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Labyrinth (Limited Deluxe Edition)
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Produktdetails
Trackliste
CD + DVD Video 1
1Labyrinth
2Mein Herz bleibt hier
3Das muss Liebe sein
4Zwischen den Zeiten
5Berlin, was willst du von mir?
6Lass die Liebe regieren
7Blockade
8Jeder für jeden
9Mit dem Moped nach Madrid
10Schön, dass du wieder da bist
11Obenunten
12Sieger
13Leben
14Legende
CD + DVD Video 2
1Zwischen den Zeiten (Proben)
2Das muss Liebe sein (Mehr Chöre!)
3Liebeslied (Folly Who?)
4Mein Herz bleibt hier (In Oleg's Studio)
5Berlin, was willst du von mir? (Mehr Sterne!)
6Obenunten (Gepflegt gechilled)
7Labyrinth (Das Monster liegt mir am Herzen)
8Moped (Abspann)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2010

Logische Radaubrüder
Mit der Wut der Opulenz: Madsen spielen sich frei

Sie können nicht singen. Sie können nur schreien. Denn die ganze Wut muss hinaus und hinein in die Welt. Sie regen sich auf - laut und brachial, mit Krawall und Remmidemmi. Das wirkt und treibt an, weil es vor Energie und Tempo strotzt. Mit voller Breitseite trifft einen dann die Musik der immer noch jungen Band Madsen. Auch auf dem gerade erschienenen Album "Labyrinth" zeigen die rockigen Radaubrüder wieder ihre Kraft im Depressiven, wenn auch nur zum Teil. Besonders gelingt das im harten, schnellen, aggressiven Lied "Blockade", einem langen Schrei des Unwillens darüber, das nicht zu schaffen, was man doch zu gern möchte. Und auf der anderen Straßenseiten lauert das gute Leben, dort scheint die Sonne, dort wird gespielt und Kaffee getrunken, dort warten die "richtig geilen Secondhandshops". Doch seine Füße bleiben stehen, schreit Sebastian Madsen voller Wut, als könne er nichts machen und wäre gewissermaßen gefangen im Sein.

Er ist der fragile Frontmann, der achtundzwanzig Jahre alte Kopf der Band, er singt, spielt Gitarre und schreibt die Lieder, bevor sie gemeinsam mit den Kollegen im Probenraum und Studio weiterentwickelt werden. Die Kollegen sind sein älterer Bruder Johannes an der Gitarre, sein jüngerer Bruder Sascha am Schlagzeug und Niko Maurer am Bass. Die Geschichte der Band ist vor allem die ihres Frontmanns, weil ihre Musik davon lebt, wie er seine Gefühle in Ton und Text vermittelt und damit teilweise geniale Momentaufnahmen schafft. Wenn man seine Biographie kennt, schimmert sie immer wieder durch - wie in "Berlin", dem anderen klaren Krawallsong des Albums. In die Stadt zog es Sebastian Madsen 2004 zum Studieren im Glauben, dass alle Studenten Tocotronic hören. Aber er schaffte es nur in eine Vorlesung, beim zweiten Mal fand er den Raum nicht und verkroch sich in sein Bett. Er kehrte danach in die niedersächsische Provinz, ins heimische Wendland, zurück, unterschrieb kurz darauf glücklicherweise einen Plattenvertrag und fand in der Musik den Halt, den er braucht. Bei seinen Eltern hat die Band immer noch ihren Probe- und Aufnahmeraum, aber er wohnt seit drei Jahren wieder in Berlin und fragt sich im gleichnamigen Lied immer noch, was die große Hauptstadt von ihm will, in der alle Menschen so hetzen, drängeln, schreien und dabei auch noch glücklich wirken.

Auch er scheint nun angekommen zu sein. Zumindest benennt Sebastian Madsen etwas seicht seinen Gemütszustand in "Zwischen den Zeiten", wenn er von den vielleicht besten Zeiten seines Lebens singt - und nicht schreit. Denn die Band ist nicht mehr nur aggressiv, auch auf der neuen Platte brüllen sie nicht ausschließlich. Sie haben sich dieses Mal mehr Zeit gelassen und erstmals eine Vision für ein Album. "Wir machen im Madsen-Kosmos Stadionrock mit einem Augenzwinkern - so weit das uns möglich ist", sagt Sebastian Madsen. Im Vergleich zu den drei vorherigen Alben springt das neue Werk damit auch am weitesten; alles klingt glatter und dennoch verspielter, während sich die Songs viel mehr unterscheiden als auf den Alben "Madsen", "Goodbye Logik" und "Frieden im Krieg". Man experimentiert auf diesem Album, das Olaf Opal produziert hat, mit viel Klavier, Akustikgitarren, Dudelsäcken, Beats und Chören. Und man will für Opulenz sorgen und Größe erzeugen. Darunter lässt sich auch der monumentale Titelsong "Labyrinth" einordnen und abhaken. Manches Lied, vor allem mancher Anfang, ist deswegen schwerer zugänglich. Nur gut, dass es trotzdem immer wieder zum Krawallgeschrei kommt wie in "Mein Herz bleibt hier" und "Das muss Liebe sein". Damit weiterhin gilt: Man muss sie laut hören, um auch die Nachbarn zu stören.

Aber Madsen sind eben mehr als nur punkige Radaubrüder. Das klingt im langsamen "Obenunten" durch, einer kleinen Popperle, die umschreibt, wie vieles verschwimmt, während man sich nach Liebe sehnt - und in dem plötzlich auch eine weibliche Stimme als Gegenpol zu Sebastian Madsen auftaucht. Wispernd zauberhaft singt Lisa Nicklisch vom Ertrinken im Meer vor seiner Tür. Sie wird auch mit auf Tournee gehen, als Ersatz am Keyboard, da der bisherige Tastenmann Folkert Jahnke die Platte zwar noch eingespielt, aber danach die Band verlassen hat.

Früher dröhnte dagegen mit Madsen der Zerfall von Nähe aus den Boxen, während wir mitschrieen. Oder von der Ungewissheit, von der Erschöpfung, von dem Wunsch zu lügen. Nun aber präsentieren uns Madsen auch die schönen Seiten, die wir umso mehr mit anderen teilen wollen. Von der Zuversicht, von einer Fahrt mit dem Moped nach Madrid ohne Sprit, vom Wiedersehen nach langer Zeit. Und ganz besonders von jenem Ankommen in "Zwischen den Zeiten": "Ich stehe hier zwischen den Zeiten / Kann alles sehen alles begreifen / Ich will bleiben nie wieder gehen / Will dich halten und mit dir schweben / Denn es ist vielleicht die beste Zeit in unserem Leben." Und wer will diese Zeilen nicht hören, solange sie wahr sind?

JAN HAUSER

Madsen, Labyrinth. Vertigo 6337754 (Universal)

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