Produktdetails
  • Verlag: Atelier im Bauernhaus
  • Seitenzahl: 176
  • Erscheinungstermin: 21. Juni 2012
  • Deutsch
  • Abmessung: 245mm x 245mm
  • Gewicht: 1178g
  • ISBN-13: 9783881323444
  • ISBN-10: 3881323449
  • Artikelnr.: 35579745
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.08.2012

Odysseus beim
Bierbichler
Auf dem Titelbild spritzen bekannte Namen über die Wellen, aber sie fallen kaum auf, so klein sind sie, so unbedeutend – wie Gischt. Josef Bierbichler, Herbert Achternbusch, Tilman Spengler, Friedrich Ani, viele andere noch. Sie besingen den See, sie besingen die Bilder des Fotografen Edwin Kunz. Dieser Starnberger See hat eine hohe Anziehungskraft. Philosophen gehen hier spazieren, Loriot lebte hier, Dichter lassen sich nieder, auch Gutverdiener. Aber mit Menschen gibt sich Kunz in seinem Bildband kaum ab, nur mit ihm: dem See.
  Liegt nicht gerade Nebel über ihm, ist immer ein Ufer in der Nähe, und im Süden sind es die Berge. In seinem schmalen Bett bleibt der See groß genug: für Dampfer, für Künstler, für Phantasien, das heißt für Heimatgefühle. Albert Ostermaier spürte sie, als er in den „wellen am dampfersteg die füße im kalten wasser“ schließlich „wie ulyss der nach den qualen schlafend die heimat fand“. Der Starnberger See ist ein Ort der Zuflucht. Dichter scheint er zu inspirieren. Kunz hatte es bestimmt nicht schwer, ihnen die Verse abzujagen für sein Projekt.
  Ani schreibt unter dem Titel „Bier beim Bierbichler“ Apokalyptisches. Mit Bierbichler ist die Gastwirtschaft des Schauspielers Josef Bierbichler gemeint, er ist See-Anrainer, aber was heißt das schon? Der Bierbichler steht auf dem Steg in einem seiner Beiträge, schaut junge Frauen an und zerfließt in Selbstmitleid, ehe ihm Brechts Lied in den Sinn kommt, „das die verlorene Heimat besingt, aber die Einsicht in den bevorstehenden Tod meint“. Der Tod, das Sterben und Trauer kommen in vielen Texten vor. Kann es Zufall sein, dass Ludwig II. hier starb?
  Auf Edwin Kunz’ Bildern wirkt der Starnberger See nicht ganz so morbide, aber auch nicht gerade wie eine Vergnügungsanlage. Wer in ihm badet und auf ihm segelt, erlebt den See heiter. Doch wer ihn betrachtet und ihm zuschaut im Wechsel der Jahreszeiten, der entdeckt seine unheimliche Tiefe: Der Starnberger See macht melancholisch.
RUDOLF NEUMAIER
  
Edwin Kunz: Starnberger Seeflimmern. Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude 2012. 176 Seiten, 39,90 Euro.
FOTO: ABBILDUNG AUS DEM BESPROCHENEN BAND
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