18,99 €
inkl. MwSt.

Versandfertig in über 4 Wochen
payback
9 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Stunning and brutally powerful, Falconer tells the story of a man named Farragut, his crime and punishment, and his struggle to remain a man in a universe bent on beating him back into childhood. Only John Cheever could deliver these grand themes with the irony, unforced eloquence, and exhilarating humor that make Falconer such a triumphant work of the moral imagination.

Produktbeschreibung
Stunning and brutally powerful, Falconer tells the story of a man named Farragut, his crime and punishment, and his struggle to remain a man in a universe bent on beating him back into childhood. Only John Cheever could deliver these grand themes with the irony, unforced eloquence, and exhilarating humor that make Falconer such a triumphant work of the moral imagination.
Autorenporträt
John Cheever
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2012

Der still gestellte Mensch findet im Kopf keine Ruhe

Das Gefängnis als existentielle Metapher: Manche halten John Cheevers letzten Roman "Willkommen in Falconer" von 1977 für sein bestes Werk. Jetzt liegt es in einer grandiosen Neuübersetzung vor.

Richard Yates und John Cheever - das sind zwei wahlverwandte alkoholische Märtyrer und Selbstzerstörungskünstler der jüngeren amerikanischen Literatur. Verbunden waren sie in ihrer Begabung, mit großen Büchern zur falschen Zeit zu kommen; verbunden auch in der Hassliebe auf die amerikanischen Vorstädte, die sie in ihren Werken als Welt des schaurig-schönen Scheins vorführten, wo ein ehrlicher Mann vor die Hunde gehen muss, falls er nicht einfach irgendwann durch die aneinandergereihten Pools auf und davon schwimmt.

Oder aber im Gefängnis landet, wie der heroinsüchtige Professor Ezekiel Farragut in Cheevers letztem Roman "Willkommen in Falconer" aus dem Jahr 1977, den manche für seinen besten halten. Mit einem Schürhaken hat Farragut seinen Bruder erschlagen, weigert sich aber hartnäckig, das Kainsmal auf sich zu nehmen. Der Mittvierziger ist ein zweifelhaftes Subjekt - und zugleich Subjekt all der Zweifel, die John Cheever, der an diesem Wochenende hundert Jahre alt geworden wäre, selbst hegte: am Leben im Allgemeinen, der amerikanischen Gesellschaft im Besonderen und der heterosexuellen männlichen Identität im ganz Speziellen.

Falconer heißt die riesige Haftanstalt für zweitausend Gefangene. Dazukommen viertausend Katzen, von denen zwischendrin die Hälfte einem Massaker zum Opfer fällt - harte Lektüre für Katzenfreunde. Ansonsten gestaltet sich der Vollzug vergleichsweise milde. Ketten, Eisenkugeln und gestreifte Gefängniskluft sind abgeschafft; wo früher der Galgen stand, erstreckt sich ein Softballfeld: siebziger Jahre. Damals gab Cheever Short-Story-Kurse in Sing Sing und freundete sich mit einem Häftling an, der sich wunderte, dass der Autor sogar in Zeiten, wo anderswo Gefängnisunruhen ausbrachen, weiter in die berüchtigte Hochsicherheitsanlage kam: "Where gets a little shit like you the balls to come in here?" Da sei wohl eine gewisse Identifikation mit dem Kriminellen an und für sich im Spiel gewesen, vermutete John Updike. Anrüchig und verworfen erschien Cheever sich selbst schon durch das homosexuelle Begehren, das er seit der Jugend durch korrektes maskulines Gehabe überspielt hatte.

"Sie haben unter dem Einfluss gefährlicher Drogen das abscheuliche Verbrechen des Brudermords begangen. Schämen Sie sich nicht?" Offenbar nicht, denn vom Brudermord kann nicht die Rede sein, sofern wir Farraguts eigener Darstellung des Geschehens Glauben schenken, die allerdings erst ganz am Ende erzählt wird. Farraguts Ehe dagegen war schon vor dem vermeintlichen Brudermord eine Form der Isolationshaft. Für die atemberaubend attraktive und sehr narzisstische Marcia, eine gescheiterte Künstlerin, war der Spiegel die wichtigste Bezugsperson. Gelegentlich besucht sie Farragut im Gefängnis. Auf die Frage, wie es zu Hause so gehe, antwortet sie lakonisch: "Es ist angenehm, dass der Toilettensitz immer trocken ist."

Zum Glück wird in "Falconer" kein ganz naturalistisches Knast-Idiom gesprochen. "Wahrscheinlich hast du von mir in der Zeitung gelesen. Ich bin der berühmte Tätowierte, der langfingrige Fassadenkletterer, der sein ganzes Geld für Körperkunst ausgegeben hat" - mit diesen Worten stellt sich Farragut ein ausgemergelter, von Kopf bis Fuß mit ausgeblichenen Tätowierungen verzierter Häftling namens ChickenNumberTwo vor. So wie das Gefängnis bei allem Realismus zugleich als existentielle Metapher zu verstehen ist, sind die Häftlinge als tragikomische Schmerzensmänner mit hochprozentigem Symbolgehalt angelegt - besonders eindrucksvoll die Erzählungen des "Hahnreis".

In der Literatur erfüllt die Strafanstalt, wenn es sich nicht bloß um Sozialreportage handelt, zumeist einen besonderen Zweck: Sublimierung durch Kompression. Die Einsperrung des Körpers verbindet sich mit der Entgrenzung des Bewusstseins. Der still gestellte Mensch kommt im Kopf nicht zur Ruhe. Grübel- und Beichtzwänge sind die Folge. Die gekappten Lebensstränge werden auseinandergedröselt, das "normale" Leben aus exterritorialer Perspektive ins Auge gefasst, mit Sehnsucht und Befremden. So auch in "Falconer".

Befremdlich sind insbesondere Farraguts Kindheitserinnerungen. "Ach, Daddy, so was solltest du mir in meinen Entwicklungsjahren nicht antun" - so sprach der Junge einst zum Vater, als der ans Meer gefahren war, um sich zu ertränken. Zuvor hatte er der Mutter feierlich eine Anlkageschrift mit ihren zweiundzwanzig Hauptversäumnissen als Ehefrau überreicht. Der Sohn fand ihn schließlich in einem Vergnügungspark, wo er betrunken und herum kaspernd Berg- und Talbahn fuhr. Die Neigung zu hochtrabenden Anklageschriften ist offenbar erblich, denn auch Farragut verfasst in seiner Zelle eine rhetorisch überinstrumentierte Eingabe an den Gouverneur: Der Gefängnisdirektor habe sich in "beispielloser Destruktivität" über die Verfassung und die "ethischen Grundsätze des Ärztestands" hinweggesetzt, als er Farragut das ihm "von der höchsten Autorität im Lande zugestandene Medikament" vorenthielt. Soll heißen: Einmal hatte man vergessen, Farragut die tägliche Dosis Methadon zu verabreichen. Er bildet sich ja einiges ein auf sein "Opiumesserbewusstsein". Sucht ist bei Cheever Ausdruck der conditio humana. Aber sie ist bei aller Qual zugleich eine unzulässige Vereinfachung. Denn entweder die komplizierte weite Welt verengt sich auf das Problem der Beschaffung der Droge - oder aber im Rausch erweitert sich der Augenblick zur kosmischen Herrlichkeit, und der Tod bedeutet nichts mehr. Bei Farragut schafft das Gefängnis am Ende, was drei Erziehungskuren nicht gelang: Er ist clean, ohne es überhaupt gemerkt zu haben.

Man genießt die funkelnde Ironie des Romans, seinen stachligen Parlando-Ton: "Irgendwo hatte er gelesen, dass es traumatische Folgen haben konnte, wenn das Stillen unvermittelt abgebrochen wurde, und soweit er sich an seine Mutter erinnerte, konnte sie ihm durchaus die Brust aus dem Mund gerissen haben, um nicht zu spät zum Bridge zu kommen." Dabei sei die Zeit "banaler Ironie" längst vorbei. "Es geht um den vollen Klang, die tiefen Flüsse, die unveränderliche Tiefe der Sehnsucht, der Liebe und des Todes" - all das, was im Vorstadt-Alltag verlorengegangen ist. So enthält "Falconer" neben den sarkastischen Retrospektiven verkorksten Vorlebens auch viele leuchtende Epiphanien: Darunter Erinnerungen an das Fischen in Flüssen und die Euphorien des Skifahrens - und sogar eine rhapsodische Passage, die das wundersame Gebrumm der Hummeln in einer Burgruine beschreibt.

Das Gefängnis selbst wird zum Hortus conclusus neuer, unerhörter Erfahrung. Wo die Normalität ausgesetzt ist, beginnen die zuvor sorgsam gejäteten Triebwünsche zu wuchern. Farragut findet seinen Erlöser, zwischenzeitlich. Jody verfügt nicht nur über ein umwerfendes Lächeln, er kennt auch das Geheimnis der Schönheit: "Wenn man sein Gesicht unbekümmert allen Situationen ausliefert, in die man gerät, dann sieht man irgendwann aus wie du, nämlich völlig beschissen. Ich liebe dich, Süßer." Farragut und Jody werden ein Liebespaar, rauh und romantisch: "Irgendwo in dieser riesigen Wildnis, die er selbst war, schien eine Blume zu erblühen, deren Blüte er nicht finden und mit dem Absatz zermalmen konnte."

Unterdessen finden im Land Gefängnisrevolten statt. Der Aufruhr droht überzugreifen auf Falconer. Radios werden kassiert, Kontakte der Gefangenen zur Außenwelt unterbunden. Irgendwann brennen auch in Falconer die Matratzen. In der allgemeinen Konfusion gelingt Farragut am Ende der komödiantisch beschriebene Ausbruch, in einem Leichensack, in dem eigentlich Chicken Number Two liegen sollte.

Dieser Roman ist ein filigranes, ausgefeiltes, vor Witz und Sarkasmus funkelndes Prosakunstwerk, weit entfernt vom schwülen Pathos eines Jean Genet. Cheever schreibt einen Realismus mit vielen Ober- und Untertönen, voller Derbheit und Zartsinn, Farcenhaftigkeit und Spiritualität. Er kann die Beschreibung eines rotierenden Wäschetrockners mit dem Sturz der Engel verbinden und das Licht, das durch die Gitterstäbe in die Gefängniszelle fällt, mit der transzendentalen Erinnerung an die Stimmung in einem Winterwald. Als "Falconer" 1977 erschien, war die amerikanische Kritik hingerissen. Cheevers' zerfurchtes Gesicht kam auf die Titelseite von Newsweek. Hierzulande blieb das Echo gering - wenig erstaunlich angesichts der schwunglosen, ungelenken, mit Fehlern gespickten Übersetzung. Jetzt hat Thomas Gunkel "Falconer" so geschmeidig neu ins Deutsche übertragen, dass die nachholende Entdeckung möglich wird: Dies ist große Literatur.

WOLFGANG SCHNEIDER

John Cheever: "Willkommen in Falconer". Roman.

Aus dem Englischen von Thomas Gunkel. Dumont Verlag, Köln 2012. 224 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.07.2012

Ein Stückchen
Blau
Nein, dieses Buch ist eigentlich keine Urlaubslektüre. Auch wenn es von
einem Stückchen blauen Himmels handelt. Der Held von John Cheevers „Willkommen in Falconer“, ein herzkranker rauschgiftsüchtiger Mörder, sieht diesen Fetzen Blau auf dem Weg in sein scheinbar endgültiges Gefängnis. Es ist das erste Mal in Monaten, dass er das Blau des Himmels sieht, den „Sinn“ und die „Unschuld“ darin erkennt – und dann geht er ein in Block F des Gefängnisses „Falconer“. Und das ist so hart (und treffend), so (wiedererkennbar) gemein, so unverhohlen brutal (und wahr, verständlich, allgemein), dass man immer wieder versucht ist, die Lektüre abzubrechen und das Buch wegzulegen. Aber da ist eben dieses Stückchen Blau, und am Ende scheint es sogar zu wachsen. Ein seltsames Erlebnis: Wie das Blau des Ferienhimmels mit dem Lesen an Leichtigkeit und Transzendenz gewinnt. Wie wichtig plötzlich dieser Himmel ist. Vielleicht gibt es doch keine bessere Ferienlektüre.  THOMAS STEINFELD
  
  
  
  
John Cheever :
Willkommen in Falconer. Roman. Aus dem Englischen von Thomas Gunkel.
Dumont Verlag, Köln 2012. 220 Seiten, 19,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de