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Dieses Buch informiert über die wichtigsten Ereignisse und Zusammenhänge der ukrainischen Geschichte. Es setzt der vorherrschenden russozentrischen Perspektive eine ukrainische gegenüber und versucht gleichzeitig, ukrainische nationale Mythen kritisch zu überprüfen. Dabei wird nicht nur die Geschichte der Ukrainer vom Mittelalter bis zur Gegenwart dargestellt; auch die Geschichte der in der Ukraine lebenden Polen, Russen, Juden und Deutschen wird mir berücksichtigt. Das Buch wurde für die Neuauflage aktualisiert und bis in die unmittelbare Gegenwart fortgeführt.

Produktbeschreibung
Dieses Buch informiert über die wichtigsten Ereignisse und Zusammenhänge der ukrainischen Geschichte. Es setzt der vorherrschenden russozentrischen Perspektive eine ukrainische gegenüber und versucht gleichzeitig, ukrainische nationale Mythen kritisch zu überprüfen. Dabei wird nicht nur die Geschichte der Ukrainer vom Mittelalter bis zur Gegenwart dargestellt; auch die Geschichte der in der Ukraine lebenden Polen, Russen, Juden und Deutschen wird mir berücksichtigt. Das Buch wurde für die Neuauflage aktualisiert und bis in die unmittelbare Gegenwart fortgeführt.
Autorenporträt
Andreas Kappeler ist Prof. em. für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien und Mitglied der Österreichischen und der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.12.2014

Unbekannte Größe
Eine Geschichte der Ukraine - jenseits von Klischees und Parolen

Das Wissen über die Ukraine steht hierzulande in einem umgekehrten Verhältnis zu ihrer Größe: Der Fläche nach ist sie der zweitgrößte Staat Europas, bei der Bevölkerungszahl steht sie an sechster Stelle, aber die Kenntnisse über dieses Land sind gering. Daran hat sich in dem einen Jahr, in dem das Geschehen in der Ukraine nun die Schlagzeilen beherrscht, nur wenig geändert. In dem Maße, in dem der russisch-ukrainische Konflikt die deutsche Öffentlichkeit polarisiert, scheint es sogar immer schwieriger zu werden, mit sachlicher Information durchzudringen, weil jede Aussage zur Ukraine und ihrer Geschichte automatisch immer auch als politische Stellungnahme zum Verhältnis zu Russland wahrgenommen wird.

Dabei machen die öffentlichen Aufrufe zu diesem Thema in den vergangenen Wochen einen eigenartigen Frontverlauf sichtbar: Während sich unter denen, die Verständnis für die russische Politik gegenüber der Ukraine fordern, nur wenige Kenner Osteuropas befinden, sind jene, die sich in Deutschland schon lange mit der Region befassen (und auch sprachlich in der Lage sind, sich aus Primärquellen zu informieren), fast geschlossen der Ansicht, dass wir Zeugen einer Aggression Russlands gegen sein Nachbarland seien, der entschieden begegnet werden müsse.

Unter den Unterzeichnern der Entgegnung von etwa hundert Osteuropafachleuten auf den unter anderen vom früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder und Altbundespräsident Roman Herzog unterzeichneten Appell, der russischen Führung Zugeständnisse zu machen, ist auch der in Wien lehrende Osteuropahistoriker Andreas Kappeler. Wie kaum ein anderer im deutschen Sprachraum weiß er, wovon er spricht, wenn im Aufruf der Fachleute über "Fehlinformationen und tendenziöse Interpretationen zur Ukraine" geklagt wird, die sich in Deutschland in vielen Köpfen festgesetzt hätten. Schon vor zwanzig Jahren hat Kappeler eine "Kleine Geschichte der Ukraine" veröffentlicht, die deutlich mehr war, als ihr bescheidener Titel sagt: Es handelte sich um die erste deutschsprachige Gesamtdarstellung der ukrainischen Geschichte. Gerade ist ihre vierte Auflage erschienen, die bis zu den Ereignissen dieses Sommers führt und deren vorhergehende Kapitel auf den neuen Forschungsstand gebracht wurden.

Dieses kenntnisreiche, gut geschriebene und unaufgeregte Buch sollte lesen, wer ein tragfähiges Wissensfundament erhalten will, um das Geschehen in der Ukraine einordnen zu können. Kappeler beginnt mit einer Begriffsklärung: Was ist die Ukraine eigentlich? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn weder politisch noch geographisch oder ethnisch gibt es klare Grenzen zu den Nachbarn. Das Kerngebiet der heutigen Ukraine war die meiste Zeit Bestandteil anderer Staaten, seit dem 17. Jahrhundert war es sogar auf unterschiedliche Herrschaftsbereiche verteilt, während die Steppen im Süden des Landes bis Mitte des 18. Jahrhunderts von Reiternomaden besiedelt waren; weil sich die einheimischen Eliten sprachlich und kulturell an Russland und Polen orientierten, gab es lange keine gebildete Oberschicht, die Träger einer ukrainischen Kultur gewesen wäre (was russischen Nationalisten das Argument dafür liefert, dass es ein ukrainisches Volk eigentlich nicht gebe).

Kappeler zeigt, wie seit dem 16. Jahrhundert "Ukraina", das heißt "Grenzland", als Eigenbezeichnung für das Gebiet der heutigen Ukraine aufkommt und wie sich parallel dazu ein Verständnis von ethnischer Eigenständigkeit der Ukrainer entwickelt, das nicht an staatlichen Grenzen haltmacht. Zugleich beleuchtet er auch die historischen Mythen kritisch, die von der national orientierten ukrainischen Geschichtsschreibung seit dem Beginn der modernen Nationalbewegung im 19. Jahrhundert gepflegt werden.

Mit der gleichen Nüchternheit schreibt Kappeler auch über jene Abschnitte der ukrainischen Geschichte im 20. Jahrhundert, die im Streit über das aktuelle Geschehen eine besondere Rolle spielen, weil Russland sie zur Rechtfertigung des Kriegs in der Ostukraine heranzieht: die angebliche und die tatsächliche Kollaboration ukrainischer Nationalisten mit den deutschen Besatzern während des Zweiten Weltkriegs. Dabei wird deutlich, dass die Lage in der zwischen Hitler und Stalin geratenen Ukraine so kompliziert war, dass sie in Schwarzweißbildern nicht angemessen erfasst werden kann. Eindeutig war nur eines: Die gesamte Ukraine, Westen wie Osten, wurde von einem kaum vorstellbaren Terror überzogen - zuerst von der Sowjetmacht, dann von den Deutschen, dann wieder von der Sowjetmacht.

Die Ukraine wurde in Deutschland lange - zum Teil wird sie das noch immer - auf dem Umweg über Russland wahrgenommen, wo weder ihre Eigenständigkeit noch ihre Unabhängigkeit bisher wirklich anerkannt wurden. Andreas Kappelers "Kleine Geschichte der Ukraine" öffnet den Blick für die Perspektive der Ukrainer auf ihr Land. Er schreibt mit unverkennbarer Sympathie für die Ukraine, wahrt dabei aber immer eine kritische Distanz.

REINHARD VESER

Andreas Kappeler: Kleine Geschichte der Ukraine. C.H. Beck, 427 Seiten, 16,95 Euro

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