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Was garantiert den Bestand des Staates und das Fortleben der Gesellschaft? Dieser heute wieder so drängenden Frage hat der italienische Philosoph und Theologe Antonio Rosmini (1797-1855), "der Görres Italiens", sein politisches Hauptwerk "Philosophie der Politik" gewidmet. Er entwickelt das Modell der zivilen Gesellschaft, die freiheitlich, aber auch bindungsfähig, fortschrittlich, aber auch traditionsbewusst sein soll. Vor allem erinnert Rosmini daran, dass Staat und Politik keinen anderen Zweck haben, als dem Glück des Menschen zu dienen, indem sie die Rahmenbedingungen für dessen Entfaltung…mehr

Produktbeschreibung
Was garantiert den Bestand des Staates und das Fortleben der Gesellschaft? Dieser heute wieder so drängenden Frage hat der italienische Philosoph und Theologe Antonio Rosmini (1797-1855), "der Görres Italiens", sein politisches Hauptwerk "Philosophie der Politik" gewidmet. Er entwickelt das Modell der zivilen Gesellschaft, die freiheitlich, aber auch bindungsfähig, fortschrittlich, aber auch traditionsbewusst sein soll. Vor allem erinnert Rosmini daran, dass Staat und Politik keinen anderen Zweck haben, als dem Glück des Menschen zu dienen, indem sie die Rahmenbedingungen für dessen Entfaltung sicherstellen.

Rosmini erarbeitet seinen Gesellschaftsentwurf in Auseinandersetzung mit den Klassikern der Geschichte der politischen Ideen von Platon bis Tocqueville und den Frühsozialisten. Dabei entfaltet er ein Gedankengebäude, das Überlegungen zum Ursprung und zu den Entwicklungsgesetzen des Staates ebenso umfasst wie eine eingehende Analyse des Phänomens "Revolution". Die Ausgangsfrage nach den Stabilitätsgarantien für das politische Gemeinwesen führt ihn auf diese Weise weiter in die Kulturgeschichte und Kultursoziologie, aber auch in die Kritik bestimmter Tendenzen der modernen Welt, die er als inhuman entlarvt. Rosmini, über dessen politisches Denken es in Deutschland keinerlei Studie gibt, wird hier als großer europäischer Denker wiederentdeckt.

Die Autorin:

Christiane Liermann, Dr. phil., geb. 1960, ist als Research Executive im Deutsch-Italienischen Zentrum Villa Vigoni (Italien) tätig.
Autorenporträt
Christiane Liermann (Dr. phil.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutsch-Italienischen Zentrum »Villa Vigoni« (Como/Italien).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2005

Hirtenwort an die deutschen Bischöfe
Ohne Ambitionen zum Märtyrer: Christiane Liermanns Studie über die Verfassungslehre des Antonio Rosmini-Serbati

Papst Pius IX. (1846 bis 1878) hat noch 1864 die Religionsfreiheit verworfen. Der Irrtum habe kein Recht gegen die Wahrheit. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Religionsfreiheit 1965 anerkannt. In diesen einhundert Jahren muß die katholische Kirche also ihre Meinung geändert haben. Nur ist der Prozeß schwer zu beobachten und zu verstehen. Es gibt jedoch einen bedeutenden katholischen Autor, der den Wandel vorgezeichnet hat.

Antonio Rosmini-Serbati (1797 bis 1855) stammt aus einer wohlhabenden Patrizierfamilie des damals österreichischen Trentino. Gegen den Widerstand seines Vaters wurde er Priester mit zwei großen Zielen: eine Ordensgemeinschaft zu gründen und wissenschaftlich zu arbeiten. Eine heute noch bestehende Kongregation hat er tatsächlich gegründet. Zur wissenschaftlichen Arbeit hat ihn Pius VIII. (1829 bis 1830) ausdrücklich ermuntert. Rosmini solle die Menschen durch die Vernunft zur Religion führen. Rosmini hat denn auch über alles geschrieben, was Gott und die Menschen betraf. Eine seit 1975 erscheinende Gesamtausgabe seiner Werke ist auf einhundert Bände angelegt. 1848 wäre er beinahe Kardinal und päpstlicher Ministerpräsident geworden. In Italien gilt er als italienischer Kant.

In Deutschland ist er kaum zur Kenntnis genommen worden. Zu Unrecht, meint die in Italien lebende Christiane Liermann, auch wenn es nachvollziehbare Gründe gab. Wie bedeutsam Rosmini war und ist, will sie mit ihrer Zürcher Dissertation zeigen, und es ist ihr vortrefflich gelungen, auch handwerklich und formal. Ihre Rekonstruktion der Verfassungslehre Rosminis ist freilich kein Buch zum Schlürfen, aber es belohnt reichlich Geduld und Aufmerksamkeit.

Verblüffenderweise erinnert die Argumentation des Theologen in manchen Punkten an Hegel und an die Systemtheorie, obwohl es nichts Säkulareres gibt als die Systemtheorie. Der Grund ist gerade für die deutsche philosophische und religionspolitische Diskussion wichtig. Er ist schon im päpstlichen Auftrag enthalten. Man kann die Menschen nur durch die Vernunft zur Religion führen, wenn man sich zunächst auf den Standpunkt der Vernunft stellt und scharf zwischen Religion und Politik unterscheidet. Rosmini meint denn auch, die Kirche benötige die "Hilfe" staatlicher Autorität zur Verkündigung ihrer Frohen Botschaft so wenig, wie dem Staat eine verordnete Religion dienlich sei. Religion sei nur "nützlich", wenn die Menschen sie aufrichtig glaubten. Staatlich geförderte Religion schade eher. Der Staat dürfe der Kirche daher nur die gleichen Rechte gewähren wie allen anderen Bürgern. Das ist ein Hirtenwort an die deutschen Bischöfe.

Die Gesellschaft konstruiert Rosmini, wie sie von Natur aus ist, ohne sich auf den Willen oder die Schöpfungsordnung Gottes zu berufen. Diese ursprüngliche Assoziation meint er mit "zivile Gesellschaft". Gesellschaft beginnt damit, daß sich die Menschen gegenseitig als Personen anerkennen. Dann können sie jeder für sich nach ihrem Glück streben. Das Streben nach Glück verlangt ein freiheitliches Gemeinwesen, das durch das Christentum als historisches, kulturelles Ereignis - nicht als Religion - stabilisiert wird. Es ist, als habe Rosmini nicht nur Hegel, sondern auch Ernst Troeltsch gelesen. Seine Kritik des Gleichheitsdogmas, des Mehrheitsprinzips, des Nutzenkalküls und damit des Fortschrittsglaubens wirkt so modern, daß man an den Geist des neunzehnten Jahrhunderts erinnern muß. Wie Karl Marx und viele andere hielt auch Rosmini Paradoxien und Widersprüche für Sand im Getriebe der Gesellschaft. Heute neigt man eher dazu, Paradoxien und Widersprüche als Treibstoffe zu verstehen. Oft hat man den Eindruck, als mache sein fester Glaube Rosmini scharfsichtiger, als es die lauterste Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft vermöchte. In der Ungleichheit unter den Menschen die säkularisierte Form des Theodizee-Problems zu sehen, das ist beeindruckende Theologie.

Wenn man so scharf zwischen Kirche und Staat unterscheidet wie Rosmini, muß sich gesellschaftstheoretische Kritik irgendwann einmal an der Kirche reiben. Als Rosmini forderte, Klerus und Volk sollten wie in alten Zeiten gemeinsam die Bischöfe wählen und die Gesellschaft sei politisch auf dem Boden der Gleichheit zu organisieren, setzte die Kirche 1849 zwei seiner wichtigsten Schriften auf den Index. Als prominenter Autor hätte er dagegen einen beträchtlichen öffentlichen Wirbel veranstalten können. Zur Empörung vieler nahm er das Urteil widerspruchslos hin. Christiane Liermann schreibt dazu: "Den eigenen Gehorsam zu rechtfertigen, hielt er nicht für notwendig, weil der Gehorsam selbstverständlicher Bestandteil seines Glaubens war. Deshalb verbat er sich auch, zum Märtyrer stilisiert zu werden." Welch ein Mensch!

GERD ROELLECKE

Christiane Liermann: "Rosminis politische Philosophie der zivilen Gesellschaft". Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, Neue Folge, Band 108. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2004. 548 S., br., 79,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Überzeugend findet Rezensent Gerd Roellecke diese Studie über Antonio Rosmini-Serbatis (1797-1855) "politische Philosophie der zivilen Gesellschaft", die Christiane Liermanns vorgelegt hat. Liermanns Intention, die Bedeutung des in Italien als "italienischen Kant" geltenden, in Deutschland kaum bekannten Theologen aufzuzeigen, ist ihr nach Roelleckes Einschätzung "vortrefflich gelungen" - "auch handwerklich und formal". Bei der Argumentation Rosminis fühlt sich Roellecke immer wieder an Hegel und die Systemtheorie erinnert. Er betont Rosminis strikte Trennung zwischen Kirche und Staat. Als "Hirtenwort an die deutschen Bischöfe" bezeichnet er dessen Auffassung, der Staat dürfe der Kirche nur die gleichen Rechte gewähren wie allen anderen Bürgern, da eine staatliche Förderung der Religion eher schade. Überaus modern erscheint Roellecke auch Rosminis Kritik des Gleichheitsdogmas, des Mehrheitsprinzips, des Nutzenkalküls und damit des Fortschrittsglaubens.

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