Produktdetails
Trackliste
CD
1Bixby Canyon Bridge00:05:15
2I Will Possess Your Heart00:08:25
3No Sunlight00:02:40
4Cath...00:03:49
5Talking Bird00:03:23
6You Can Do Better Than Me00:01:59
7Grapevine Fires00:04:08
8Your New Twin Sized Bed00:03:06
9Long Division00:03:49
10Pity And Fear00:04:21
11The Ice Is Getting Thinner00:03:45
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.05.2008

Kabelsalat, angemacht
Death Cab For Cutie rocken einfach laut los

Wir haben manche unserer Lieder bestimmt schon fünftausendmal gespielt, erzählte Benjamin Gibbard vor drei Jahren, als er in einem gesichtslosen Berliner Hotelzimmer das neue Album seiner Band Death Cab For Cutie vorstellte. Es hieß "Plans", wurde sehr gelobt und verkaufte sich gut, markierte aber zugleich den Wechsel einer Band vom intimen Kreis aus Verehrern zu einem internationalen Massenpublikum, von Tourneen, bei denen die vier aus Seattle sich bei Freunden auf dem Fußboden zum Schlafen zusammengerollt hatten, zu Interview-Terminen in anonymen Hotelzimmern, sonstwo auf der Welt.

Fünftausendmal dasselbe Lied, vom Probenraum auf die Bühne und in den Saal, wo es aus den Mündern ergeben mitsingender Fans zurückschallt, verdoppelt und verdreifacht wird: Das hört sich furchtbar öde an, selbst wenn es sich dabei um ein wunderbares Lied wie "Transatlanticism" handelt, das jenem Album seinen Titel gab, mit dem Death Cab For Cutie sich im Jahr 2003 endgültig als die maßgebend sensible, genialische, kluge amerikanische Gitarrenband unter dreißig etablierten. Die nächste Platte "Plans", für die Death Cab For Cutie vom kleinen Label Barsuk zum multinationalen Konzern Atlantic wechselten, hat diesen Ruf dann nur kommerziell gefestigt; Marketing wie Vertriebswege wurden dafür professionalisiert. Viele haben der Band das als Ausverkauf übelgenommen, was natürlich ideologischer Unsinn war: Ist die Welt nicht besser dran, wenn die schönste Musik auch die bekannteste ist?

Jetzt erscheint "Narrow Stairs", das sechste Album mit elf neuen Liedern. Wenn man die Geschichte mit den Wiederholungen im Kopf hat, versteht man sehr gut, warum Death Cab For Cutie dafür vom geschmeidigen, vielspurigen Sound des Vorgängers "Plans" zurückgekehrt sind zu einer gedrosselten Studiotechnik und zu polaroidartig, spontan geschossenen Kompositionen - der Spaß drohte offenbar auszugehen. Und so stemmten sich Death Cab For Cutie gegen den Trott, gegen alle Pläne, die ihrer letzten Platte noch den Namen gegeben hatten. "Narrow Stairs" klingt jetzt, als hätten die vier Bandmitglieder auf den Aufnahmeknopf gedrückt, einmal tief durchgeatmet und losgelegt, gegen jede Routine einfach losgelegt.

Eine angenehm zeitgemäße, oft auch schön laute Rockplatte ist so dabei herausgekommen, rauh, wie Death Cab For Cutie lange schon nicht mehr rauh waren. Dennoch wirken Lieder wie "Bixby Canyon Bridge" oder "No Sunlight" vertraut, weil Ben Gibbard und Chris Walla, die Köpfe der Band, seit dem allerersten, noch auf Kassette veröffentlichen Album von 1997 an ihrer Version des literarischen Popsongs arbeiten und dies natürlich auch auf "Narrow Stairs" weiter tun. Wie Death Cab For Cutie klingt kaum eine zweite Band. Und das liegt nicht nur an ihren herbstlaubhaft verwehten Melodien, sondern vor allem an Ben Gibbard: Der ist immer noch in der Lage, in wenigen Worten einen Roman zu erzählen. Was vor mehr als zehn Jahren in der Studentenstadt Bellingham im verregneten Nordwesten Amerikas als Collegepoesie Hochbegabter begann, ist zur Autorenstimme geworden. Gibbard ist ein großer Fan von Raymond Carver, die ganze Band liebt dessen Lakonie, und das färbt auf das verwehte Laub ab.

Im Booklet hat Gibbard seine Liedzeilen diesmal ohne Punkt, nur mit Komma aneinandergekettet. So lesen sie sich hastiger, atemloser, als er sie mit seinem jungenhaft hellen Tenor singt: "You can do better than me / but I can't do better than you" heißt es im vielleicht traurigsten Moment der Platte. Und für traurige Momente waren Death Cab For Cutie immer gut, das haben auch die Leute vom Fernsehen erkannt: "Transatlanticism" muss ständig herhalten, wenn es ans Eingemachte geht, erst bei der Totengräberserie "Six Feet Under", jetzt sogar schon bei den Kriminaltechnikern von "CSI Miami".

Aber auch das, die erwartbare Produktion epischer Musik, kann ein Zwang sein. Deswegen freute sich die Band sehr darüber, wenn im Studio etwas schiefging. Als sie an "I will Possess Your Heart" herumprobierte, welches die erste Single der neuen Platte werden sollte, trat der Bassist Nick Harmer versehentlich das Kabel aus seinem Instrument. Der Ton setzte aus, plötzlich hing das Lied, das von einer ähnlich ungleichen Liebe handelt wie "You Can Do Better than Me", in der Luft und dort lässig ab, beinah klingt es wie Soul - ein genialer Fehler, auf den so viele Musiker hoffen und der die Richtung verändert.

Genau das, den Richtungswechsel also, haben Death Cab For Cutie mit aller Kraft auf "Narrow Stairs" versucht und geschafft. Schon bald werden sie wohl auch diese elf neuen Lieder zum fünftausendsten Mal gespielt haben. Aber Trott kann eine Band in Bewegung halten.

TOBIAS RÜTHER

Death Cab For Cutie, Narrow Stairs. Atlantic 899465 (Warner)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr