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Auf einer exotischen Insel lebt die achtzehnjährige Alice, Ergebnis einer Affäre ihres Vaters Jacobus mit einer Zirkusreiterin. Die Stadt straft den Händler, indem sie sein Kind ächtet, es kann nicht aus dem Haus. Ein Kapitän, dessen Schiff im Hafen festliegt, wird in das Haus eingeladen, er fühlt sich angezogen.

Produktbeschreibung
Auf einer exotischen Insel lebt die achtzehnjährige Alice, Ergebnis einer Affäre ihres Vaters Jacobus mit einer Zirkusreiterin. Die Stadt straft den Händler, indem sie sein Kind ächtet, es kann nicht aus dem Haus. Ein Kapitän, dessen Schiff im Hafen festliegt, wird in das Haus eingeladen, er fühlt sich angezogen.
Autorenporträt
Joseph Conrad, geb. 1857 in der Ukraine, war Sohn polnischer Landadliger. Ab dem siebzehnten Lebensjahr fuhr er für französische und englische Handelsgesellschaften zur See, Erwerb des Kapitänspatents zwölf Jahre später, 1884 Annahme der englischen Staatsbürgerschaft. Zahlreiche Roman-Veröffentlichungen. Der Autor verstarb 1924 in England.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2004

Kartoffeln statt Liebe
Trieb und Geld: Joseph Conrads grandiose Seefahrererzählung

Es ist ein schöner Einfall des Suhrkamp Verlags, die Erzählung "Ein Lächeln des Glücks" von Joseph Conrad in einer Einzelausgabe zu publizieren - auch wenn wir sie lieber in einer neuen Übersetzung gelesen hätten und nicht mehr in der alten, wenig inspirierten von Ernst Wagner. Dafür enthält der Band ein kundiges Nachwort von Brigitte Kronauer, und das versöhnt uns sowieso.

"Ein Lächeln des Glücks" ist ein Meisterstück, auch wenn es längst und fast sofort nach seinem Erscheinen 1912 im Orkus des Vergessens verschwunden ist. Daran war Conrad selbst nicht ganz unschuldig. Er verkoppelte sein Glanzstück mit zwei anderen Erzählungen, statt es allein leuchten zu lassen. Auf deutsch hieß der Band dann "Zwischen Land und See" und wurde auch bei uns nie so recht gelesen.

"A Smile of Fortune" - wieso klingt der deutsche Titel kitschiger als der englische? - ist die fabulöse Erzähldemonstration eines, nun ja, Profis auf der Höhe seines Könnens und eine von den Göttern des Unbewußten diktierte Geschichte, die mit fataler Notwendigkeit auf ihr Ende zuläuft. Sie ist eine Ich-Erzählung, und Joseph Conrad nutzt die Vorteile des Erzählens aus der Ich-Perspektive souverän. Sein Held begreift das, was ihm zustößt, immer als letzter - wenn überhaupt -, und dies, obwohl er, anders als wir Leser, den Ausgang seines Abenteuers kennt.

Dieser namenlose Held ist der junge Kapitän eines Handelsschiffs, der seine erste eigenverantwortliche Fahrt macht und im Hafen einer Insel der Südsee anlegt, die ihm zuerst wie eine "Perle des Ozeans" und am Ende wie ein tödlicher Magnetberg vorkommt, an den gefesselt zu bleiben er gerade noch vermeiden kann. Er ist noch gar nicht recht angekommen, als das Schicksal beziehungsweise ein cleverer Handelsmann namens Jacobus auch schon seine Netze über ihn wirft. Herr Jacobus handelt mit allem und jedem, und er wird dem arglosen Käpt'n, der eigentlich nur auf Zucker aus ist, auch das andrehen, was dieser nicht sonderlich braucht. Trockenproviant, Frischproviant, Öle, Farbe, Tauwerk. Vor allem aber eine Ladung Kartoffeln, die so offenkundig das sind, was nun wirklich gar niemand kaufen will, daß das sogar dem Kapitän klar ist.

Herr Jacobus hat aber auch eine Tochter. Er hält sie - demonstrativ sozusagen - von allen anderen Menschen fern, von allen Männern vor allem, so daß sie wie eine Art erster Mensch in einem Garten lebt, der für sie keinen Ausgang und nur für den Vater einen Eingang hat. Und für den Kapitän bald, den zukünftigen Kartoffelkäufer. Keine Regel ohne Ausnahme. Also steht dieser jäh vor der Schönen, die nicht schön ist, sondern aussieht, "als ob sie bei einem Feuerausbruch in wilder Hast gerade aus dem Bett gesprungen wäre". Sie ist ruppig, abweisend und läßt eine Sinnlichkeit ahnen, die, wenn sie ausbricht, die ganze Welt oder mindestens den Kapitän versengen wird. Sie ist so etwas wie die Frau, eine Eva unmittelbar nach ihrer Schöpfung, die drauf und dran ist, ihren Adam zu erkennen. Kaum noch zu bändigender Trieb.

Nur der Kapitän, eine britische Jungfrau, ist sich dessen nicht bewußt - auch seines eigenen Loderns nicht - und wirbt blind sehend um sie, bis drei Sekunden vor zwölf. Küsse, und ein Pantoffel ist auch schon ab. Dann wird die ganze Triebmaschinerie gestoppt vom souveränen Autor, vom erschrockenen Kapitän und von Herrn Jacobus, der dem Beinah-Akt aus dem Schatten der Gartengebüsche zugesehen hat und nun, ohne ein weiteres Wort über das Gesehene zu verlieren, endlich seine Tonne Kartoffeln verkaufen kann.

Eine Geschichte über die Macht der Triebe. Die Leidenschaft. Und eine, die davon handelt, daß alles, aber auch wirklich alles, was wir Menschen tun, vom Geld bestimmt ist. So ist, von allem Anfang an, jeder Satz Conrads mit den Stürmen des Herzens und den Gesetzen des Handels verbunden. Ein flirrendes Paradox in allem, was gesagt und gehandelt wird. So daß wir am Schluß, nun doch bestürzt, nicht einmal mehr wissen, ob nicht sogar der Kartoffelhandel von allem Anfang an ein Teamwork zwischen Tochter und Vater war. Vielleicht ist der junge Kapitän gar nicht der erste, der in den Garten durfte, sondern einer in einer langen Reihe von Gelackmeierten, die alle, um sich die Finger nicht noch mehr zu verbrennen, es vorzogen, jenes Riesenfuder Kartoffeln zu kaufen.

An dieser Erzählung, die sich eine ganze Weile lang recht harmlos gibt, sind drei Dinge meisterhaft. Erstens die Erfindung der Trieb-Story, dieses Urzeiten-Mädchens, das seiner Erweckung harrt. Zweitens der virtuose Witz, mit dem Conrad Herz und Geld verknüpft. Und drittens, daß diese Geschichte, in der alle Wege immer deutlicher auf eine Katastrophe hinzuführen scheinen, gut endet.

Denn der Kapitän wird seine im Bauch des Schiffs vor sich hin faulenden Ladenhüterkartoffeln mit Gewinn los. In jedem Hafen, den er anläuft, fehlen just Kartoffeln! Was als harmlose Südsee-Story begann, sich in ein Leidenschaftsdrama zu verändern schien, endet als Märchen. Dennoch zahlt der Kapitän seinen Preis. Er mustert nämlich ab und wird nie mehr ein Schiff befehligen. Er wird nie mehr zu jener Insel fahren. Er will die Bedrohung seiner Triebe nicht noch einmal erleben und zieht es vor, nach England zurückzufahren, wo es keine Triebe gibt.

Es kommt dazu, daß Joseph Conrad, der doch immer aus dem Herzen unnennbarer Gefühle heraus schreibt, auch in dieser Erzählung (wie anderswo auch) verblüffend nah an seinem eigenen Leben ist. Der Kapitän ist ein Alter ego, jünger nur, vierundzwanzig Jahre jünger. Auch der wirkliche Conrad hatte 1888 ein erstes und einziges Kommando als Kapitän und fuhr mit der "Otago" Mauritius an, jene "Perle der Südsee". Dort, in Port Louis, hielt er um die Hand einer jungen Dame an, Eugénie Renouf, die diese aber bereits einem anderen versprochen hatte. Conrad steuerte sein Schiff nach Australien zurück und legte im Hafen von Adelaide das Kommando nieder. Er wollte nie mehr nach Port Louis, nie mehr; und er war nie mehr der Kapitän eines Schiffs, wenn wir von jenem seltsamen Kommando absehen, bei dem er ein Jahr später auf der "Roi des Belges" den Kongo hinauf- und hinunterfuhr, mit einem todkranken Mann an Bord, der Klein hieß, nicht Kurtz, und bald der geheimnisvolle Held von "Herz der Finsternis" wurde.

Joseph Conrad: "Ein Lächeln des Glücks". Hafengeschichte. Aus dem Englischen übersetzt von Ernst Wagner. Mit einem Nachwort von Brigitte Kronauer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 124 S., geb., 11,80 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Schade, findet Rezensent Urs Widmer, dass diese "meisterhafte" Erzählung nie wirklich Beachtung gefunden hat, denn die Geschichte um einen jungen Kapitän, der auf eine Südseeinsel reist, dort der jungen, wilden, eva-gleichen Tochter des Händlers verfällt, und schließlich dem Händler eine unnötige Ladung Kartoffeln abkauft, um endlich abreisen zu können, ist gleich dreifach bemerkenswert: durch die Erfindung der triebhaften Mädchengestalt, die auf "Erweckung" wartet, durch den "virtuosen Witz", mit dem Joseph Conrad "Herz und Geld" verknüpft, und durch das Happy-End einer Geschichte, die auf eine Katastrophale hinzusteuern scheint, denn das Unvorstellbare wird wahr: Überall, wo der junge Kapitän hingelangt, herrscht ein Mangel an Kartoffeln, und so entkommt er dem Ruin. Und wenn der deutsche Titel auch kitschig klingt, so der begeisterte Rezensent, hier haben wir es mit der "fabulösen Erzähldemonstration eines (…) Profis auf der Höhe seines Könnens" zu tun.

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