Wort noch nicht einmal auszusprechen wagten und die Bevölkerung für dumm verkauften. Doch Neumann lässt auch durchblicken, dass den Soldaten der Sinn ihres Einsatzes fragwürdig vorkommt, dass sie über politische Fallstricke zu stolpern drohen und zur Wahrung des öffentlichen Bildes von Politikern und Vorgesetzten verraten werden. Dazu tragen auch die unterschiedlichen Aufträge und Befugnisse der verbündeten Truppen bei.
Sukzessive webt Neumann den Handlungsablauf aus verschiedenen Handlungsebenen zusammen. Durch die Vorgeschichte wie auch durch die sich anbahnende Bedrohungssituation mit Beschattung und den Mordanschlägen auf Clasen erzeugt er eine dramatische Spannung, wirft Fragen auf, findet interessante Antworten. Man kann das Buch kaum aus der Hand legen.
Doch obwohl der Autor von Anfang bis Ende gekonnt ein Wort ans andere reiht, beginnt die Geschichte sich etwa ab der Hälfte des Buches leicht zu ziehen. Nicht nur, weil er etwas zu ausführlich auf das Segeln eingeht, auch weil sich durch die Perspektivwechsel jetzt doch die eine oder andere Vorhersehbarkeit abzeichnet. Ein weiteres Manko ist, dass sich Neumann etwas zu sehr diverser Klischees bedient. Die Auflösung der Probleme in der Türkei wirkt am Ende des Romans letztlich zu glattgebügelt, um wirklich rundum zu überzeugen.
Kein Buch zum nebenher lesen. Neumanns Roman bewegt sich etwas abseits üblicher Thriller-Ideen. Lesenswert ist er allemal. Trotz kleinerer Schwächen habe ich mich gut und informativ unterhalten gefühlt. Zum Nachdenken regt er auch an, weshalb ich vier von fünf Punkten vergeben möchte.
2013 Antje Jürgens (AJ)