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Die Nachricht vom 24. Juli 1938 war eine Sensation: Die vier Bergsteiger Anderl Heckmair, Wiggerl Vörg, Heinrich Harrer und Fritz Kasparek hatten als erste Menschen die Eiger-Nordwand erfolgreich durchstiegen, unter anderem auch deshalb, weil ihre Steigeisen Frontzacken aufwiesen: 'Damals aber sind all unsere Vorgänger an der noch unentwickelten und unsachgemässen Ausrüstung zugrunde gegangen', wie Heckmair erläutert. Die beiden Profi-Bergsteiger Stephan Siegrist und Michal Pitelka aus Interlaken wollen nachvollziehen, was sich damals bei der Erstbegehung in der Nordwand abgespielt hat. Ein…mehr

Produktbeschreibung
Die Nachricht vom 24. Juli 1938 war eine Sensation: Die vier Bergsteiger Anderl Heckmair, Wiggerl Vörg, Heinrich Harrer und Fritz Kasparek hatten als erste Menschen die Eiger-Nordwand erfolgreich durchstiegen, unter anderem auch deshalb, weil ihre Steigeisen Frontzacken aufwiesen: 'Damals aber sind all unsere Vorgänger an der noch unentwickelten und unsachgemässen Ausrüstung zugrunde gegangen', wie Heckmair erläutert. Die beiden Profi-Bergsteiger Stephan Siegrist und Michal Pitelka aus Interlaken wollen nachvollziehen, was sich damals bei der Erstbegehung in der Nordwand abgespielt hat. Ein Jahr lang bereiten sie sich vor und gehen auf die Suche nach dem alten Material, befragen die noch lebenden Erstbegeher Anderl Heckmair und Heinrich Harrer, lassen sich nach historischen Mustern Hanfseile zwirnen, Schuhe anfertigen und Steigeisen schmieden. Der Fotograf und Kameramann Thomas Ulrich begleitet sie dabei mit der Kamera - und schliesslich auch auf ihrem faszinierenden Abenteuer, der Begehung der Eiger-Nordwand auf der Route und mit der Ausrüstung der Erstbegeher: eine packende Zeitreise, die auf dem Gipfel des Eigers endet. Die historische Kleidung und die alte Ausrüstung in Verbindung mit den technischen Mitteln und den neuen Perspektiven derheutigen Fotografie lassen eine besondere Hommage an die Pioniere von 1938 entstehen. Dem Betrachter ermöglichen die Bilder, die spannende Erstbegehung durch Heckmair, Vörg, Kasparek und Harrer unmittelbar nachzuerleben.
Autorenporträt
Thomas Ulrich, Jahrgang 1967, Zimmermann, Bergführer und Fotograf, der sich über Jahre autodidaktisch an seine Bilder herangetastet hat. Mit seiner norwegischen Frau Aasta und ihren drei Mädchen Linn, Silje und Julie lebt Thomas im Berner Oberland. Hier entstehen viele seiner Fotos, etwa spektakuläre Aufnahmen aus dem Outdoor-Bereich. Die Bilder von Thomas werden weltweit publiziert, zugleich ist er als Bergsteiger - mit Touren wie erste Winterbegehung der Ferrari-Route am Cerro Torre in Patagonien -, Abenteurer (unlängst gelang ihm zusammen mit BoergeOusland die Durchquerung des Hielo Contintental Sur, ebenfalls in Patagonien, ohne Unterstützung von aussen) und neuerdings auch als erfolgreicher Kameramann am Berg bekannt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.05.2003

Und wieder ruft das Todesbiwak
Das Bild ist der Zweck der Tat: Thomas Ulrich dokumentiert seine Retro- Besteigung der Eiger Nordwand
Eigernordwand: Wenige Namen aus der Welt des Gebirges dürften auch Flachlandbewohnern so geläufig sein wie dieser. Der für seine Wetterstürze berüchtigte, von Eis- und Steinlawinen überspülte Felsabsturz galt in den Dreißigerjahren als eines der letzten großen „Probleme” des Alpinismus. Als einer Vierer-Seilschaft unter der Führung von Anderl Heckmair 1938 zum ersten Mal die Durchsteigung gelang, war das eine europaweit beachtete Sensation. Sie wurde freilich sofort propagandistisch ausgeschlachtet: Wie geschaffen zur politischen Allegorie hatten sich die vier, die Deutschen Heckmair und Wiggerl Vörg und die Österreicher Fritz Kasparek und Heinrich Harrer, erst unterwegs zu einer gemeinsamen Seilschaft verbunden.
Zur politischen Heldensaga im Jahr des „Anschlusses” der „Ostmark” konnte der Aufstieg aber nur umgedichtet werden, weil die Eigerwand da bereits zu einer „vertikalen Arena” (Daniel Anker) geworden war – was sie bis heute blieb. Den Beobachtern von einer gegenüber liegenden Hotelterrasse bietet sich durchs Fernrohr das Live-Spektakel eines Kampfes auf Leben und Tod, wenn nicht Wolken vor die Wand ziehen wie ein Vorhang, der das Schlimmste den Blicken verbirgt. Gerade diese dramatischsten Situationen dokumentierten damals die Photos, die Wiggerl Vörg mit seiner Contax schoss: Nicht zuletzt ihnen verdankt sich der Mythos der Eigerwand; mit Namen wie „Götter-Quergang” oder „Todesbiwak” verbindet sich seither ehrfürchtiges Schauern.
Die Medienrevolution machte allerdings auch vor dieser Bühne nicht Halt. Schon 1999 zeigte das Schweizer Fernsehen eine Eiger-Besteigung in Live- Übertragung. Und im August 2002 kam es zu einer bisher wohl einmaligen Verdoppelung: Die Schweizer Profibergsteiger Stephan Siegrist und Michal Pitelka durchstiegen die Wand nicht nur auf der Route, sondern in der Originalausrüstung der Erstbegeher – mit Hanfseilen und Nagelschuhen. Diese „Retro-Besteigung”, wie das Unternehmen getauft wurde, galt der Frage, ob auch Extremalpinisten von heute mit dem Material der Erstbegeher deren Leistung wiederholen könnten. Insofern verstanden die beiden ihr Projekt auch als Hommage an die Pioniere.
Vor allem aber galt es einer erneuten Bildproduktion: Der Aufstieg wurde durch ein Kamerateam von Thomas Ulrich begleitet, der einen Dokumentarfilm für Arte drehte und zudem atemberaubende Schwarzweiß- Aufnahmen fotografierte. In den Bildern des jetzt erschienenen Bandes verbinden sich das optisch Spektakuläre und die Anschaulichkeit eines Historienstücks: Kleidung und Ausrüstung scheinen noch aus der Zeit des alten Handwerks zu stammen; es liegt eine eigentümliche Nostalgie darin, als würden die hölzernen Eispickel, verbeulten Hüte und Stoffgamaschen die Naturentfremdung durch knallbunte Goretex-Jacken und High-Tech-Utensilien ungeschehen machen können.
Glücklicherweise waren sich die Bergsteiger aber des Unterschieds ihrer Erfahrung zu jener der Erstbegeher bewusst: Authentisch konnte die „Erstbesteigung” nicht wiederholt werden, schon weil sie eine Wiederholung war. Doch bezeugt das Projekt gleichzeitig die Ankunft der Posthistoire im Extremalpinismus: Scheinbar gibt es wirklich wenig Neues unter der Sonne mehr zu entdecken oder zu „bezwingen”; was bleibt, ist die Wiederholung des Alten – und die Produktion neuer Bilder, das aber massenhaft und mit neuester Technologie.
Gegen die absurde Rekordsuche am Everest – wer wird heuer die älteste Japanerin am Gipfel sein? – nimmt sich das zwar nachgerade vernünftig aus. Doch fragt man sich unwillkürlich, wohin das Retro-Theater führen soll. Gibt es demnächst eine Retro-Tour de France auf Stahlrädern ohne Gangschaltung? Vielleicht waren der Sport und das Abenteurertum die letzten Reservate der Avantgarde. Dass das historische Zitat nach der Mode nun auch dort einwandert, zeigt die Kolonisierung auch noch der letzten Praxiswinkel durch die mediale Logik: Das Bild ist nicht mehr Dokument der Tat, sondern ihr Zweck. Die Faszination von Ulrichs Bildern liegt freilich an etwas anderem: Sie erkennen diese Logik zwar an, doch sie verbinden sie noch immer mit schwindelerregenden Augenblicken der Gefahr.
MICHAEL OTT
THOMAS ULRICH: Eiger-Nordwand. Mit Nagelschuhen und Hanfseilen auf den Spuren der Erstbegeher. AS-Verlag, Zürich 2003. 144 Seiten, 49,80 Euro.
Stefan Siegrist steigt in das Eisfeld der Spinne vor. Unten im Tal die sonnigen Albweiden oberhalb Grindwalds.
Foto: Thomas Ulrich /
Aus dem bespr. Band
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2003

Propagandaschlacht am Berggipfel

Im Sommer 1938 durchstieg zum ersten Mal eine Seilschaft, die Münchner Heckmair und Vörg sowie die Österreicher Kasparek und Harrer, die "Wand der Wände": die Eiger-Nordwand. Sie brauchten dafür drei Tage. Den letzten, im Orkan, überlebten sie nur knapp. Das Ereignis war eine Sensation und galt der nationalsozialistischen Propaganda als Symbol des "Anschlusses" Österreichs ans Reich. "Großdeutschland hat den Eiger bezwungen" titelten die Zeitungen. Vierundsechzig Jahre später kletterten am 17. und 18. August 2002 zwei Bergsteiger aus Interlaken, dazu ein Kameramann und Fotograf sowie dessen zweiköpfiges Sicherungsteam durch die Wand, um in historischer Kleidung und Ausrüstung die Erstbegehung nachzustellen. Da man einen Fernsehfilm drehen wollte, hatte man sich für diesen Termin entschieden. Denn für diese zwei aufeinanderfolgenden Tagen sagten die Meteorologen schönes Wetter voraus. So benötigte man statt der drei Biwaks wie Kasparek und Harrer und der zwei bei Heckmair und Vörg nur eines und nahm statt der von den Erstbegehern eingesetzten Zsardsky-Säcke moderne Schlafsäcke mit. Die Verhältnisse am "Götterquergang", eine Schlüsselstelle der Wand, die 1938 total vereist war, boten diesmal keine Schwierigkeiten. Nach Aussage eines der Bergsteiger "hätte man ihn mit einem Fahrrad begehen können". Über den Erkenntniswert einer solchen "Retro-Besteigung" läßt sich lange philosophieren. Daß Hanfseile schwerer und unhandlicher als moderne aus Nylon sind, daß die "Schlosserei" mit handgeschmiedeten Fels- und Eishaken gewichtig am Gürtel hängt und daß die heutigen Schuhe besser und leichter sind, hätte man sich denken können. Im Vergleich mit den Fotos, die Vörg 1938 unter oft abenteuerlichen Umständen in der Wand schoß, merkt man den heutigen Akteuren an, daß sie sich weniger exponieren mußten. Trotzdem ist es ein schönes Buch geworden, in klassischer Schwarzweißästhetik. Kenntnisreich und lesenswert ist der Beitrag Daniel Ankers. Vom "Mißbrauch" der Besteigung durch die Nazis zu sprechen, heißt freilich das gängige alpingeschichtliche Klischee vom naiven Bergfex zu bedienen. Heckmairs und Vörgs erstklassige Ausrüstung war immerhin von der NS-Ordensburg Sonthofen bezahlt worden. Und der Hakenkreuzwimpel des SS-Manns Harrer war auch nicht zufällig in seinen Rucksack geraten. Bekanntlich ließ 1938 nur der heftige Sturm am Gipfel ein Hissen der nationalsozialistischen Fahne nicht zu. Diesmal erreichte ihn das Team bei strahlendem Sonnenschein. Man trank "Red Bull". Die Ovomaltine, die Kasparek so gut geschmeckt hatte, wäre denn doch zu viel "Retro" gewesen.

rpm

"Eiger-Nordwand. Mit Nagelschuhen und Hanfseil auf den Spuren der Erstbegeher" von Thomas Ulrich. Mit Textbeiträgen von Daniel Anker, Anderl Heckmair, Christine Kopp und Frank Senn. AS Verlag, Zürich 2003. 144 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 24,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als schönes Buch in "klassischer Schwarzweißästhetik" lobt der Rezensent Mit dem Kürzel "rmp" dieses Buch über die nationalsozialistische Propaganda-Besteigung der Eiger-Nordwand als Symbol für den "Anschluss" Österreichs im Jahr 1938. Besonders kenntnisreich und lesenswert findet der Rezensent den Beitrag von Daniel Anker. Ansonsten merke man den Wiederholungskletterern von 2002 an, dass ihnen auf Grund des besseren Geräts das Klettern leichter als ihren Vorgängern fiel. Über den Erkenntniswert dieser "Retro-Besteigung" an sich lässt sich seiner Ansicht nach "lange philosophieren". Kurz: so richtig überzeugt hat ihn das ganze Unterfangen nicht.

© Perlentaucher Medien GmbH