Ein Ermittlerteam, das die Gesetze bricht. Ein Opfer, das eine ganze Stadt in Unruhe versetzt. Und eine Sicherheitskonferenz, die ihren Namen nicht verdient. Georg M. Oswalds neuer Roman Unter Feinden - düster, soghaft und von höchster Spannung.
"Georg M. Oswald gehört in eine Reihe mit Richard Price und Håkan Nesser." Feridun Zaimoglu
"Georg M. Oswald gehört in eine Reihe mit Richard Price und Håkan Nesser." Feridun Zaimoglu
CD 1 | |||
1 | Titel 1 | ||
2 | Titel 2 | ||
3 | Titel 3 | ||
4 | Titel 4 | ||
5 | Titel 5 | ||
6 | Titel 6 | ||
7 | Titel 7 | ||
8 | Titel 8 | ||
9 | Titel 9 | ||
10 | Titel 10 | ||
11 | Titel 11 | ||
12 | Titel 12 | ||
13 | Titel 13 | ||
14 | Titel 14 | ||
15 | Titel 15 | ||
16 | Titel 16 | ||
17 | Titel 17 | ||
CD 2 | |||
1 | Titel 18 | ||
2 | Titel 19 | ||
3 | Titel 20 | ||
4 | Titel 21 | ||
5 | Titel 22 | ||
6 | Titel 23 | ||
7 | Titel 24 | ||
8 | Titel 25 | ||
9 | Titel 26 | ||
10 | Titel 27 | ||
11 | Titel 28 | ||
12 | Titel 29 | ||
13 | Titel 30 | ||
14 | Titel 31 | ||
15 | Titel 32 | ||
16 | Titel 33 | ||
CD 3 | |||
1 | Titel 34 | 00:03:11 | |
2 | Titel 35 | 00:03:59 | |
3 | Titel 36 | 00:04:35 | |
4 | Titel 37 | 00:03:17 | |
5 | Titel 38 | 00:06:59 | |
6 | Titel 39 | 00:05:42 | |
7 | Titel 40 | 00:05:31 | |
8 | Titel 41 | 00:05:06 | |
9 | Titel 42 | 00:06:39 | |
10 | Titel 43 | 00:06:13 | |
11 | Titel 44 | 00:05:25 | |
12 | Titel 45 | 00:05:12 | |
13 | Titel 46 | 00:06:18 | |
14 | Titel 47 | 00:02:30 | |
15 | Titel 48 | 00:05:03 | |
16 | Titel 49 | 00:03:30 | |
CD 4 | |||
1 | Titel 50 | ||
2 | Titel 51 | ||
3 | Titel 52 | ||
4 | Titel 53 | ||
5 | Titel 54 | ||
6 | Titel 55 | ||
7 | Titel 56 | ||
8 | Titel 57 | ||
9 | Titel 58 | ||
10 | Titel 59 | ||
11 | Titel 60 | ||
12 | Titel 61 | ||
13 | Titel 62 | ||
14 | Titel 63 | ||
15 | Titel 64 | ||
16 | Titel 65 | ||
CD 5 | |||
1 | Titel 66 | ||
2 | Titel 67 | ||
3 | Titel 68 | ||
4 | Titel 69 | ||
5 | Titel 70 | ||
6 | Titel 71 | ||
7 | Titel 72 | ||
8 | Titel 73 | ||
9 | Titel 74 | ||
10 | Titel 75 | ||
11 | Titel 76 | ||
12 | Titel 77 | ||
13 | Titel 78 | ||
14 | Titel 79 | ||
15 | Titel 80 | ||
16 | Titel 81 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.2012München brennt
Georg M. Oswalds Polizist lebt "Unter Feinden"
Neue Besen kehren zackig: Die Staatsanwältin heißt Didem Osmanoglu, trägt Kostüme mit gleichfarbigem seidenem Kopftuch und ist überhaupt eine ziemlich ehrgeizige Person. Der Polizeipräsident ist seit zwei Wochen im Amt, sein Anspruch auf rasche Aufklärung erheblich. Für die Polizei steht das wichtigste Ereignis des Jahres ins Haus - die Münchner Sicherheitskonferenz. Die ganze Welt sieht auf den Bayerischen Hof (der im Roman Wittelsbacher Hof heißt) und seine weltbekannten Gäste. Da passt es nicht ins Bild, dass bei einer Observierung im Westend ein Türke angefahren und ins Koma geschleudert wurde. Noch weniger gut macht es sich, dass der Täter ein Polizist war, was aber nur die "Arabs" wissen, die den Tathergang miterlebt haben.
Kessel und Diller, so heißen die beiden sehr gegensätzlichen Ermittler, die Georg M. Oswald in seinem Kriminalroman "Unter Feinden" auf die Jagd schickt. Sie jagen, und sie werden gejagt. Von den eigenen Leuten, vom schlechten Gewissen und anderen, dunkleren Abgründen. Kessel ist drogensüchtig und entzieht sich allen Versuchen, sich durch Entzug von der Sucht zu kurieren. Er war es, der den Drogendealer nach einem verpatzten Handel überfuhr. Diller vertuscht die Tat, lässt den Wagen reparieren. Für ihn steht viel auf dem Spiel. Denn Diller, der vier Semester Philosophie studierte, bevor er in den Polizeidienst trat, ist bürgerlich geworden. Seine Frau lehrt an der Universität, sein Sohn geht aufs private Gymnasium, das Reihenhaus steht in einem besseren Viertel im Münchner Süden.
Die gemeinsame Vergangenheit mit Kessel reicht bis dorthin: Denn Kessel und Diller lieben die gleiche Frau; nur dass Diller sie geheiratet hat. Maren brachte eine Stieftochter mit in die Ehe. Die liest Ernst Jünger, Carl Schmitt und Tiqqun und macht ihrem Bullenvater das Leben zur Diskussionshölle, wenn sie nicht gerade gegen die Polizei demonstriert. Denn nach Kessels Amokfahrt ist im Westend ein Aufstand ausgebrochen, der auf die Innenstadt übergreift. München leuchtet? Vom Schein der brennenden Autos, die Randalierer anzündeten. In der sonst entspannten Metropole herrscht Ausnahmezustand. Und Kessel ist untergetaucht aus Angst vor einem Racheakt der Arabs. Seine Sucht macht ihn zu einem willigen Werkzeug einer internationalen Verschwörerbande. Er wird geködert und als Attentäter angeworben. Bei der Sicherheitskonferenz soll er einen Redner, der vor den Großen der Weltpolitik sprechen soll, töten. Der Amerikaner Jeremy Kindall hat eine Vergangenheit als Söldner. Da ist eine Rechnung offen.
Diller weiß, dass seine Loyalität zu Kessel eine tickende Zeitbombe ist. "Der rechtliche Standpunkt berücksichtigte nicht, dass Diller Gründe hatte, das genaue Gegenteil von dem zu tun, was möglicherweise klug gewesen wäre. Keine Gründe vielleicht, die sich am Ende zu seinem Vorteil auswirken würden. Aber gute, da war er sich sicher." Der Rechtsanwalt Oswald nimmt sich rund um diesen Loyalitätskonflikt einen im Kern ungeheuerlichen, im Genre sehr beliebten Fall vor. Die Staatsmacht tut genau das nicht, wofür sie da ist, sie verschleiert, trickst, betrügt. Juristischen Sound bekommt man trotzdem nicht vorgesetzt, eher orientiert sich der Autor am lapidaren Stil des Hard-boiled, den er mit Orts- und Mentalitätskenntnis unterfüttert.
Dass im Westend die Hälfte der Bewohner einen Migrationshintergrund hat, ist für Münchner keine Überraschung, hilft aber das Bild der saturierten Metropole zu korrigieren. Darum ist es Oswald nämlich auch zu tun - ein anderes München-Bild zu zeigen. Das Bild einer Großstadt, die mit den gleichen Problemen wie andere Großstädte zu kämpfen hat, dies aber geräuschloser tut. Auch, weil es hier mehr Chancen zum Aufstieg gibt als anderswo. Das illustriert im Roman die Milieustudie der Familie Diller, die Oswald am besten gelungen ist. Das Gleichgewicht der bürgerlichen Schein-Tugenden ist fragil. Die Schulprobleme des Sohns führen in eine Parallelwelt, die auf andere Weise bedrohlich ist, als jene der Drogenhändler im Westend.
Oswalds Figuren stolpern durch ein Labyrinth von moralischen Fallstricken und Wertefragen. Ein wenig auf der Strecke bleibt bei deren Erörterung die Spannung, auch weil die taktischen Winkelzüge Dillers nicht auf Beschleunigung des Erzähltempos getrimmt sind. Der Weg ins Unheil nimmt so seinen Gang, wirklich dramatisch wird es spät. Das ist dann das Münchnerische an diesem Roman.
HANNES HINTERMEIER
Georg M. Oswald: "Unter Feinden". Roman
Piper Verlag, München 2012. 256 S., 18,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Georg M. Oswalds Polizist lebt "Unter Feinden"
Neue Besen kehren zackig: Die Staatsanwältin heißt Didem Osmanoglu, trägt Kostüme mit gleichfarbigem seidenem Kopftuch und ist überhaupt eine ziemlich ehrgeizige Person. Der Polizeipräsident ist seit zwei Wochen im Amt, sein Anspruch auf rasche Aufklärung erheblich. Für die Polizei steht das wichtigste Ereignis des Jahres ins Haus - die Münchner Sicherheitskonferenz. Die ganze Welt sieht auf den Bayerischen Hof (der im Roman Wittelsbacher Hof heißt) und seine weltbekannten Gäste. Da passt es nicht ins Bild, dass bei einer Observierung im Westend ein Türke angefahren und ins Koma geschleudert wurde. Noch weniger gut macht es sich, dass der Täter ein Polizist war, was aber nur die "Arabs" wissen, die den Tathergang miterlebt haben.
Kessel und Diller, so heißen die beiden sehr gegensätzlichen Ermittler, die Georg M. Oswald in seinem Kriminalroman "Unter Feinden" auf die Jagd schickt. Sie jagen, und sie werden gejagt. Von den eigenen Leuten, vom schlechten Gewissen und anderen, dunkleren Abgründen. Kessel ist drogensüchtig und entzieht sich allen Versuchen, sich durch Entzug von der Sucht zu kurieren. Er war es, der den Drogendealer nach einem verpatzten Handel überfuhr. Diller vertuscht die Tat, lässt den Wagen reparieren. Für ihn steht viel auf dem Spiel. Denn Diller, der vier Semester Philosophie studierte, bevor er in den Polizeidienst trat, ist bürgerlich geworden. Seine Frau lehrt an der Universität, sein Sohn geht aufs private Gymnasium, das Reihenhaus steht in einem besseren Viertel im Münchner Süden.
Die gemeinsame Vergangenheit mit Kessel reicht bis dorthin: Denn Kessel und Diller lieben die gleiche Frau; nur dass Diller sie geheiratet hat. Maren brachte eine Stieftochter mit in die Ehe. Die liest Ernst Jünger, Carl Schmitt und Tiqqun und macht ihrem Bullenvater das Leben zur Diskussionshölle, wenn sie nicht gerade gegen die Polizei demonstriert. Denn nach Kessels Amokfahrt ist im Westend ein Aufstand ausgebrochen, der auf die Innenstadt übergreift. München leuchtet? Vom Schein der brennenden Autos, die Randalierer anzündeten. In der sonst entspannten Metropole herrscht Ausnahmezustand. Und Kessel ist untergetaucht aus Angst vor einem Racheakt der Arabs. Seine Sucht macht ihn zu einem willigen Werkzeug einer internationalen Verschwörerbande. Er wird geködert und als Attentäter angeworben. Bei der Sicherheitskonferenz soll er einen Redner, der vor den Großen der Weltpolitik sprechen soll, töten. Der Amerikaner Jeremy Kindall hat eine Vergangenheit als Söldner. Da ist eine Rechnung offen.
Diller weiß, dass seine Loyalität zu Kessel eine tickende Zeitbombe ist. "Der rechtliche Standpunkt berücksichtigte nicht, dass Diller Gründe hatte, das genaue Gegenteil von dem zu tun, was möglicherweise klug gewesen wäre. Keine Gründe vielleicht, die sich am Ende zu seinem Vorteil auswirken würden. Aber gute, da war er sich sicher." Der Rechtsanwalt Oswald nimmt sich rund um diesen Loyalitätskonflikt einen im Kern ungeheuerlichen, im Genre sehr beliebten Fall vor. Die Staatsmacht tut genau das nicht, wofür sie da ist, sie verschleiert, trickst, betrügt. Juristischen Sound bekommt man trotzdem nicht vorgesetzt, eher orientiert sich der Autor am lapidaren Stil des Hard-boiled, den er mit Orts- und Mentalitätskenntnis unterfüttert.
Dass im Westend die Hälfte der Bewohner einen Migrationshintergrund hat, ist für Münchner keine Überraschung, hilft aber das Bild der saturierten Metropole zu korrigieren. Darum ist es Oswald nämlich auch zu tun - ein anderes München-Bild zu zeigen. Das Bild einer Großstadt, die mit den gleichen Problemen wie andere Großstädte zu kämpfen hat, dies aber geräuschloser tut. Auch, weil es hier mehr Chancen zum Aufstieg gibt als anderswo. Das illustriert im Roman die Milieustudie der Familie Diller, die Oswald am besten gelungen ist. Das Gleichgewicht der bürgerlichen Schein-Tugenden ist fragil. Die Schulprobleme des Sohns führen in eine Parallelwelt, die auf andere Weise bedrohlich ist, als jene der Drogenhändler im Westend.
Oswalds Figuren stolpern durch ein Labyrinth von moralischen Fallstricken und Wertefragen. Ein wenig auf der Strecke bleibt bei deren Erörterung die Spannung, auch weil die taktischen Winkelzüge Dillers nicht auf Beschleunigung des Erzähltempos getrimmt sind. Der Weg ins Unheil nimmt so seinen Gang, wirklich dramatisch wird es spät. Das ist dann das Münchnerische an diesem Roman.
HANNES HINTERMEIER
Georg M. Oswald: "Unter Feinden". Roman
Piper Verlag, München 2012. 256 S., 18,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.02.2012Verbrechen lohnt sich
Der Münchner Schriftsteller Georg M. Oswald beschreibt in seinem Kriminalroman „Unter Feinden“ ein Attentat bei der Sicherheitskonferenz
Von Antje Weber
München – Keine besonderen Vorkommnisse, lautete das Fazit der Polizei nach der 47. Münchner Sicherheitskonferenz im vergangenen Jahr. Ein paar Demonstrationen, gewiss, einige Festnahmen „wegen verschiedener Delikte“, doch beim Begleitschutz für die Politiker und Experten aus aller Welt und bei den Absperrmaßnahmen in der Innenstadt habe es keine Probleme gegeben. Im Polizeipräsidium zog man ein „überaus positives Resümee“.
Das könnte auch ganz anders sein. Nach der Lektüre von Georg M. Oswalds Kriminalroman „Unter Feinden“ (Piper-Verlag) kann man sich für die an diesem Freitag beginnende 48. Sicherheitskonferenz durchaus einen weniger positiven Verlauf vorstellen. Zum Beispiel so: In einem Saal des Tagungsortes „Bayerischer Hof“ hält gerade ein berühmt-berüchtigter Spezialist für Söldnerausbildung einen Vortrag, als er inmitten all der hochrangigen Zuhörer von einer Kugel ins Herz getroffen wird. Er sackt zusammen. Tot. Wer war der Schütze, der aus einer Lüftungsluke ins Plenum gezielt hat? Die Polizei wird es niemals herausfinden. Nur der Leser weiß Bescheid.
Undenkbar? Nichts ist undenkbar. Zum einen sei sein Kriminalroman ja Fiktion, sagt Georg M. Oswald bei einem Gespräch im – wo sonst – „Bayerischen Hof“. Außerdem sei es wirklich interessant, wenn man mit Polizisten über Ermittlungen spreche: „Die haben gelernt, nichts auszuschließen. Und sie sind sehr vorsichtig darin, ihre Erkenntnisse zu bewerten.“
Oswald hat bei der Recherche zu diesem Roman mit einigen Ermittlern gesprochen, und manches kennt er auch aus seinem eigenen Beruf. Schließlich ist der 48-Jährige nicht nur ein bestens etablierter Schriftsteller, sondern arbeitet auch seit vielen Jahren als Rechtsanwalt. Seine Kanzlei liegt in der Innenstadt, in der Nähe des Hofbräuhauses, wo er die akribischen Vorbereitungen für die Sicherheitskonferenz alle Jahre wieder auf Schönste miterleben kann. „Sie kleben die Kanaldeckel ab“, nennt er als Beispiel, und man hört aus seiner Stimme immer noch Verwunderung heraus, „und wenn man die verschließt, dann muss ja irgendein Szenario dahinterstehen.“
Auch das Polizeipräsidium kennt Oswald selbstverständlich aus eigener Anschauung, sogar ein kleines Museum mit Schreckensgeräten unterm Dach, das er einmal als Referendar besucht hat. Eine seiner Hauptfiguren, der Polizist Kessel, verzieht sich ab und zu während der Dienstzeit dorthin, um auf einer alten Streckbank auszuspannen. Er hat es nötig: Kessel ist drogenabhängig – das sei auch in Polizeikreisen durchaus realistisch, hat Oswald recherchiert –, und wenn er zitternd auf Entzug ist, muss er schnellstens aus den Augen der Kollegen verschwinden.
Ganz davon abgesehen, dass er sowieso gerade ziemlich viel Ärger hat: Bei einer nächtlichen Observation im Westend, die gleichzeitig der eigenen Drogenbeschaffung diente, ist er ausgerastet und hat einen türkischen Jugendlichen angefahren; einen „Arab“, wie sie unter Polizisten verächtlich sagen. Sein Kollege und Freund Diller versucht die Sache zu vertuschen, doch so einfach geht das nicht: Im Westend beginnen Krawalle, die sich bis auf die Innenstadt ausdehnen. Und das ausgerechnet kurz vor der, genau, Sicherheitskonferenz!
Das Szenario erinnert an die Londoner Krawalle des vergangenen Sommers, doch Oswald hat sich eher an den Aufständen in den Pariser Banlieues vor fast drei Jahren orientiert. „Jedes Mal wurden Bewohner des Viertels bei einem Unfall verletzt, und die Einwohner waren empört, dass die Polizei sich nicht kümmerte.“ Ist so etwas auch in München denkbar? Oswald erinnert an die Schwabinger Krawalle von 1962, als eine Eskalation auf der Straße als Auslöser diente: „Ich kann mir das überall vorstellen.“
Banden und Mafiosi mit dem heute sogenannten Migrationshintergrund im Westend, die den Aufstand proben. Dazu ein Junkie-Polizist, der in einem verdreckten alten Haus in der Goethestraße haust – Georg M. Oswald beschreibt in seinem neuen Roman ein München, das vielen Klischees zuwiderläuft. Damit will er sich bewusst von seinem eigenen Vorgänger-Roman „Vom Geist der Gesetze“ (2007) absetzen, der die Gesellschaft eher satirisch à la „Kir Royal“ oder „Rossini“ vorführen wollte. „Viele Leser nahmen das für bare Münze und meinten, dessen München-Bild sei sehr dem Mainstream verpflichtet“, sagt Oswald. „Das hat mich nachdenklich gemacht.“
„Unter Feinden“ ist also keine Satire, sondern härter, direkter als der letzte Roman des Autors, der auch zuvor schon bewiesen hat, dass er die verschiedensten Milieus Münchens sezieren kann: von seinem ersten Erzählband „Das Loch“ (1995), in dem der Moosacher Onkel Otto in seinem Vorgarten Nazi-Devotionalien vergräbt, bis hin zum Roman „Im Himmel“ (2003), der die kaputte Scheinwelt der Reichen am Starnberger See vorführte. Diesmal jedenfalls sollte es, endlich einmal, ein richtiger Krimi werden. Ein ungewöhnlicher allerdings, das schon: Das Verbrechen geschieht gleich am Anfang, ausgerechnet zwei Polizisten sind die Schuldigen, und der Rest des Romans handelt im Grunde nur davon, wie die beiden mit allen Mitteln versuchen, das Aufdecken ihrer Schuld zu verhindern. „Mit den zwei Polizisten im Zentrum habe ich dem Genre Genüge getan“, glaubt Georg M. Oswald, ansonsten habe er versucht, nicht alle Krimi-Konventionen zu erfüllen.
Und ob es nun ein München-Roman ist? Der Autor glaubt nein: „Die Geschichte könnte auch woanders spielen.“ Mag schon sein, doch in der beiläufigen Beschreibung gegensätzlicher Viertel und Lebenswelten macht sich doch einmal mehr bemerkbar, wie gut Oswald seine Stadt kennt; das Spektrum reicht von türkischen Supermärkten und Friseursalons bis zur nur scheinbar perfekten bürgerlichen Familien-Gegenwelt in Solln, die er für seinen zweiten Polizisten Diller entwirft (und wo er nebenbei selbst mit seiner Familie wohnt). Gemeinsam ist allen diesen Welten die Verunsicherung; die überlieferten Werte sind ins Wanken geraten, neue sind nicht in Sicht. Lügen sind normal in dieser Welt, und vielleicht kommt man mit ihnen ja sogar besser durch als mit der Wahrheit.
Ein letztlich düsteres, geradezu unmoralisches Buch also. Lohnt sich kriminelles Verhalten? „Ich bin sicher, dass es eine große Anzahl von Verbrechen gibt, von denen wir gar nichts wissen“, sagt Oswald geradezu fröhlich. Und was seine Hauptfiguren angehe, sei ja noch nicht sicher, ob die dunkle Vergangenheit sie nicht doch irgendwann einholen werde. Oswald sitzt jedenfalls schon an einer Fortsetzung. Die Polizisten Kessel und Diller werden wieder im Zentrum stehen; Schauplatz ist diesmal das Glockenbachviertel. Dort finden zwar keine international bedeutenden Konferenzen statt, doch besondere Vorkommnisse, die sollte es allemal geben.
Georg M. Oswald wartet das Ende der Sicherheitskonferenz ab, bevor er mit sicherem Abstand am 13. März (Buchhandlung Lehmkuhl) und 27. April (Juristische Bibliothek) in München liest.
Krawalle wie in London
oder Paris kann Oswald sich
auch in München vorstellen.
„Mit zwei Polizisten
haben ich dem Genre
Genüge getan.“
Man stelle sich vor: Es ist Sicherheitskonferenz, und einer der Referenten wird am Tagungsort „Bayerischer Hof“ umgebracht. Unwahrscheinlich? Im neuen Roman „Unter Feinden“ von Georg M. Oswald (kleines Foto) ist vieles möglich. Fotos: Stephan Rumpf, Joerg Koch/dapd
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Der Münchner Schriftsteller Georg M. Oswald beschreibt in seinem Kriminalroman „Unter Feinden“ ein Attentat bei der Sicherheitskonferenz
Von Antje Weber
München – Keine besonderen Vorkommnisse, lautete das Fazit der Polizei nach der 47. Münchner Sicherheitskonferenz im vergangenen Jahr. Ein paar Demonstrationen, gewiss, einige Festnahmen „wegen verschiedener Delikte“, doch beim Begleitschutz für die Politiker und Experten aus aller Welt und bei den Absperrmaßnahmen in der Innenstadt habe es keine Probleme gegeben. Im Polizeipräsidium zog man ein „überaus positives Resümee“.
Das könnte auch ganz anders sein. Nach der Lektüre von Georg M. Oswalds Kriminalroman „Unter Feinden“ (Piper-Verlag) kann man sich für die an diesem Freitag beginnende 48. Sicherheitskonferenz durchaus einen weniger positiven Verlauf vorstellen. Zum Beispiel so: In einem Saal des Tagungsortes „Bayerischer Hof“ hält gerade ein berühmt-berüchtigter Spezialist für Söldnerausbildung einen Vortrag, als er inmitten all der hochrangigen Zuhörer von einer Kugel ins Herz getroffen wird. Er sackt zusammen. Tot. Wer war der Schütze, der aus einer Lüftungsluke ins Plenum gezielt hat? Die Polizei wird es niemals herausfinden. Nur der Leser weiß Bescheid.
Undenkbar? Nichts ist undenkbar. Zum einen sei sein Kriminalroman ja Fiktion, sagt Georg M. Oswald bei einem Gespräch im – wo sonst – „Bayerischen Hof“. Außerdem sei es wirklich interessant, wenn man mit Polizisten über Ermittlungen spreche: „Die haben gelernt, nichts auszuschließen. Und sie sind sehr vorsichtig darin, ihre Erkenntnisse zu bewerten.“
Oswald hat bei der Recherche zu diesem Roman mit einigen Ermittlern gesprochen, und manches kennt er auch aus seinem eigenen Beruf. Schließlich ist der 48-Jährige nicht nur ein bestens etablierter Schriftsteller, sondern arbeitet auch seit vielen Jahren als Rechtsanwalt. Seine Kanzlei liegt in der Innenstadt, in der Nähe des Hofbräuhauses, wo er die akribischen Vorbereitungen für die Sicherheitskonferenz alle Jahre wieder auf Schönste miterleben kann. „Sie kleben die Kanaldeckel ab“, nennt er als Beispiel, und man hört aus seiner Stimme immer noch Verwunderung heraus, „und wenn man die verschließt, dann muss ja irgendein Szenario dahinterstehen.“
Auch das Polizeipräsidium kennt Oswald selbstverständlich aus eigener Anschauung, sogar ein kleines Museum mit Schreckensgeräten unterm Dach, das er einmal als Referendar besucht hat. Eine seiner Hauptfiguren, der Polizist Kessel, verzieht sich ab und zu während der Dienstzeit dorthin, um auf einer alten Streckbank auszuspannen. Er hat es nötig: Kessel ist drogenabhängig – das sei auch in Polizeikreisen durchaus realistisch, hat Oswald recherchiert –, und wenn er zitternd auf Entzug ist, muss er schnellstens aus den Augen der Kollegen verschwinden.
Ganz davon abgesehen, dass er sowieso gerade ziemlich viel Ärger hat: Bei einer nächtlichen Observation im Westend, die gleichzeitig der eigenen Drogenbeschaffung diente, ist er ausgerastet und hat einen türkischen Jugendlichen angefahren; einen „Arab“, wie sie unter Polizisten verächtlich sagen. Sein Kollege und Freund Diller versucht die Sache zu vertuschen, doch so einfach geht das nicht: Im Westend beginnen Krawalle, die sich bis auf die Innenstadt ausdehnen. Und das ausgerechnet kurz vor der, genau, Sicherheitskonferenz!
Das Szenario erinnert an die Londoner Krawalle des vergangenen Sommers, doch Oswald hat sich eher an den Aufständen in den Pariser Banlieues vor fast drei Jahren orientiert. „Jedes Mal wurden Bewohner des Viertels bei einem Unfall verletzt, und die Einwohner waren empört, dass die Polizei sich nicht kümmerte.“ Ist so etwas auch in München denkbar? Oswald erinnert an die Schwabinger Krawalle von 1962, als eine Eskalation auf der Straße als Auslöser diente: „Ich kann mir das überall vorstellen.“
Banden und Mafiosi mit dem heute sogenannten Migrationshintergrund im Westend, die den Aufstand proben. Dazu ein Junkie-Polizist, der in einem verdreckten alten Haus in der Goethestraße haust – Georg M. Oswald beschreibt in seinem neuen Roman ein München, das vielen Klischees zuwiderläuft. Damit will er sich bewusst von seinem eigenen Vorgänger-Roman „Vom Geist der Gesetze“ (2007) absetzen, der die Gesellschaft eher satirisch à la „Kir Royal“ oder „Rossini“ vorführen wollte. „Viele Leser nahmen das für bare Münze und meinten, dessen München-Bild sei sehr dem Mainstream verpflichtet“, sagt Oswald. „Das hat mich nachdenklich gemacht.“
„Unter Feinden“ ist also keine Satire, sondern härter, direkter als der letzte Roman des Autors, der auch zuvor schon bewiesen hat, dass er die verschiedensten Milieus Münchens sezieren kann: von seinem ersten Erzählband „Das Loch“ (1995), in dem der Moosacher Onkel Otto in seinem Vorgarten Nazi-Devotionalien vergräbt, bis hin zum Roman „Im Himmel“ (2003), der die kaputte Scheinwelt der Reichen am Starnberger See vorführte. Diesmal jedenfalls sollte es, endlich einmal, ein richtiger Krimi werden. Ein ungewöhnlicher allerdings, das schon: Das Verbrechen geschieht gleich am Anfang, ausgerechnet zwei Polizisten sind die Schuldigen, und der Rest des Romans handelt im Grunde nur davon, wie die beiden mit allen Mitteln versuchen, das Aufdecken ihrer Schuld zu verhindern. „Mit den zwei Polizisten im Zentrum habe ich dem Genre Genüge getan“, glaubt Georg M. Oswald, ansonsten habe er versucht, nicht alle Krimi-Konventionen zu erfüllen.
Und ob es nun ein München-Roman ist? Der Autor glaubt nein: „Die Geschichte könnte auch woanders spielen.“ Mag schon sein, doch in der beiläufigen Beschreibung gegensätzlicher Viertel und Lebenswelten macht sich doch einmal mehr bemerkbar, wie gut Oswald seine Stadt kennt; das Spektrum reicht von türkischen Supermärkten und Friseursalons bis zur nur scheinbar perfekten bürgerlichen Familien-Gegenwelt in Solln, die er für seinen zweiten Polizisten Diller entwirft (und wo er nebenbei selbst mit seiner Familie wohnt). Gemeinsam ist allen diesen Welten die Verunsicherung; die überlieferten Werte sind ins Wanken geraten, neue sind nicht in Sicht. Lügen sind normal in dieser Welt, und vielleicht kommt man mit ihnen ja sogar besser durch als mit der Wahrheit.
Ein letztlich düsteres, geradezu unmoralisches Buch also. Lohnt sich kriminelles Verhalten? „Ich bin sicher, dass es eine große Anzahl von Verbrechen gibt, von denen wir gar nichts wissen“, sagt Oswald geradezu fröhlich. Und was seine Hauptfiguren angehe, sei ja noch nicht sicher, ob die dunkle Vergangenheit sie nicht doch irgendwann einholen werde. Oswald sitzt jedenfalls schon an einer Fortsetzung. Die Polizisten Kessel und Diller werden wieder im Zentrum stehen; Schauplatz ist diesmal das Glockenbachviertel. Dort finden zwar keine international bedeutenden Konferenzen statt, doch besondere Vorkommnisse, die sollte es allemal geben.
Georg M. Oswald wartet das Ende der Sicherheitskonferenz ab, bevor er mit sicherem Abstand am 13. März (Buchhandlung Lehmkuhl) und 27. April (Juristische Bibliothek) in München liest.
Krawalle wie in London
oder Paris kann Oswald sich
auch in München vorstellen.
„Mit zwei Polizisten
haben ich dem Genre
Genüge getan.“
Man stelle sich vor: Es ist Sicherheitskonferenz, und einer der Referenten wird am Tagungsort „Bayerischer Hof“ umgebracht. Unwahrscheinlich? Im neuen Roman „Unter Feinden“ von Georg M. Oswald (kleines Foto) ist vieles möglich. Fotos: Stephan Rumpf, Joerg Koch/dapd
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"Begeistert, aber auch ungläubig lauscht man den Entwicklungen der Geschichte, die von Oswald derart überraschend konstruiert ist, dass man eher glaubt, die Lottozahlen vorherzusagen zu können, als den Fortgang oder die Auflösung der Geschichte zu erraten.", literaturmarkt.info