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Ich weiß nicht, welchen Platz ich unter den vierundzwanzig Kindern meines Vaters und seiner vier Frauen vom Alter her einnahm, aber ich war das fünfte Kind im Haus meiner Mutter. Ngugi wa Thiong os liebevolle Mutter Wanjiku ist es, die nach dem Zerwürfnis mit dem Vater dem Heranwachsenden Schutz und Geborgenheit bietet und den Boden für seine Träume bereitet. Indem sie ihm den Besuch einer Schule ermöglicht und er ihr im Gegenzug verspricht, sein Bestes zu tun und sie nicht zu enttäuschen, schließen die beiden einen Pakt, der von nun an das Leben des Jungen bestimmt. Geboren im ländlichen…mehr

Produktbeschreibung
Ich weiß nicht, welchen Platz ich unter den vierundzwanzig Kindern meines Vaters und seiner vier Frauen vom Alter her einnahm, aber ich war das fünfte Kind im Haus meiner Mutter. Ngugi wa Thiong os liebevolle Mutter Wanjiku ist es, die nach dem Zerwürfnis mit dem Vater dem Heranwachsenden Schutz und Geborgenheit bietet und den Boden für seine Träume bereitet. Indem sie ihm den Besuch einer Schule ermöglicht und er ihr im Gegenzug verspricht, sein Bestes zu tun und sie nicht zu enttäuschen, schließen die beiden einen Pakt, der von nun an das Leben des Jungen bestimmt.
Geboren im ländlichen Limuru-Distrikt in Zentralkenia, wächst Ngugi im Schatten des Zweiten Weltkriegs auf, unter britischer Kolonialherrschaft und der entstehenden Mau-Mau-Befreiungsbewegung, der sich auch sein Bruder Good Wallace anschließt.
Vor diesem Hintergrund erzählt Ngugi wa Thiong o von seiner Kindheit, von einem einfachen, harten und entbehrungsreichen Leben im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne. Mit vielWärme berichtet er von kindlichen Freuden, herben Enttäuschungen, vom überwältigenden Erlebnis des Lesens und Schreibens, über Ängste, Demütigungen und das allmähliche Gewahrwerden politischer Zusammenhänge.
Mit großer Ruhe und poetischer Kraft schildert Ngugi ein Stück Kolonialgeschichte; aus kindlich-jugendlicher Sicht zeichnet er ein eindringliches Bild der kolonialen Wirklichkeit der dreißiger bis fünfziger Jahre. Ngugi wa Thiong os Erinnerungsbuch liest sich dabei wie ein Roman über das Erwachsenwerden fesselnd, zärtlich, schockierend und bisweilen komisch. Und es zeigt den Autor auf dem Höhepunkt seines literarischen Schaffens.
Autorenporträt
Ngugi wa Thiong'o wurde 1938 als Sohn einer traditionellen Bauernfamilie in Kamirithu/Limuru in Kenia geboren. Nach dem Besuch einer Missionsschule studierte er am Makerere University College in Kampala/Uganda und an der University of Leeds/Großbritannien und begann dort seine schriftstellerische Laufbahn. 1977 wurde er wegen eines Theaterstücks in Kenia verhaftet und ohne Anklage für ein Jahr inhaftiert. Unter der Präsidentschaft von Daniel arap Moi wurden seine Bücher verboten; 1982 musste er sein Heimatland verlassen und ging ins Exil nach London und schließlich in die USA. Mit seinem umfangreichen Romanwerk und vielen literarischen und politischen Essays zählt Ngugi wa Thiong'o heute zu den bedeutendsten Schriftstellern Afrikas. Sein großer Roman "Wizard of the Crow", der 2011 im A1 Verlag erscheinen wird, und die Autobiographie "Träume in Zeiten des Krieges" haben seinen Status als herausragender zeitgenössischer Schriftsteller untermauert. 2009 wurde er für sein Lebenswerk f

ür den Man Booker International Prize nominiert. Ngugi wa Thiong'o lebt in Kalifornien, wo er an der University of California in Irvine Englische und Vergleichende Literaturwissenschaften lehrt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2010

Im Namen der Revolte

Er wurde hoch gehandelt für den Nobelpreis. Dass Ngugi wa Thiong'o in Stockholm leer ausging, leuchtet ein, vor allem nach der Lektüre seiner Memoiren. Leider.

Sein Name war die große Überraschung. Bei den Wetten, die das britische Wettbüro Ladbrokes, dem diskrete Beziehungen nach Stockholm nachgesagt werden, vor der Bekanntgabe des diesjährigen Literaturnobelpreisträgers anbot, stiegen die Einsätze auf seinen Namen stündlich. Zwei Tage vor der Entscheidung stand er gar an erster Stelle. Dabei war er den meisten Lesern in der internationalen Literaturwelt zuvor so gut wie unbekannt. Auch wenn die wichtigsten seiner Romane - "Der Fluss dazwischen", "Verbrannte Blüten", "Matigari" - in guten Übersetzungen auf Deutsch erschienen sind, ist dieser kenianische Erzähler und Dramatiker, Jahrgang 1938, auch bei uns nur wenigen ein Begriff. Da trifft es sich, dass jetzt ein schlanker Memoirenband vorliegt, der Erinnerungen an die koloniale Kindheit auf dem Lande mit Reflexionen über die Geschichte dieses Landes und seinen Weg in die politische Unabhängigkeit verknüpft.

Memoiren aber sind ein paradoxes Genre. Sie erzählen in der ersten Person von einer Person, die dem Hier und Jetzt des Erzählers schon seit langem weit entrückt ist und nur durch Akte von Erinnerung zurückgeholt werden kann. Dass es hier überhaupt um dieselbe Person gehen soll, wird gewöhnlich durch den Namen, den sie mit dem Autor wie Erzähler teilt, verbürgt. In diesem Fall jedoch sind diese Namen gerade nicht identisch. Die Mutter nennt das Kleinkind "Mukugi.~", mit dem ersten Schultag ändert sich der offizielle Rufname, wenn aus "Ngugi wa Wanjiku", wie er bislang nach der Mutter hieß, "Ngugi wa Thiong'o" wird. Und als er sich einige Jahre später taufen lässt, kommt ein weiterer hinzu: "James Ngugi". Unter diesem Namen wird er in den 1960er Jahren als Autor bekannt und bald zur literarischen Stimme Ostafrikas. Doch mit der zunehmenden politischen Konfrontation im postkolonialen Kenia, die ihn ins Exil nach England und die Vereinigten Staaten zwingt, radikalisiert sich seine Haltung. Den Taufnamen verwirft er jetzt und lehnt zugleich das Englische als Sprache kolonialer Einflussnahme ab. In einer vielzitierten Streitschrift "Decolonizing the Mind" erklärt Ngugi 1986, fortan nie mehr auf Englisch, sondern nur noch in der Muttersprache Kikuyu zu schreiben.

Sprach- und Namenswahl sind also Programm und sollen, so der Anspruch, die Verbundenheit des Autors mit dem Volk, dem er sich zugehörig fühlt, bezeugen. Wer diese kämpferische Ader kennt und schätzt, kann ihm gleichwohl in diesen Memoiren auf ganz andere Weise begegnen: als einem sensiblen kleinen Jungen, Geschichten- sowie Bücherfreund und steten Außenseiter, der seinen großen Halbbruder bewundert, den Vater fürchtet und alles für die Mutter tut, um durch den Schulerfolg zu beweisen, dass er ihretwegen nur sein Bestes gibt. Persönliche Erinnerungen - das erste Buch, der erste Schultag, die Beschneidungs- und Initiationszeremonie - verbinden sich mit politischen Belangen, als nach dem Zweiten Weltkrieg der bewaffnete Kampf für die Unabhängigkeit vom Britischen Empire einsetzt und durch den großen Bruder die Familie einbezieht.

Das alles wird in schlichten Sätzen, absehbaren Handlungsmustern und mit holzschnittartiger Kontur vermittelt - kein Vergleich zur schöpferischen Sprachkraft, mit der beispielsweise Wole Soyinka, der nigerianische Autor und Nobelpreisträger von 1986, in "Aké" seine afrikanische Kindheit erzählt hat. Ngugi hingegen muss sich seiner Verbundenheit mit dem lokalen Arbeiter- und Bauernstand immer wieder dadurch versichern, dass er auf Komplexität verzichtet. Solche field credibility kann politisch angeraten, doch literarisch alles andere als produktiv sein. Zu den vielen starken Gründen, derentwegen man hofft, die Schwedische Akademie werde künftig endlich wieder einen afrikanischen Autor auszeichnen, zählt dieser Name daher eher nicht.

TOBIAS DÖRING.

Ngugi wa Thiong'o: "Träume in Zeiten des Krieges". Eine Kindheit.

A1 Verlag, München 2010. 264 S., geb., 22,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Stark von den politischen Auseinandersetzungen um die Unabhängigkeit Kenias sieht Angela Schader die Kindheitserinnerungen des kenianischen Schriftstellers Ngugi wa Thiong'o geprägt. Der Autor saß wegen eines unliebsamen Theaterstücks in seiner Muttersprache Kikuyu im Gefängnis und ging 1982 ins Exil, heute lehrt er an der University of California Literaturwissenschaften, informiert die Rezensentin. Detailliert rekapituliert sie Ngugis Kindheitserfahrungen in einem Land, das unter der repressiven britischen Kolonialmacht litt und im Unabhängigkeitskampf zerrissen wurde. Mancher Leser wird vielleicht von der Konzentration aufs Politische enttäuscht sein, und es fällt nicht immer leicht, den überbordenden Optimismus, mit dem der junge Ngugi auf den Befreiungskampf blickt, zu ertragen, wie die Rezensentin einräumt. Aber Schader betont, dass dies nicht an Ngugis Mangel an "Kritikfähigkeit" liegt, sondern wohl vor allem dem jugendlichen Blick geschuldet ist, der die Perspektive auf die Ereignisse bestimmt.

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