Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 2,85 €
  • Broschiertes Buch

Palästinenser, Israelis und Deutsche sind durch ihre jeweilige Geschichte miteinander verknüpft. Aber Palästinenser und Israelis nehmen fast ausschließlich ihre eigene Geschichte und ihr eigenes Leid wahr.
Niederhoffs authentischer Bericht, in dem die Teilnehmer des Trialogs selber ausführlich zu Wort kommen, handelt von dem Versuch, Palästinenser, Israelis und Deutsche an dem schmerzhaften Punkt ihrer jeweiligen Geschichte zusammen zu bringen: dem Holocaust und der Nakba.

Produktbeschreibung
Palästinenser, Israelis und Deutsche sind durch ihre jeweilige Geschichte miteinander verknüpft. Aber Palästinenser und Israelis nehmen fast ausschließlich ihre eigene Geschichte und ihr eigenes Leid wahr.

Niederhoffs authentischer Bericht, in dem die Teilnehmer des Trialogs selber ausführlich zu Wort kommen, handelt von dem Versuch, Palästinenser, Israelis und Deutsche an dem schmerzhaften Punkt ihrer jeweiligen Geschichte zusammen zu bringen: dem Holocaust und der Nakba.
Autorenporträt
Henning Niederhoff war bis 2000 Leiter des 1996 neu gegründeten Länderbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in den Palästinensischen Autonomiegebieten mit Sitz in Ramallah. Seit 1998 organisiert er den von ihm initiierten Trialog, der bis heute fortbesteht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2010

Die Tabus beider Seiten angehen
Ein persönlicher Erfahrungsbericht über Israelis, Palästinenser und Deutsche

Bis zum Jahre 2000 war Henning Niederhoff Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in den palästinensischen Autonomiegebieten mit Sitz in Ramallah. Es war Neuland, das er betrat; das Büro dort war erst 1996 eröffnet worden. Aus dem Buch, das er geschrieben hat - Trialog in Yad Vashem. Palästinenser, Israelis und Deutsche im Gespräch -, geht hervor, dass die wenigen Jahre, die er dort verbrachte, zu den wichtigsten und einschneidendsten seines Lebens gehören. Niederhoff lebte unweit der Mukatta, des damaligen Hauptquartiers des PLO-Führers Jassir Arafat. Er musste sich in Windeseile in Kultur und Geschichte der Region einarbeiten.

Seit der zweiten Intifada tut sich wenig im sogenannten Friedensprozess, man hat den Eindruck, dass viele der Beschäftigung mit ihm auch längst überdrüssig sind. Mehr als "indirekte Gespräche" zwischen beiden Parteien hat auch Präsident Obama bisher nicht erreicht. Die Adenauer-Stiftung wollte die Zivilgesellschaft unter den Palästinensern fördern und - im Sog der große Hoffnungen weckenden Vereinbarungen von 1993/94 - einen Dialog zwischen Israelis und Palästinensern zustande bringen.

Palästinenser und Israelis, so bemerkte der Autor bald, nehmen nur ihr jeweils eigenes Leid wahr, in das Deutsche historisch zutiefst verstrickt sind. Das Leid der anderen ist hingegen abwesend. Diese Blockade aufzubrechen, hatte sich Niederhoff vorgenommen. Er beschreibt differenziert und engagiert, doch mit Abstand zu überzogenen Vergleichen, die Erfahrungen mit seinem Versuch und den Personen, die er für sein Unterfangen gewinnen konnte und die er selbst zu Wort kommen lässt, Israelis wie Palästinenser.

Niederhoff, Sohn von Flüchtlingen und für die Mentalität von Flüchtlingen aufgeschlossen, schildert die zunächst mühsamen Anfänge des Dialogs: Israelis nach Ramallah zu holen, dann jedoch auch den umgekehrten Besuchsweg mit Palästinensern zurückzulegen. Daraus wurde schließlich eine feste Gruppe. "Sie können Jerusalem sehen, hören und riechen, aber sie können nicht hinein." Diese Erkenntnis über ausgesperrte Palästinenser - nun aus der Nähe erlebt - war Israelis, die nach Ramallah kamen, neu. Unmittelbar nach dem Oslo-Prozess hatte Israel mit dem Bau militärstrategisch wichtiger Straßen auf dem Westufer begonnen, die buchstäblich im Nichts endeten, aber palästinensische Dörfer abschnitten. Das schuf so wenig Vertrauen wie die Attentate von Hamas und Dschihad Islami, die später den Friedensprozess bewusst und massiv hintertrieben.

Das intellektuelle und psychologische Haupthindernis zwischen beiden Völkern ist die Weigerung, die historischen Traumata des anderen zu akzeptieren, sie nicht aufzurechnen oder zu verharmlosen, sondern wirklich zu verstehen. Die arabische Seite neigt bis heute dazu, den Holocaust entweder ganz zu leugnen oder als "übertrieben" und besonders "politisch instrumentalisiert" anzusehen. Die differenzierteren Stellungnahmen von palästinensischen Intellektuellen wie Mahmud Darwisch oder Edward Said machten Niederhoff jedoch Mut, dieses Thema, das mit der jüngsten deutschen Geschichte verfugt ist, in zwei- und dreiseitigen Begegnungen aufzubrechen. Palästinenser nach Yad Vashem zu bringen (Shlomo Shpiro: "Ich konnte es nicht glauben!"), was Niederhoff schaffte, ist angesichts der inneren Hemmungen der Beteiligten keine Kleinigkeit.

Viele Israelis glauben bis heute - trotz der Entdeckungen der eigenen "neuen Historiker", die man nicht gerade schätzt -, Vertreibungen von Arabern habe es 1948 gar nicht gegeben, diese seien alle den Aufrufen der arabischen Regierungen und deren Propagandisten gefolgt und "freiwillig" gegangen. Für die Palästinenser ist jene Wirklichkeit allerdings die Nakba, die große Katastrophe, in die einzufühlen, ja, die allein anzuerkennen sich viele Israelis weigern. Entsprechend verstört reagieren Israelis, die man einmal durch die Ruinen arabischer Dörfer führt, die von jüdischen Guerrillatrupps zerstört worden sind. Auch der Rezensent besuchte zusammen mit Niederhoff und dem palästinensischen Historiker Salah Abd al Dschawad solche grasüberwucherten Ruinen.

Über die Nakba "herrscht tiefes Unverständnis zwischen Israelis und Palästinensern", schreibt Niederhoff; als Symbolfigur dafür kann jener Haddsch Amin al Husseini, Mufti von Jerusalem, gelten, den ein Teil der Araber als "Helden des Widerstandes" verehrt, während die jüdische und israelische Seite diesen Kollaborateur Hitlers und Himmlers als Verbrecher verabscheut.

Man mag einwenden, das alles sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch Ausblicke der Beteiligten auf die Zukunft sind insgesamt eher düster. Aber was, so muss man fragen, wäre die andere Möglichkeit als solche Friedensarbeit?

WOLFGANG GÜNTER LERCH.

Henning Niederhoff: Trialog in Yad Vashem. Palästinenser, Israelis und Deutsche im Gespräch, Lit Verlag, Berlin 2009, 224 Seiten, 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr