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It narrates the adventures and misfortunes of a family of the Dominican Republic forced to emigrate to United States due to the terrible dictatorship of Leónidas Trujillo.

Produktbeschreibung
It narrates the adventures and misfortunes of a family of the Dominican Republic forced to emigrate to United States due to the terrible dictatorship of Leónidas Trujillo.
Autorenporträt
Junot Díaz wurde 1968 in der Dominikanischen Republik geboren und kam als Kind in die Vereinigten Staaten. Er lebt in New York.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.08.2009

Schönes, fettes Fleisch in engen, schwarzen Satinhosen
In seinem wunderbaren Roman „Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao” entfaltet Junot Díaz die Magie der rotzigen Beiläufigkeit
Zack, Zack, Zack und Hieb auf Hieb, so beginnt dieser Roman, dieses rasende, reiche, wunderbare Buch, in das der Leser hineingestoßen wird, so wie Oscar in diese Welt gestoßen wurde, die eine Wunde ist, und er wird sein Leben lang versuchen zu verstehen: Warum ich? Und warum tut diese Wunde so verdammt weh?
Klick, Klick, Klick, so reihen sich die Worte aneinander, die so laut klingen, weil sie von Unglück und Schmerzen begleitet sind: „Schreien” und „Sklaven” und „Afrika” schon in der ersten Zeile, „Dämon”, „Schöpfung”, „Opfer” und „Tod”, so geht es weiter – und wie sich hier fremde, erfundene Erinnerung als eigene eröffnet und entschlüsselt, ist so aufregend, als würde man Gott dabei zusehen, wie er den Regenbogen höchst persönlich an den Horizont pinselt.
In diesem Stil und mit dieser Geschwindigkeit hetzt Junot Díaz durch die Welt, die er geschaffen hat, weil er selbst in sie hineingestoßen wurde, verdammt, fukú eben. „Wie man es auch nennt oder woher es auch kommt, die Ankunft der Europäer auf Hispaniola soll das fukú auf die Welt losgelassen haben, und seitdem sitzen wir in der Scheiße. Santo Domingo mag der Nullmeridian des fukú sein, sein Portal, aber wir alle sind seine Kinder, ob wir es wissen oder nicht.”
Fukú, der Fluch, der böse Zauber, der in „Domos” wohnt, wie die Dominikanische Republik hier heißt, oder einfach „DR”, dieses geschlagene, gepeinigte Land, wo der Diktator Trujillo wütete und die Menschen in die USA flohen, wo es ihnen wirtschaftlich besser ging, aber den fukú, den wurden sie auch dort nicht los. Vielleicht, das ist die Hoffnung, das ist das Projekt von Junot Díaz, vielleicht hilft ja die Literatur als eine Art Gegenzauber – und so macht er sich als poetischer Anpeitscher und mit unglaublichem Tempo daran, diese Geschichte zu erzählen, die drei Generationen umfasst und soviel Sex wie Sehnsucht und die von allen Seiten gleichzeitig in das Buch hineindrängt, obwohl sie durch Zeiten und Meere getrennt ist, aber das ist wohl der fukú, der nicht verschwinden will, der Fluch, der die Vergangenheit nicht vergehen lässt.
Junot Díaz selbst wurde 2007, als das Buch in den USA erschien, wie ein Prosa-Heilsbringer gefeiert, elf Jahre hatten die, die seinen Kurzgeschichtenband „Abtauchen” gelesen und geliebt hatten, auf diesen Roman gewartet, und als es dann noch den Pulitzer-Preis gab, da war die amerikanische Literatur tatsächlich um einen Ton, einen Slang, eine Immigranten-Stimme reicher.
„Hör zu, palombo”, so sagt es Oscars Onkel Rudolfo: „Du musst dir einfach eine muchacha greifen, y metéselo. Dann ist alles klar. Fang mit einer fea an. Schnapp dir eine Hässliche, eine fea, y metéselo! Tío Rudolfo hatte vier Kinder von drei verschiedenen Frauen, damit war der Nigger ohne Frage der Familienexperte in Sachen metéselo.” Um Sex geht es also, beim fukú und auch sonst in diesem Leben in DR, um metéselo, ums Flachlegen, und ob eine Frau nun eine cuero ist oder doch keine Hure, sondern nur eine blind Liebende, ja das kann man nicht immer so leicht auseinanderhalten, dort, wo Körper voller Verehrung, aber auch voller Verachtung betrachtet werden. „Auf eine Sache kann man sich in Santo Domingo verlassen. Nicht auf elektrisches Licht, nicht auf das Gesetz. Auf Sex. Der bleibt immer.”
Was natürlich schwierig ist für einen dicken Jungen wie Oscar, dessen Leben eine lange Reihe von falschen Entscheidungen ist, was damit beginnt, dass er Olga, die ihn so liebte, wohl besser nicht für Maritza hätte verlassen sollen, die ihn ein paar Tage später verließ, ausgerechnet mit dem „scheißhässlichen” Nelson Pardo, „der so dämlich war, dass er den Mond für einen Flecken hielt, den Gott nicht weggewischt hatte”. Er ist der einzige Junge in seiner High School, der keine Freundin hat, er wird fetter und fetter und interessiert sich für Science-Fiction, eine ungute Kombination in jeder Jugend, vor allem aber in der Immigranten-Gemeinde der Domingos in New Jersey. „Das Einzige, was sich während dieser Jahre änderte, waren die Wagentypen, die Größe von Maritzas Hintern und die Musik, die aus den Autoboxen dröhnte.”
Sex ist ein Schlüssel zum Schicksal, und wie eng im Sex Leben und Tod zusammen kommen, davon erzählt Díaz - und er erzählt es als Geschichte der Körper: Die mal mit Verachtung bestraft werden, wenn etwa Trujillos Schergen jemanden abholen und in den Zuckerrohrfeldern tot prügeln; die mal mit Verehrung verfolgt werden, wie Oscars Mutter und ihr von Schönheit explodierender Körper. Und oft hat eben das eine mit dem anderen zu tun. „Sie steht vor dem verspiegelten Medizinschränkchen, von der Taille aufwärts nackt, den BH wie ein zerrissenes Segel auf der Hüfte, die Narbe auf dem Rücken so gewaltig und trostlos wie ein Meer”, so sieht Oscar seine Mutter, die so schön war, dass Männer dafür töten würden. „Die Brüste deiner Mutter sind gigantisch. Eines der Weltwunder. Größere hast du nur in Pornoheften oder an richtig fetten Frauen gesehen. Sie hat 80F, die Warzenhöfe sind so groß wie Untertassen und pechschwarz, und an ihren Rändern sprießen störrische Haare, die sie manchmal auszupft und manchmal nicht.”
Díaz erzählt die Geschichte von Oscar, seiner Schwester, seiner Mutter und seinem Großvater, die Tragödie dieser Familie, aber auch die der Dominikanischen Republik, als Geschichte dieser Brüste und der Narbe auf dem Rücken, im Wechsel der Perspektiven, mit einem Reichtum der Sprache und Bilder und Eindrücke, der aus Jahren, aus Jahrhunderten des Leidens erwachsen ist. Die Körper treten fast aus diesem Buch heraus, sie sind zum Greifen nah, in ihrer Fettheit, Schönheit, Geilheit, in ihrer Zerstörtheit, enge schwarze Satinhosen, unter denen sich das Fleisch bäumt, von Peitschenhieben zerschundene Körper, Oscars Mutter als Mädchen, das den weißesten Jungen ihrer Klasse liebt, Jack Pujols, der seine „unerträgliche, großmäulige Arroganz wie Metallsporen in die Menschen” hieb. Es waren die fünfziger Jahre, eine goldene und grausame Zeit in der Dominikanischen Republik – dumm nur, dass der Gangster, in den sie sich als nächsten verliebt, mit einer Schwester des Diktators Trujillo verheiratet war: Aber „habt ihr tatsächlich geglaubt, ein dahergelaufener Kerl aus Samaná wäre allein durch harte Arbeit in die oberen Ränge des Trujillato aufgestiegen? Negros, mal ernsthaft – das hier ist kein beschissener Comic!”
Mit dieser rotzigen Beiläufigkeit entfaltet „Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao” seine Magie, anders als so kitschig kann man es nicht nennen. Schon in den Geschichten seines ersten Buches „Abtauchen”, das 1997 auf Deutsch erschien und leider nicht mehr lieferbar ist, schon in diesen kargen und dabei schmerzhaft plastischen Geschichten gelang es Junot Díaz, aus den verschiedenen Sprach- und Gefühlsebenen seines Lebens Texte zu formen, die aus dem Aufprall der amerikanischen und der DR-Kultur etwas Neues entstehen ließen – in seinem ersten Roman nun bekommt das Epische seine besondere Begründung geschenkt, weil das das Werkzeug ist, mit der ein Schriftsteller unserer verschütteten Gegenwart am besten beikommt.
Was noch bleibt? Vielleicht die Geschichte von Oscars Großvater, eines erfolgreichen, gebildeten Arztes, der das Pech hatte, dass eine seiner schönen Töchter dem Diktator Trujillo gefiel, „Fickfresse”, wie er hier genannt wird – weil er sich weigert, seine Tochter an Trujillo zu verfüttern, wird er ins Gefängnis geworfen, wo er Folter, Furcht und Fäkalien erdulden muss, wo er vegetiert, bis er verrückt wird und verendet: Der fukú raubt derweil den Rest der Familie, die Töchter eins und zwei, nur Nummer drei überlebt, die mit der Narbe, Beli, Oscars Mutter. Der stirbt schließlich den Tod, dem sie entgehen konnte, ermordet im Zuckerrohrfeld, Opfer einer gefährlichen Liebe, immer noch Jungfrau.
„Ich weiß, was die negros jetzt sagen werden”, so unterbricht Junot Díaz gegen Ende des Romans seinen Erzählfluss, als er von Oscars Liebe berichtet. „Schaut mal, jetzt schreibt er tropische Vorstadtidyllen. Eine puta, die kein minderjähriges, sniefendes Drogenwrack ist? Völlig unglaubwürdig.” Es ist das Verdienst der Übersetzung von Eva Kemper, dass diese Sätze so wie alle anderen in diesem Buch völlig glaubwürdig sind, einen Rhythmus haben und einen Beat, der der englischen Elastizität geschuldet ist, aber vom spanischen Padamm, Padamm angetrieben wird: Reiß mir das Herz heraus, schreit dieser Roman einen an! Los, du Arsch!GEORG DIEZ
JUNOT DÍAZ: Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao. Roman. Aus dem Englischen von Eva Kemper. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009. 369 Seiten, 19,90 Euro.
Nur auf den Sex kann man sich verlassen. Der bleibt, immer.
„Schaut mal, jetzt schreibt er tropische Vorstadtidyllen.”
„Die Geschichte von Oscar, seiner Schwester, seiner Mutter und seinem Großvater, die Tragödie dieser Familie, aber auch die der Dominikanischen Republik.” Ein amerikanischer Soldat in Santo Domingo während der US-Intervention im Sommer 1965 (oben); der Autor Junot Díaz (links), 1968 in Santo Domingo geboren, wanderte 1974 mit seiner Familie nach New Jersey aus. Fotos: Time & Life Pictures/Getty Images (oben); dpa
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