Rio consists of a slipcase containing the work of two photographers who portray Rio de Janeiro in a visual dialogue spanning different centuries. Book one showcases 19th-century photographer Marc Ferrez s classical work on the city where he was born and spent his life and five-decade career, from the mid-1860s to the early 1910s. Ferrez s complete archives of glass plates and vintage prints are today housed at the Instituto Moreira Salles (IMS) in Rio de Janeiro and have been scanned anew for this edition.
Book two presents a project developed by IMS with Robert Polidori over the past five years, for which Polidori extensively photographed Rio, emphasizing its contemporary dynamic and dense urban configuration. Polidori contextualizes today s Rio within the natural settings from which the city grew, and which have defined its iconic international profile throughout history. This tension between the natural and built environments, also significant in Ferrez s work, is a defining reference for Rio s inhabitants and shapes both their past and present cultures.
Co-published with Instituto Moreira Salles, Rio de Janeiro.
Book two presents a project developed by IMS with Robert Polidori over the past five years, for which Polidori extensively photographed Rio, emphasizing its contemporary dynamic and dense urban configuration. Polidori contextualizes today s Rio within the natural settings from which the city grew, and which have defined its iconic international profile throughout history. This tension between the natural and built environments, also significant in Ferrez s work, is a defining reference for Rio s inhabitants and shapes both their past and present cultures.
Co-published with Instituto Moreira Salles, Rio de Janeiro.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.05.2015Glanz in Millionen Augen
Zweimal Rio de Janeiro, fotografiert im Abstand von mehr als hundert Jahren von Marc Ferrez und Robert Polidori
Marc Ferrez und Robert Polidori sind herausragende Architekturfotografen. Beide wählen den großen Auftritt. Beide nähern sich dem Sehnsuchtsort Rio de Janeiro. Allerdings tun sie dies durch den Abstand eines Jahrhunderts getrennt. Eine opulente, auf Englisch kommentierte Doppeledition stellt sie nun einander gegenüber.
Marc Ferrez, dessen Familie aus Paris stammte, kam 1843 als sechstes Kind eines Bildhauers in Rio de Janeiro zur Welt. Schon im Alter von 17 Jahren eröffnete er als freier Fotograf ein Studio im Zentrum der Stadt. Ferrez war fasziniert von neuen Technologien. Auf spiegelglatt polierten Kupferplatten produzierte er nuancierte Ansichten der Landschaft und der Architektur. Mit dieser Technik gelangen ihm herausragende Aufnahmen der neu entstehenden Prachtboulevards.
Seine großformatigen Massenszenen dokumentieren, wie die Menschen sich ihre Stadt aneigneten. Nur wenige Bilder zeigen leere Straßen. Ferrez’ Botschaft: Diese Stadt will gesehen werden, ja, sie fordert den Glanz in den Augen ihrer Bewohner. 1878 brachte Ferrez eine hochmoderne rotierende Panoramakamera aus Paris mit nach Rio. Mit ihrer Hilfe schuf er Bilder, die aus einem einzigen Negativ von mehr als einem Meter Länge entstanden und inszenierte seine Stadt inmitten ihrer Landschaft vor dem Ozean wie ein Juwel.
Der kanadische Fotojournalist Robert Polidori kam erstmals 1999 nach Brasilien. Seine Arbeiten zu Rio entstanden 2014. Mehr als ein Jahrhundert nach Marc Ferrez reagierte auch er auf die kraftvolle Präsenz der Natur, von der die sich stetig ausbreitende Stadt umgeben ist. Doch birgt das Charisma von Rio de Janeiro die Gefahr, sich vollkommen davon vereinnahmen – oder zur Verzweiflung treiben zu lassen. Wie Thomas Bernhard, der in Neapel sagte: „Den Vesuv zu sehen ist für mich eine Katastrophe: Millionen, Milliarden Menschen haben ihn bereits gesehen.“
Im Zeitalter der Selfies, in dem Reisende über alle möglichen Foto-Gimmicks und Apps verfügen, um das vor ihren Augen liegende Panorama dem eigenen Album einzufügen, stellt sich Polidori die Frage, wie man überhaupt noch ein prägnantes Bild der Ikone Rio schaffen könne. Er entschied sich für den Frontalangriff.
Er benutzte – wie Marc Ferrez – eine Großformatkamera, schoss dann mehrere Bildfolgen, die er digital zusammensetzte. Mit seinen extremen Weitwinkelansichten trägt der 64-Jährige dem geografischen Setting Rio de Janeiros Rechnung, dem die Gegensätze der Stadt wie eingraviert scheinen. Es gelingt ihm, mit seiner Kamera einzufangen, was die brasilianische Sechs-Millionen-Metropole ausmacht: die vom Dschungel überwucherten Berge, die privilegierten Domizile der Zona Sul am Strand, die Favelas, die in direkter Nachbarschaft die Hügel hinaufwachsen, das Meer und die bauchigen Granitfelsen, von denen die Stadt eingerahmt und streng begrenzt wird.
MICHAELA METZ
Marc Ferrez / Robert Polidori: Rio. In englischer Sprache. Steidl Verlag, Göttingen 2015. 506 Seiten, 95 Euro.
1865 war Rios berühmter Stadtteil Copacabana noch ein Fischerdorf ohne Anschluss zum Zentrum der Stadt. Erst nach der Sprengung eines großen Felsens kam das quirlige Volk mit der Tram zum Strand von Copacabana und machte den verschlafenen Vorort zum populärsten Ort Brasiliens. Im Hintergrund ist der 533 Meter hohe Zwei-Brüder-Felsen zu sehen.
Foto: Steidl Verlag
Noch immer eine Stadt vor Hügelsilhouette: 2014 fotografierte Robert Polidori den Stadtteil Catumbi im Norden.
Foto: Steidl
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Zweimal Rio de Janeiro, fotografiert im Abstand von mehr als hundert Jahren von Marc Ferrez und Robert Polidori
Marc Ferrez und Robert Polidori sind herausragende Architekturfotografen. Beide wählen den großen Auftritt. Beide nähern sich dem Sehnsuchtsort Rio de Janeiro. Allerdings tun sie dies durch den Abstand eines Jahrhunderts getrennt. Eine opulente, auf Englisch kommentierte Doppeledition stellt sie nun einander gegenüber.
Marc Ferrez, dessen Familie aus Paris stammte, kam 1843 als sechstes Kind eines Bildhauers in Rio de Janeiro zur Welt. Schon im Alter von 17 Jahren eröffnete er als freier Fotograf ein Studio im Zentrum der Stadt. Ferrez war fasziniert von neuen Technologien. Auf spiegelglatt polierten Kupferplatten produzierte er nuancierte Ansichten der Landschaft und der Architektur. Mit dieser Technik gelangen ihm herausragende Aufnahmen der neu entstehenden Prachtboulevards.
Seine großformatigen Massenszenen dokumentieren, wie die Menschen sich ihre Stadt aneigneten. Nur wenige Bilder zeigen leere Straßen. Ferrez’ Botschaft: Diese Stadt will gesehen werden, ja, sie fordert den Glanz in den Augen ihrer Bewohner. 1878 brachte Ferrez eine hochmoderne rotierende Panoramakamera aus Paris mit nach Rio. Mit ihrer Hilfe schuf er Bilder, die aus einem einzigen Negativ von mehr als einem Meter Länge entstanden und inszenierte seine Stadt inmitten ihrer Landschaft vor dem Ozean wie ein Juwel.
Der kanadische Fotojournalist Robert Polidori kam erstmals 1999 nach Brasilien. Seine Arbeiten zu Rio entstanden 2014. Mehr als ein Jahrhundert nach Marc Ferrez reagierte auch er auf die kraftvolle Präsenz der Natur, von der die sich stetig ausbreitende Stadt umgeben ist. Doch birgt das Charisma von Rio de Janeiro die Gefahr, sich vollkommen davon vereinnahmen – oder zur Verzweiflung treiben zu lassen. Wie Thomas Bernhard, der in Neapel sagte: „Den Vesuv zu sehen ist für mich eine Katastrophe: Millionen, Milliarden Menschen haben ihn bereits gesehen.“
Im Zeitalter der Selfies, in dem Reisende über alle möglichen Foto-Gimmicks und Apps verfügen, um das vor ihren Augen liegende Panorama dem eigenen Album einzufügen, stellt sich Polidori die Frage, wie man überhaupt noch ein prägnantes Bild der Ikone Rio schaffen könne. Er entschied sich für den Frontalangriff.
Er benutzte – wie Marc Ferrez – eine Großformatkamera, schoss dann mehrere Bildfolgen, die er digital zusammensetzte. Mit seinen extremen Weitwinkelansichten trägt der 64-Jährige dem geografischen Setting Rio de Janeiros Rechnung, dem die Gegensätze der Stadt wie eingraviert scheinen. Es gelingt ihm, mit seiner Kamera einzufangen, was die brasilianische Sechs-Millionen-Metropole ausmacht: die vom Dschungel überwucherten Berge, die privilegierten Domizile der Zona Sul am Strand, die Favelas, die in direkter Nachbarschaft die Hügel hinaufwachsen, das Meer und die bauchigen Granitfelsen, von denen die Stadt eingerahmt und streng begrenzt wird.
MICHAELA METZ
Marc Ferrez / Robert Polidori: Rio. In englischer Sprache. Steidl Verlag, Göttingen 2015. 506 Seiten, 95 Euro.
1865 war Rios berühmter Stadtteil Copacabana noch ein Fischerdorf ohne Anschluss zum Zentrum der Stadt. Erst nach der Sprengung eines großen Felsens kam das quirlige Volk mit der Tram zum Strand von Copacabana und machte den verschlafenen Vorort zum populärsten Ort Brasiliens. Im Hintergrund ist der 533 Meter hohe Zwei-Brüder-Felsen zu sehen.
Foto: Steidl Verlag
Noch immer eine Stadt vor Hügelsilhouette: 2014 fotografierte Robert Polidori den Stadtteil Catumbi im Norden.
Foto: Steidl
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