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Eine Einladung nach Rom, ein halbes Jahr im Süden. In der Ewigen Stadt folgt die Erzählerin den Spuren Goethes und Ingeborg Bachmanns, sie entdeckt für sich Caravaggio und den Park der Villa Borghese, findet Freunde, reist zum Lago Maggiore und nach Syrakus, erinnert sich an die Landschaft Lapplands, an Kuba, an Che Guevara. Zwiegespräche mit der Vergangenheit und der Gegenwart: Wohin mit mir? Ein intimes, heiter-nachdenkliches Buch, das mit großer poetischer Kraft vom Suchen, Verfehlen und Finden des Glücks erzählt.

Produktbeschreibung
Eine Einladung nach Rom, ein halbes Jahr im Süden. In der Ewigen Stadt folgt die Erzählerin den Spuren Goethes und Ingeborg Bachmanns, sie entdeckt für sich Caravaggio und den Park der Villa Borghese, findet Freunde, reist zum Lago Maggiore und nach Syrakus, erinnert sich an die Landschaft Lapplands, an Kuba, an Che Guevara. Zwiegespräche mit der Vergangenheit und der Gegenwart: Wohin mit mir? Ein intimes, heiter-nachdenkliches Buch, das mit großer poetischer Kraft vom Suchen, Verfehlen und Finden des Glücks erzählt.
Autorenporträt
Sigrid Damm, in Gotha/Thüringen geboren, lebt als freie Schriftstellerin in Berlin und Mecklenburg. Die Autorin ist Mitglied des P.E.N. und der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur. Sie erhielt für ihr Werk zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Feuchtwanger-, den Mörike- und den Fontane-Preis.
Rezensionen
»Ein Rom-Buch der liebenswürdigsten Sorte.«
»Diese römischen Notizen sind ein Ausnahmefall unter den deutschen Künstler-Diarien aus der Ewigen Stadt.« Christina Maidt-Zinke DIE ZEIT 20130103

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2012

Der Fluchtpunkt an der Schläfe Christi
Auf den Spuren von Goethe in Rom träumt sie von Lappland: Sigrid Damms Tagebuch "Wohin mit mir?"

Die Schriftstellerin Sigrid Damm erhält ein Stipendium in der Casa di Goethe am Corso in Rom, und sie führt dort ein halbes Jahr lang Tagebuch: Das dürfte die vielen Fans dieser Autorin erfreuen; der übrigen literarischen Welt wird es weniger bedeuten. So jedenfalls wäre es zu erwarten. Aber dann kommt es doch etwas anders. Denn diese römischen Aufzeichnungen erzählen von einem Bildungserlebnis so unterhaltsam, dass sie ganz abseits biographischer Schlüssellochblicke auch eine Begegnung vermitteln mit einer fremden Stadt.

Das liegt schon an den äußeren Umständen. Es ist das Jahr 1999, das letzte des Jahrhunderts und der Zehnjahrestag einer Wende, die auch in das Leben der DDR-Schriftstellerin Sigrid Damm mächtig eingegriffen hat. Es ist auch das Jahr eines Goethe-Jubiläums, und die Erzählerin und Biographin, die mit einem Buch über Christiane und Goethe gerade unverhofft zur Bestsellerautorin geworden ist, sieht sich nun allerorten mit einer Goetheverehrung konfrontiert, die ihr zuwider ist. "Diese dumpf missverstehende Inbesitznahme, dieses anmaßende unser Goethe", notiert sie und erinnert sich ärgerlich an "jene beflissenen Bildungsbürger, die ich aus Lesungen kenne". Selbst die gastfreundliche Casa di Goethe ist der neu Angekommenen verdächtig: "Ich lebe im Haus eines Toten", schreibt sie, fühlt sich unwillkommen, denkt an baldige Abreise und bleibt dann doch.

Denn eigentlich hat sie gar nicht nach Rom gewollt, ihr Arkadien heißt Lappland. Dort, im Sommerhäuschen am Polarkreis, sehen wir sie auf den ersten Seiten in den hellen Sommernächten, dort wäre sie am liebsten geblieben. Und noch nach Monaten am Tiber kann es für sie, die hier zusammen mit ihrem Sohn an einem Nordland-Buch arbeitet, kein größeres Glück geben als die plötzliche halluzinatorische Empfindung: "Ich bin in Lappland." An ihrer Zimmerwand befestigt sie, gegenüber einem römischen Panorama aus dem achtzehnten Jahrhundert, zwei Wanderkarten von Nordschweden, das Land der Lappen mit der Seele suchend. Und ausgerechnet am 9. November 1999, am Jahrestag des Mauerfalls, ist sie "vollständig in Lappland verschwunden". Es bleibt der einzige Eintrag dieses Tages.

Gerade weil sie sich aber so unwillig und fremd auf die Wege durch Rom begibt, sieht sie mit unbefangenem Blick, und ebendeshalb wirken ihre allmähliche Vertrautheit, die wachsende Zuneigung, endlich ihr unverhofftes römisches Glück so glaubhaft. "Morgennebel. Gedämpftes Licht. Neugier." So beginnt der erste Tag in Rom, in jenen Satzfragmenten, die immer schon zu Sigrid Damms Stil gehörten und die nun als knappe Tagebucheinträge eine eigene Lässigkeit gewinnen. Neugierig ist sie, aber sie hat keine Ahnung von der Stadt. "Rom war nie in meinem Kopf", stellt sie fest: "Eine beschämende Unwissenheit." Aus den Einzelheiten dieser Unwissenheit macht sie keinen Hehl, zur Freude des Lesers. Denn der Charme dieser Aufzeichnungen resultiert nicht zuletzt aus ihrem Mangel an Eitelkeit. Diese Flaneurin will sich nicht wichtig machen, sie ist ganz Auge und Ohr. Besorgt über die eigene Geschäftigkeit nach dem Bucherfolg, will sie von sich absehen. Und das heißt: hinsehen auf die Wunder, die sich vor ihr ausbreiten.

So findet sie sich eines Tages ergriffen vor einem Gemälde, das die Kreuzigung des heiligen Petrus zeigt, und liest darunter "den Namen eines mir unbekannten Malers". Es ist Caravaggio, und sie hat keine Ahnung, wer das ist. So nüchtern wie diese Bildungslücke aber notiert sie nun auch die sich wiederholenden Begegnungen mit dem Unbekannten, die zu einer leidenschaftlichen Spurensuche werden. Denn diese Tagebuchschreiberin räsoniert nur knapp und beobachtet umso mehr. Dass Johannes Paul II. sich bei der Öffnung der Heiligen Pforte kaum auf den Beinen halten kann und sich an den Bischofsstab klammert, wird ebenso vermerkt wie das Treiben in der Nachbarschaft; "in dem kleinen Piercing-Laden ist noch reger Betrieb". Am Grab August von Goethes betrachtet sie die "zart lavendelblauen Dolden", und in Mailand, vor Leonardos Abendmahl, den "kleinen, in den Putz gestanzten Fluchtpunkt an der Schläfe Christi".

Natürlich durchzieht der Dialog mit Goethes römischen Aufzeichnungen dieses Tagebuch, aber auch er bleibt so frei von bildungsbürgerlicher Attitüde wie der Blick auf die Stadt selbst. Auch andere Lebende und Tote tauchen als reale oder imaginäre Gesprächspartner auf. Von Begegnungen mit Hans Werner Henze und Unseld, mit Inge Feltrinelli und Paul Wühr wird erzählt und von Unbekannten auf den Straßen Roms, Sperlongas, Neapels, von den Chorsängern in Sant' Ignazio, von Ingeborg Bachmann, von Raffael und Ovid. In solcher Gesellschaft wird die Reisende unverhofft heimisch in einer Stadt, in der sie sich so fremd gefühlt hat. Wie ein kleines Leitmotiv erscheint das Wort "Glück", das hier und da leise, fast schamhaft notiert wird.

So lässt sich schließlich sogar der Goethekult aushalten. In der Nacht zum 28. August, Goethes zweihundertfünfzigstem Geburtstag, erwacht sie vom Lärm eines Feuerwerks. Es ist, wie sie mit Vergnügen bemerkt, das Freudenfest des siegreichen Lazio Rom. "Alles, was lebt, sei lebendig", hat Goethe geschrieben. Sigrid Damms römisches Diarium nimmt diese Empfehlung erfrischend beim Wort.

HEINRICH DETERING

Sigrid Damm: "Wohin mit mir?"

Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 287 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.05.2012

Ein Chor hässlicher Engel
Vom Blitzschlag Caravaggios gebannt: Sigrid Damm erzählt, wie sie das Jahrtausendende in Rom verbrachte
Im großen Buch deutscher Rom-Erfahrungen wird Sigrid Damms Bericht über ihr halbes Jahr 1999 an der Casa di Goethe als kurzes, eigenwilliges Kapitel für sich stehen. Die Einladung zu diesem Gastaufenthalt in Goethes römischem Wohnhaus am Ende des Corso – es wird vom Bund unterhalten und dient als Museum, Bibliothek und Veranstaltungsort –, erreicht die Autorin an einem Wendepunkt ihres Lebens. Soeben hat das meisterhaft dokumentierte und erzählte Buch über Christiane und ihr Leben mit Goethe der Autorin Ruhm, Bestsellererfolg und materielle Sorgenfreiheit eingebracht; sie wird Großmutter; ihr Kompass zeigt eigentlich nach Norden, wo sie sich in Lappland einen neuen Rückzugsort und eine Landschaft für neues Erzählen schafft. In diesem aufgewühlten Moment begibt sie sich also unvermittelt nach Rom.
Die damals fünfzigjährige Schriftstellerin, die vierzig Jahre in der DDR gelebt hat, kannte Rom und Italien von einem kurzen Aufenthalt zwar schon; aber der erste Besuch, der 1987 stattgefunden hatte, war ihr verbittert durch seinen Charakter als Vergünstigung und Ausnahme, die sie mit ihren Landsleuten nicht teilen durfte. Es gab ja eine eigene Italien-Sehnsucht in der DDR, die sehr viel vom alten Ton bildungsbürgerlicher Italien-Liebe beibehalten hatte, weil das Reisen in den Süden eben nicht selbstverständlich war, sondern die große Ausnahme. Ingo Schulze hat davon gehandelt und F.C. Delius in seinem Gedankenspiel eines „Spaziergangs nach Syrakus“, den ein Kellner aus der DDR plant – illegaler Übertritt über die Staatsgrenze eingeschlossen.
Wie befreit ist dagegen Sigrid Damm 1999 – im Oktober kann sie ausgerechnet in Rom des 50. Jahrestages der DDR gedenken, danach des zehnten der großen Ostberliner Demonstration vom 4. November 1989. Die Welt hat noch nicht den 11. September 2001 erleben müssen, und schon als Zeugnis der kostbaren, befreiten Zeit zwischen den Epochen bleibt dieser Bericht wertvoll.
Wer das Büchlein mit Erwartungen an Goethe-Kennerschaft und ein daraus genährtes Rom-Erlebnis liest, wird ihm nicht gerecht. Natürlich sind Damm Goethes „Italienische Reise“, seine Tagebücher und Briefe dazu immer gegenwärtig, wie auch viel anderes aus der deutschen Rom-Tradition, darunter sogar Nietzsche und Fontane. Aber das ist geistiger Hausrat einer enorm belesenen Schriftstellerin, die in diesem Moment anderes im Kopf hat; übrigens einer aus dem lutherischen Deutschland stammenden Buchgelehrten, die unvorbereitet von dem ihr nicht einmal dem Namen nach bekannten Caravaggio überfallen wird: Selten findet man den Zusammenstoß deutscher Schriftkultur mit katholischer Bildkraft so heiter erneuert. Leser, die der Caravaggio-Mode gerade deutscher Kunsthistoriker in Rom seit den achtziger Jahren schon überdrüssig zu werden begannen, können sich hier erfrischen. Bei Damm wird der Blitzschlag, der in der Kirche Santa Maria del Popolo den Saulus zum Paulus bekehrt, eine aktuelle Seherfahrung.
Damm kann in der kurzen Zeit nicht heimisch werden in Rom, dafür sind nicht nur ihre Sprachkenntnisse zu rudimentär, sondern auch die Umstände in der Casa di Goethe zu exzentrisch, ja unbequem. Nachts hat man die Wahl zwischen einer brausenden Klimaanlage oder dem Straßenlärm. Wachdienste, Reinigungspersonal müssen betreut werden; man bleibt schlaflos, wie es zu jedem Rom-Aufenthalt immer noch gehört. Auch in der Gemeinde der Deutschrömer, diesem verwunderlichsten, ältesten Außenposten des Deutschtums im Ausland, wie man hier altmodisch formulieren darf, wird Damm nicht heimisch; von der dort grassierenden Insiderei lässt sie sich nicht anstecken.
Umso freier, überraschungsbereiter bleibt ihr Blick, der gegenwartszugewandt ist wie der von Rolf Dieter Brinkmann, aber nicht von Missgunst getrübt. In Sant’ Ignazio, einer prunkenden Barock-Kirche, machen hässlich gekleidete, körperlich unförmige amerikanische Touristen auf sich aufmerksam. Doch die Barbaren entpuppen sich als Chor, der mit glockenhellen Stimmen den Kirchenraum füllt, und die lästigen Nebenmenschen nehmen sich, wenn man die Augen schließt, wie Engel aus. Freilich, Damm kann gut milde sein, ihre Sorgen sind in diesen Monaten überbordendes Lob von Marcel Reich-Ranicki, die Ablehnung eines Auftritts in „Wetten dass . . ?“, die Teilnahme am glamourösen Geburtstag Siegfried Unselds in Venedig und ihr fast ungläubiges Staunen über diesen Trubel.
Als nach 1989 die ersten Stipendiaten aus den neuen Bundesländern an die deutschen wissenschaftlichen Institute in Rom kamen, hörte man dort gelegentlich den amüsierten Satz: Aus diesen Köpfen muss erst viel DDR heraus, damit ein wenig Rom hineinkann. Sigrid Damm hat die Balance gefunden: Sie bleibt unverkennbar bei sich und kann am Ende doch befriedigt feststellen, dass sie den Süden in sich aufgenommen hat. GUSTAV SEIBT
SIGRID DAMM: Wohin mit mir. Insel Verlag, Berlin 2012. 287 Seiten, 22,95 Euro.
Im April 2010 feierte die Stadt Rom ihre legendäre Gründung im Jahr 753 v. Chr. mit einem Spektakel an der Piazza del Popolo. Foto: AFP ImageForum
Rom, Blicke: Sigrid Damm.
Foto: Hans J. Wiedemann
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Kristina Maidt-Zinke ist angenehm überrascht, dass Sigrid Damms Tagebuch aus ihrer Zeit in der Casa di Goethe in Rom so ein untypisches Rom-Buch geworden ist: Die ostdeutsche Schriftstellerin zieht es nämlich eigentlich gar nicht in den Süden, sondern in den hohen Norden, und so hängt sie in ihrem Stipendiatenzimmer erst einmal Wanderkarten von Lappland auf. Aber natürlich verschließt sich die Autorin den Römischen Eindrücken nicht, sondern macht Entdeckungen und Bekanntschaften, und so ist die Rezensentin erneut angenehm überrascht, dass es letztlich doch ein typisches Rom-Buch geworden ist, und zwar, wie sie versichert, eines "der liebenswürdigsten Sorte".

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