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"Whatever spark or gift I possess has been transmitted to Lucia and it has kindled a fire in her brain" James Joyce, 1934 Most accounts of James Joyce's family portray Lucia Joyce as the mad daughter of a man of genius, a difficult burden. But Carol Loeb Shloss reveals a different and more dramatic truth: Joyce loved Lucia and they shared a deep creative bond. Lucia was born in a pauper's hospital and educated haphazardly across Europe as her penniless father pursued his art. She wanted to strike out on her own and in her twenties emerged, to Joyce's amazement, as a harbinger of expressive…mehr

Produktbeschreibung
"Whatever spark or gift I possess has been transmitted to Lucia and it has kindled a fire in her brain" James Joyce, 1934 Most accounts of James Joyce's family portray Lucia Joyce as the mad daughter of a man of genius, a difficult burden. But Carol Loeb Shloss reveals a different and more dramatic truth: Joyce loved Lucia and they shared a deep creative bond. Lucia was born in a pauper's hospital and educated haphazardly across Europe as her penniless father pursued his art. She wanted to strike out on her own and in her twenties emerged, to Joyce's amazement, as a harbinger of expressive modern dance in Paris. Lucia was a child of the imaginative realms her father created, and even after emotional turmoil wrought havoc with her and she was hospitalised in the 1930s he saw in her a life lived in tandem with his own. Though most of the documents about Lucia have been destroyed, in this important book Shloss painstakingly reconstructs the poignant complexities of her life.
Autorenporträt
Carol Loeb Shloss teaches English at Stanford University. She has written extensively on Joyce and other modernists and is the author of three other books including a story of Flannery O'Connor. She lives in Palo Alto, California.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.2007

Dein Vater ist im Schlaf
Tochters Erwachen: Die große Biographie der Lucia Joyce

"Sie sagen mir, mein Vater ist gestorben", schrieb Lucia Joyce Anfang der fünfziger Jahre der ehemaligen Verlegerin ihres Vaters, der Amerikanerin in Paris, Sylvia Beach; und wenige Wochen später: "Sie sagen mir, meine Mutter ist gestorben." James Joyce, der Vater, starb 1941; die Mutter Nora war auch schon zwei Jahre tot. Neue Medikamente hatten der seit den dreißiger Jahren psychisch Erkrankten zu einem allmählich wieder erwachenden Bewusstsein verholfen.

In der Princetoner Bibliothek stieß ich vor Jahrzehnten auf diese Briefe. Ich hielt inne, erspürte mit einiger Scheu im Dokument eine intime Begegnung über die Tochter mit dem Vater, dem, in den Zeugnissen zu den Werken, mein Forschungsinteresse galt. Zaghaft tastete sich die Schreiberin zurück zum einstigen Mittelpunkt ihres Lebens. Die Sehnsucht der Tochter richtete sich auf den brennend geliebten Vater, der doch bereits, als er noch lebte, ihr ganz privat sehr nahe wie öffentlich sehr entrückt, immer schon der James Joyce von absolut selbstbezogener wie alle Intimität überschreitender Genialität gewesen war - und ebendarin seine epochale Bedeutung für den Geist des zwanzigsten Jahrhunderts erlangte.

Die Schlüsselrolle des Vater-Tochter-Verhältnisses in dieser Schizophrenie der Intimität - und vornehmlich dabei die kreativen Bewältigungsstrategien beider gegenüber deren Unerträglichkeiten - durchforscht die umfangreiche Studie von Carol Loeb Shloss zu Lucia Joyce, die, nach ihrem Ersterscheinen 2003 in Amerika, nun auch auf Deutsch vorliegt.

Ins Selbstbild des Künstlers zwar geht zumeist die Wahrnehmung mit ein, auch im Privatesten öffentlich zu sein. Nur selten aber teilen seine Angehörigen und Erben ein solches Bewusstsein. Das Erscheinen der kritischen und synoptischen Ausgabe von James Joyce' "Ulysses" war mir und den Veranstaltern des Internationalen James-Joyce-Symposions in Frankfurt am Bloomsday 1984 Anlass, das symbolisch erste Exemplar dem Enkel des Autors, Stephen James Joyce, zu überreichen. Seinen bewegten Dank wandelte er rasch zur erregten Geißelung der versammelten Joyce-Zunft dafür, dass sie aus seinem Großvater Profit schlage, ja, gar die Joycesche Privat- und Intimsphäre missachte.

Direkte Zielscheibe war damals noch der im Saal selbst anwesende Joyce-Biograph und Briefherausgeber Richard Ellmann. Inzwischen sind es alle Biographen, Editoren, jeder, der, auf Joyce-Dokumente gestützt, forschen und veröffentlichen möchte. Dagegen hat auch die denkwürdige Konstellation in Venedig vier Jahre nach Frankfurt nichts ausgerichtet. Gegen den Joyce-Enkel sprachen die Tochter Ezra Pounds wie der Sohn von William Butler Yeats. Sie stellten sich beredt der überfamiliären Bedeutung ihrer Väter und ihrer eigenen Verantwortung für das kulturelle Erbe als öffentlichen Gemeinbesitz an deren Werk. Sie appellierten an Stephen James Joyce, sich als Nachgeborener in solchem Sinne zu verstehen, und beschworen ihn insbesondere, seinen angekündigten Entschluss nicht wahr zu machen, die Briefe seiner Tante Lucia aus seinem Besitz zu verbrennen.

In solche Turbulenzen hinein hat Carol Loeb Shloss ihr Buch über Lucia Joyce gesetzt. Weit schärfer noch als vor ihr die Nora-Joyce-Biographin Brenda Maddox hat sie den Gegenwind der Zugangs- und Rechteverweigerung seitens des James Joyce Estate zu spüren bekommen, des öffentlichen Arms also des Enkels als Privatmann. Selbst das abgeschlossene Buch wäre womöglich nicht erschienen, hätte ihr amerikanischer Verlag sich dem Druck gebeugt, dem auch er ausgesetzt wurde. Diese Vorgänge sind mittlerweile gerichtskundig geworden. Denn um 2003 die Veröffentlichung durchzusetzen, haben sich die Autorin und der Verlag damals taktisch darauf eingelassen, einen Großteil der Dokumentation der dargestellten Forschungsergebnisse nicht beizugeben. Sie wurde auf einer Website verwahrt. Den Zugang hierzu, zumindest für Amerika, haben erst vor kurzem die Urheberrechtsspezialisten der Juristischen Fakultät der Stanford University für ihre Kollegin aus den Geisteswissenschaften mittels einer (schließlich verglichenen) Klage erwirkt. Zum Zeitpunkt ihres Erscheinens auf Deutsch hat die Biographie also bereits ein Kapitel Urheberrechtsgeschichte mit geschrieben wie einst schon der "Ulysses".

Der Untertitel "Die Biographie der Tochter" verflacht, was der Originaltitel "To Dance in the Wake" vielschichtig zum Anspruch wie zur Anlage des Buches benennt. Der Tanz war die Ausdrucks- und Lebensform, in die sich die erwachsen werdende Lucia Joyce einzeichnete. Ohne sie von vornherein unter den Schatten der späteren Schübe zur Geisteserkrankung zu rücken, schildert uns das Buch zuerst eine hochkünstlerische, im Körper und allen Sinnen lebende, sensible junge Frau, freizügig im Paris der zwanziger Jahre, dessen Jugendgeneration sich der pulsierenden, kosmopolitischen und in allen Künsten avantgardistischen Nachkriegsatmosphäre hingab. Dort und dorthin tanzt Lucia dennoch von vornherein "in the wake", im Kielwasser: im Kielwasser der unsteten Ortswechsel der Familie Joyce von Triest nach Zürich nach Triest nach Paris und da von Wohnung zu Wohnung; im Kielwasser auch des Ruhmes des Vaters, zumal seit dessen Durchbruch zu Weltgeltung nach dem Erscheinen des "Ulysses" 1922; im Kielwasser am zerrüttendsten schließlich der nie einzuholenden Kreativität des Vaters, welche Lucia gleichwohl als ihrer eigenen Künstlerschaft verwandt wahrnahm. Die Verwandtschaft im Geist, im Empfinden, in der Kunst sah hellsichtig auch der Vater. Dies bildet einen Strang zur Darstellung der Lucia Joyce.

"To Dance in the Wake" heißt aber auch, dass Lucia Joyce durch "Finnegans Wake" tanzt. Wagnis wie imaginative Leistung der Autorin ist es, in ständigem Lektüreabgleich von biographischen Zeugnissen und Fremdaussagen, von zugänglichen Briefen und Korrespondenzresten und vom Werktext "Finnegans Wake" die tiefe, hochsensible, symbiotisch gefährliche wie bedrohte, zerstörerische Vater-Tochter-Beziehung zu erschließen. Daraus werden Werkdeutung und Biographie. Die Wahrnehmung des James Joyce über das Biographische erhält Perspektiven und Dimensionen, die sich bisher allenfalls schemenhaft abzeichneten, und zur Werkdeutung werden hier womöglich Schlüssel schon bereitgestellt, für welche die Literaturwissenschaft vielfach erst noch die Schlösser bauen müsste.

Aus dem Experimentalcharakter solcher Lektüre erklärt sich wohl die teilweise kontroverse Aufnahme, die das Buch in der Joyce-Wissenschaft schon erfahren hat. Mancherorts noch gilt ein Tabuverbot für Textanalyse aus Biographie, völlig missachtend, dass Joyce selber längst Menschen und ihre Lebensäußerungen ins Geflecht der Intertexte seines Schreibens einbezogen hat. Indem sie als Issy, Isolde, Anna Livia Plurabelle, Nuvoletta und gar als Choreographie der Regenbogenmädchen in "Finnegans Wake" tanzt, tritt uns in Umkehr des Blickes letztlich Lucia selbst als Intertext zu dessen Dichtungsgefüge entgegen. Die Biographie zur Person durchzugestalten ist dann ebenso ein Experiment des intertextuellen Lesens gewesen wie die gegenseitige Bezugsetzung von Werktext des Vaters und Lebensäußerung der Tochter.

Unter den Vernichtern von Belegen und Zeugnissen zu Lucia steht Stephen James Joyce (wenn überhaupt) erst am Ende einer Kette, die bei ihren Eltern und ihrem Bruder anfing und bei ihren Mitmenschen bis zu Lucias Tod nicht abriss. Der alte positivistische Weg zur Biographie, Material in Fülle aufzuhäufen und es, allenfalls durchlichtet, an einem Erzählfaden aufzuhängen, war nicht gangbar. Nur eine Darstellung sozusagen aus Leerstellen war möglich, ein Entwurf der Lucia Joyce und ihres Lebens aus vielfachen Perspektivierungen und Brechungen der Zeitbilder ihrer Lebensphasen wie vieler Menschen, die sie kannten oder auch nur, wie Amtspersonen und Ärzte, mit ihr zu tun hatten. Es erscheint der Person wie der Zeit, in der sie lebte, seltsam adäquat, dass Carol Loeb Shloss weniger ein Abbild nach dem Leben gemalt als vielmehr, notgedrungen, ein gleichsam kubistisches Porträt der Lucia Joyce gestaltet hat. Akzeptieren wir diese Bedingtheit, gewinnt die Studie daraus ihre eigene Faszination.

Gegen Ende, da im Buch die Krankheitsgeschichte die Oberhand gewinnt, läuft es dann doch ins Fahrwasser positivistischer Darstellung ein. Das kann uns jedoch, zumal als deutsche Leser, nicht beruhigen. Denn die Katastrophe der völligen Trennung Lucias von ihrer Familie, welche James Joyce' Tod beschleunigte, hatte ihre Ursache in der Flucht der Joyces aus Paris vor dem deutschen Einmarsch, während die Institution, in der Lucia in der Bretagne gehalten wurde, unter der Willkür deutscher Besatzung stand, die jeden Versuch des Heimholens scheitern ließ.

Auch die deutsche Übersetzung kann uns leider nicht ganz ruhig lassen. Michael Müller hat zwar die originalen 560 Seiten in 653 Seiten umgesetzt. Was das Buch mitteilen möchte - und vielleicht galt das für eine Biographie als hinreichend? -, kommt einigermaßen auch auf Deutsch herüber. Was das Original jedoch aus seiner Sprache unmittelbar an Verständnis zum Schwingen bringen möchte, bleibt wiederholt auf der Strecke. Wie etwa die Verfasserin schon auf einer der frühen Seiten die Figuren ihrer Darstellung wahrnimmt, ist schlicht ausgelassen und bleibt ihr also auf Deutsch verwehrt auszusprechen: "Here was the legendary pearl of great price whose father, of all fathers on earth, was exquisitely equipped to recognize its value."

HANS WALTER GABLER

Carol Loeb Shloss: "Lucia Joyce". Die Biographie der Tochter. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Michael Müller. Knaus Verlag, München 2007. 680 S., zahlr. Abb., geb., 29,95 [Euro].

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