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Fünf Monate wandert Christian Krug zu Fuß durch Indien. Das Meer - der Fluss - die Berge: Auf drei Etappen erlebt er alle Gegensätze, die dieses Land zu bieten hat. Von Karnataka bis Mumbai wandert er 800 Kilometer an der paradiesischen Konkanküste. Er sieht die Touristenstrände Goas und kommt zu menschenleeren Buchten in Maharashtra. Am Fluss Narmada im Herzen Indiens taucht er in das ländliche Leben ohne Strom und ohne Straßen ein, wandert bei 40 Grad mit heiligen Männern und trifft Menschen, die seit Jahrhunderten Pilger versorgen. Im Land der Götter, dem 'Dev Bhoomi' im Himalaya, sind die…mehr

Produktbeschreibung
Fünf Monate wandert Christian Krug zu Fuß durch Indien. Das Meer - der Fluss - die Berge: Auf drei Etappen erlebt er alle Gegensätze, die dieses Land zu bieten hat. Von Karnataka bis Mumbai wandert er 800 Kilometer an der paradiesischen Konkanküste. Er sieht die Touristenstrände Goas und kommt zu menschenleeren Buchten in Maharashtra. Am Fluss Narmada im Herzen Indiens taucht er in das ländliche Leben ohne Strom und ohne Straßen ein, wandert bei 40 Grad mit heiligen Männern und trifft Menschen, die seit Jahrhunderten Pilger versorgen. Im Land der Götter, dem 'Dev Bhoomi' im Himalaya, sind die Hauptquellflüsse der Ganga seine Weggefährten. Bei Eis, Schnee und Steinschlag erreicht er Gaumukh, das 'Kuhmaul' auf 4000 Metern Höhe - Quelle von Indiens heiligstem Fluss. Indien in dem Tempo erleben, das dem Menschen am meisten entspricht - zu Fuß: Erst da erschließt sich dieses unbegreifbare Land, das wie kein anderes die Gegensätze des 21. Jahrhunderts in sich vereint. Mit viel Hintergrundwissen und genauem Blick für das Verborgene erzählt Christian Krug von einem spannenden Weg mit faszinierenden Begegnungen und täglichen Überraschungen.
Autorenporträt
Christian Krug wurde 1965 in Hamburg geboren. Schon mit 23 bekam er seinen ersten Reportervertrag beim "Stern". Für das Magazin bereiste er fünf Kontinente, besuchte Mönche im Himalaya und Weltstars in Los Angeles. Später wurde er leitender Redakteur von SPIEGEL -TV und Chefredakteur der Zeitschrift "Stern". Heute ist der Vater von zwei Söhnen Autor, Medienberater und Hotelunternehmer. Krug lebt in Hamburg und Marokko.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.09.2006

Die Umrundung eines Traums
Der alte Pilgerweg Parikrama in Zentralindien ist kein markierter Pfad – wer ihn geht, glaubt an sein Ziel
Meist sieht man die Verschmelzung von Männlichem und Weiblichem nur auf kitschig-bunten Postern: Ardhanarishwara, halb Mann, halb Frau. Nun steht er leibhaftig auf den Treppenstufen. Seine rechte Seite ist wild, mit schwarzem Tuch, den Dreizack in der Hand: Gott Shiva in der Bekleidung des Asketen, eine Kette aus Rudrakshanüssen über der Brust. Die linke Seite anmutig, geschminkte Augen, der halbe Mund mit rotem Lippenstift gezogen, goldene Ohrringe, Fingerringe und Fußringe, eine Kette aus Glasperlen, die halbe Göttin Parvati.
Hoshangabad, die Stadt am Südufer der Narmada ungefähr in der Mitte zwischen Quelle und Mündung des 1500 Kilometer langen Flusses, ist die Krönung einer Wanderung durch ein Schlaraffenland der Menschlichkeit. Die Ghats von Hoshangabad sind längst nicht so mächtig wie jene in Varanasi am Ganges, bestechen aber durch ein einzigartiges Sammelsurium von Pilgern, die hier schlafen, essen, baden, wachen, beten und warten. Es ist eine Zusammenkunft von Krösussen in Sackleinen und weißen Saris. Sie brauchen nichts und haben das Unbezahlbare: Zeit.
Sechs Wochen früher und 650 Kilometer flussabwärts sagte die Brahmanin Jyotiben, in Mankleshwar: „Narmada erfüllt jeden Wunsch. Wie sonst wärst du zu uns gekommen?”
Narmada, die Göttin auf dem Krokodil, vereint die Menschen über die Dorfgrenzen hinweg. Sie ist die Tochter des großen Gottes Shiva, der so intensiv meditierte, dass sich Schweißtropfen auf seiner Stirn bildeten, die immer mehr wurden, sich zu kleinen Rinnsalen vereinigten und schließlich als reißender Fluss von seinem Haupt herabstürzten. Die Narmada ist der einzige mächtige Fluss in Indien, der von Ost nach West fließt.
Bei einer Pilgerwanderung geht es nicht mehr um Sehenswürdigkeiten und kulturelle Höhepunkte. Selbst Naturschönheiten stehen nicht mehr an erster Stelle. Die Silhouetten der Vindhya- und Satpura-Berge zeichnen sich oft nur als schwache Schatten am Horizont ab, der Fluss ist im März und April kein reißendes Gewässer, sondern sanft und unaufdringlich, die Felder sind meist abgeerntet und liegen da in staubigem Beige.
Die klassischen Wege des Pilgerns in Europa, nach Santiago de Compostela oder nach Rom, sind vom Anfang bis zum Ende durchgeplant, strukturiert, gesichert und geordnet. Der Weg um die Narmada in den indischen Bundesstaaten Gujarat, Madhya Pradesh und Maharashtra hingegen ist kein markierter Weg mit Kilometerangaben. Nirgends steht ein Hinweis auf die nächste Einkehrmöglichkeit. Die Parikrama, der 3000 Kilometer lange Rundweg, muss erfragt werden, von Dorf zu Dorf, mitunter von Feld zu Feld. Um Nebenflüsse zu überqueren, muss man die nächste Furt suchen oder hoffen, dass ein Fährboot in der Nähe wartet.
Die Parikrama ist keine geografisch fixierbare Strecke. Mit 15 bis 20 Kilometern am Tag gehört man zu den Schnellsten. Viele Pilger sind zwei Jahre und länger unterwegs. Acht Monate wandern sie, dann machen sie während der Regenzeit von Juni bis September ihre viermonatige Pause, die „caturmas”. Die klassische Umrundung dauert drei Jahre, drei Monate und 13 Tage. P.K. DeepRoy, ein ehemaliger Luftwaffenoffizier aus Kolkata, unternimmt die Parikrama mit Bus, Zug und zu Fuß. Er braucht nur vier Monate. Andere legen die 3000 Kilometer zu Fuß in 108 Tagen zurück – im Schnitt 30 Kilometer am Tag. Und Nagraj, ein älterer, kräftiger Mann, wohnt in einem kleinen Häuschen neben zwei strahlend weißen Tempeln direkt am Ufer gleich hinter Shinod.
„Seit vier Jahren lebe ich nun hier”, sagt er, während er Reispuffer auf einer Kerosinflamme backt. Auf dem Weg um die Narmada ist er hier geblieben, nach fast zweijähriger Wanderung. „Niemand kümmerte sich um die zwei Tempel. Sie brauchten mich!”
Vijay Puri ist seit acht Monaten unterwegs. Er ist 26 Jahre alt, spricht fließend Englisch und besuchte noch vor drei Jahren eine Universität in Bombay, um Chemie zu studieren. Irgendwann hatte er begriffen, dass Geld, Erfolg und Karriere nicht seine Sache sind. Er wurde Sannyasin, Mönch, lernte erst in einem Ashram in Haridwar in Nordindien unzählige Gebete auf Sanskrit, die er in atemberaubendem Tempo aufsagen kann, und hofft, bis zur Regenzeit Amarkantak zu erreichen.
Ihm hat sich ein Mauni Baba angeschlossen, ein namenloser Sadhu, der das Gelübde abgelegt hat, zwölf Jahre lang zu schweigen. Es sind erst drei Jahre vorüber. Mit den beiden sind auch Narender Giri Maharaj und Siddheshwar Giri Maharaj unterwegs, Vorsteher eines großen Ashrams in Sagar, einer Stadt mit 500 000 Einwohnern in den Weiten Zentralindiens. Zwölf Jahre lang hatte Siddheshwar nackt und nur mit Asche beschmiert in einer Höhle gelebt. Stolz zeigt er ein Bild aus dieser Zeit, das er jeden Abend auf seinen kleinen Altar stellt.
Für die vier Pilger ist es nicht bedeutsam, ob sie fünf, 15 oder 25 Kilometer am Tag vorankommen. Es ist auch nicht wichtig, wo sie ankommen. Es gibt keine Eile an der Narmada. Nach einigen Tagen offenbart sich die Qualität dieses Pilgerweges: Wenn man den Weg beginnt, hat man ein klares Ziel vor Augen: Dort wieder anzukommen, wo man losgegangen ist. Monate oder vielleicht Jahre wird man nun wandern, immer den Fluss zur Rechten, irgendwann ist man auf der anderen Flussseite angekommen, man schaut hinüber, nur zwei- dreihundert Meter auf die andere Seite, und blickt zurück in die Vergangenheit, die so greifbar naheliegt, doch zugleich unerreichbar ist. Das Überschreiten der Narmada ist während der gesamten Parikrama nur an einer Stelle, an der Mündung erlaubt. Je länger man am Fluss entlang wandert, desto näher kommt man wieder an den eigenen Ausgangspunkt zurück, der zugleich, wenn man sich umdreht und zurückblickt, in immer weitere Ferne rückt. Irgendwann hat man den Ausgangspunkt wieder erreicht, irgendwann klickt man sich wieder aus der Parikrama aus und ist nicht mehr dabei.
Vielleicht bleibt Nagraj deshalb bei seinen weißen Tempeln und möchte nie ans Ende seiner Parikrama kommen. Die meisten Pilger haben nicht viel dabei. Einen Messingtopf für das Wasser, eine Decke, vielleicht zwei. Unerlässlich hingegen sind die Utensilien für den Minialtar, der jeden Abend kurz vor Sonnenuntergang aufgestellt wird: kleine Steinchen aus dem Fluss, Gebetsbilder, Rudrakshanüsse. Nach andächtiger Errichtung versinken die Pilger im stillen Gebet. Am Schluss der Gruß, den man täglich ein Dutzend Mal hört. Selbst die Zweijährigen am Straßenrand können es schon rufen: „Narmadehar!”
Als Weißer ist man in den Dörfern eine Attraktion. Es dauert nicht lang, bis eine Schar Kinder den Fremden umringt. Männer vertreiben sie und umlagern dann ihrerseits den Fremden. Man gewöhnt sich an alles, auch an neugierige Blicke.
Die meisten Dörfer an der Narmada erhalten nur ein oder zwei Stunden lang Strom, manchmal nach Mitternacht, wenn ihn niemand braucht. Dabei müssen viele Dorfbewohner zusehen, wie direkt vor ihren Haustüren an Staudämmen Strom gewonnen wird und dieser in die Millionenmetropolen nach Indore und Bhopal abfließt.
Im Grenzgebiet zwischen Gujarat, Maharashtra und Madhya Pradesh entstand in den vergangenen Jahren einer der größten Stauseen Asiens, zugleich eines der umstrittensten Bauprojekte weltweit: der Sardar Sarovar. Bei Kewadhia wurde New Kewadhia, eine Kunstkolonie für 20 000 Menschen, gebaut, die wiederum den Staudamm bauten. Ein monströses Menschenwerk mitten im Dschungel. Seinetwegen wurde das Land von Hunderttausenden Ureinwohnern überflutet. Noch immer leben Tausende dort, in fast völliger Abgeschiedenheit. Durch das Land der Bhil wandert fast niemand. Selbst Polizei und Militär meiden das Gebiet an der Grenze zwischen Gujarat und Madhya Pradesh. Staat und Ureinwohner arrangierten sich stillschweigend: Wir lassen euch in Ruhe, ihr lasst uns in Ruhe. Über die Wochen entwickelt sich ein Urvertrauen, und das Gepäck bleibt unbeaufsichtigt irgendwo in den Dörfern bei einem Tempel liegen, während das abendliche Bad im Fluss nach Staub und Hitze der schönste Moment des Tages ist. Eines Tages ist die Wasserflasche leer und keine Handpumpe in Sicht. Das Wasser der Narmada schmeckt vorzüglich.
Es wird Nacht über den Ghats von Hoshangabad. Im Haupttempel wird das letzte Aarti gefeiert, die Lichterzeremonie mit Feuer, Wasser und Luftwedel. Laut klingen Glocken. Auf dem Fluss schwimmen aus Blättern gefaltete Bötchen davon, mit Blumen und einer kleinen Kerze. Der Ardhanarishwara-Sadhu steht aufrecht und schaut auf den Fluss und darüber hinaus, dorthin, wo kaum ein Blick hinzureichen vermag.
CHRISTIAN KRUG
„Niemand kümmerte sich um die zwei Tempel – sie brauchten mich”
Informationen
Anreise: Hin- und Rückflug von München nach Bombay oder New Delhi mit Air France ab 609 Euro, Internet: www.airfrance.de
Von Bombay mit dem Zug nach Baruch an der Mündung der Narmada.
Von New Delhi in elf Stunden mit dem Zug nach Hoshangabad.
Unterkunft: Nur in Baruch, Omkareshwar und Hoshangabad gibt es Hotels und Lodges. Auf dem Land übernachtet man entweder in Ashrams o, bei Privatpersonen oder in
Tempeln.
Literatur: Soeben ist von Christian Krug
„Auf Heiligen Spuren. 1700 Kilometer zu Fuß durch Indien” im Reise Know-How-Verlag erschienen, 320 Seiten, 17,50 Euro.
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