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»Ein imponierender Wurf!« Frankfurter Rundschau
Der Beginn des 20. Jahrhunderts war eine atemlose Zeit: Sigmund Freud erforschte die dunklen Seiten der Seele. Die Physik entlockte der Materie das Geheimnis der Atome. Albert Einsteins Relativitätstheorie transformierte Raum und Zeit. Frauen forderten das Wahlrecht. In den Jahren zwischen der Weltausstellung 1900 in Paris und dem Beginn des Ersten Weltkrieges, bisweilen als Zeit der Ruhe vor dem Sturm verklärt, entstand das moderne Europa. Philipp Blom entfaltet anschaulich und unterhaltsam das facettenreiche Bild einer bewegten Epoche.

Produktbeschreibung
»Ein imponierender Wurf!« Frankfurter Rundschau

Der Beginn des 20. Jahrhunderts war eine atemlose Zeit: Sigmund Freud erforschte die dunklen Seiten der Seele. Die Physik entlockte der Materie das Geheimnis der Atome. Albert Einsteins Relativitätstheorie transformierte Raum und Zeit. Frauen forderten das Wahlrecht. In den Jahren zwischen der Weltausstellung 1900 in Paris und dem Beginn des Ersten Weltkrieges, bisweilen als Zeit der Ruhe vor dem Sturm verklärt, entstand das moderne Europa. Philipp Blom entfaltet anschaulich und unterhaltsam das facettenreiche Bild einer bewegten Epoche.
Autorenporträt
Philipp Blom, geboren 1970 in Hamburg, studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford. Er lebt heute als Schriftsteller und Historiker in Wien und schreibt regelmäßig für europäische und amerikanische Zeitschriften und Zeitungen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.07.2011

Europa vor dem
Sturm
Für die im 19. Jahrhundert Geborenen waren die letzten 14 Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 die „goldene Zeit“. Das Urteil verdankte sich einem verklärten Blick auf eine Zeit, die Philipp Blom in einer anspruchsvollen, sehr gut lesbaren historischen Kolportage geschildert hat. Jedem Jahr dieser letzten Frist des Friedens vor dem großen Krieg hat Blom ein Kapitel gewidmet. Am Anfang steht die Pariser Weltausstellung von 1900, die ein Emblem war für den Optimismus, mit dem die Menschen das neue Jahrhundert begrüßten. Hier kündigte sich an, was in den nächsten Jahren eine ungeheure Dynamik auslöste, die das Leben der Menschen und ihren Blick auf die Welt veränderten. Die Folgen davon zeigten sich nicht nur an den wissenschaftlichen Entdeckungen, sondern auch an sozialen künstlerischen und politischen Entwicklungen, die das 20. Jahrhundert prägten. Johannes Willms
Philipp Blom:
Der taumelnde Kontinent. Europa 1900-1914.
dtv, München 2011.
528 Seiten,
14,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Bloms lebendiger Schreibstil ermöglicht es, dass man sich schnell in die damalige Zeit hineinversetzen kann. Melanie Kappelmaier Münchner Merkur 20140818
»Ein Lesebuch im besten Sinne, kenntnis- und abwechslungsreich und dazu unterhaltsam bis hin zur angedeuteten Ironie.« Frankfurter Neue Presse 15. August 2011

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.10.2009

Wider die Konfektionsgröße
Europa vor 1914: Philipp Blom möchte mit seiner Reportage das Bild von der guten alten Zeit korrigieren

Vor einem Vierteljahrhundert schrieb die Grande Dame der amerikanischen Historiker mit Breitenwirkung, Barbara Tuchman, eine Reportage über das Europa der Vorkriegszeit: "Der stolze Turm". Die Sammlung von Essays reichte von Richard Strauss über die Dreyfus-Affäre in Frankreich bis zu den Weekends der englischen Aristokratie. Viele dieser Topoi begegnen uns auch in den Kapiteln von Philipp Blom wieder - mit dem einen Unterschied, Blom möchte sein Buch ganz explizit nicht als eine Geschichte der Vorkriegszeit aufgefasst wissen, nicht mit "teleologischen Vorurteilen" an sie herangehen. Der Leser möge sich vorstellen, er wüsste "nichts vom Mord in Sarajevo, von der Schlacht an der Somme". Daher versucht er uns nicht auf Schritt und Tritt eine neue Lesart zu präsentieren, warum alles so kommen musste, sondern versteht es, den Leser aufs Glatteis zu führen: So geht es bei "Wagners Wahn" mitnichten um Richard, sondern um einen Namensvetter, der sich als schwäbischer Amokläufer in die Annalen einschrieb. Beim "politischen Mord 1914" geht es nicht um Franz Ferdinand, sondern um die zweite Frau eines französischen Ex-Premiers, Madame Caillaux, die kurzerhand einen Chefredakteur über den Haufen schoss, der in ihrem Vorleben schnüffelte.

Eine zweite gedankliche Operation beruht vielleicht mehr auf einem Missverständnis. Blom möchte das Bild von der "guten, alten Zeit" korrigieren, nicht im Sinne desjenigen, der allzu souverän über den Vorurteilen der Vergangenheit thront, weil er so sehr in seinen eigenen gefangen ist, sondern weil er damit die Vorstellung einer ruhigen, konservativen, statischen Zeit verbindet. Deshalb auch der Buchtitel, der etwas unglücklich übersetzt wurde: "The Vertigo Years" soll den Rausch der Geschwindigkeit symbolisieren, der Übelkeit verursacht, wie das unscharfe Foto des Rennautos auf dem Titelbild. "Der taumelnde Kontinent" ruft da ganz andere, mehr frühmorgendliche Assoziationen hervor. Die gute alte Zeit war eben deshalb so gut, weil sie dynamisch war, sprich: von einem rasanten Wirtschaftswachstum geprägt, während das Europa danach, für vierzig Jahre, von 1913 bis 1953, ökonomisch stagnierte - aus offenkundigen Ursachen.

Freilich, Blom ist kein Wirtschaftshistoriker - und auch kein Fachmann der politischen Geschichte, wie Barbara Tuchman das war. Vom Schlieffenplan verstand sie mehr. Bloms politische Interpretationen sind oft erstaunlich naiv oder gewagt. Die sozialpsychologische Schiene erklärt komplexe historische Konstellationen nur unzureichend. Jede Generation stellt neue Fragen an die Geschichte: Ob die gefährdete "männliche Identität" - eine von Bloms Lieblingsthemen - viel zum Verständnis der Dreyfus-Affäre beiträgt (wie das eine amerikanische Dissertation vorgibt), ließe sich dennoch bezweifeln. War zwischen 1900 und 1914 die "vielleicht profundeste Umwälzung der Lebenswelt der Wandel im Verhältnis zwischen Männern und Frauen" - oder behauptet das bloß jede Generation aufs neue, vom erzwungenen Emanzipationsschub der Kriegsjahre bis zum Pillenknick? Bleiben wir beim "Vielleicht".

Der Kulturhistoriker hält sich an das Einfühlungsvermögen der Künstler - und gerät gerade dadurch auf die Abwege der ausgetretenen Pfade, wie zum Beispiel im Abschnitt über seine Wahlheimat Österreich, der altbekannte Klischees aus Freud, Zweig und Musil reproduziert. Dafür stößt man gleich danach auf einen Adel nach nationalem Proporz (den es just dort nicht geben konnte) oder auf Englisch als Kommandosprache in k. u. k. Regimentern (da wird eine hübsche Anekdote verallgemeinert). Die Gefahr von Rückübersetzungen unterstreicht der Begriff Tschechien - den es damals nicht gab und den damals gerade die Tschechen weit von sich gewiesen hätten - oder der biedere Minister für Unterricht und Kultus, der zu einem bedrohlich mit dem Zeigefinger wackelnden Erziehungsminister mutiert, ebenso wie das alte Badenser Geschlecht Marschall von Bieberstein zu martialischen Preußen.

Beckmesser werden da voll auf ihre Kosten kommen. Doch all diese Mängel werden wettgemacht durch den Enthusiasmus Bloms für seinen Gegenstand, durch den Abwechslungsreichtum seiner Exkurse, den Blick für kuriose, aber doch wiederum bezeichnende Details, Absurditäten und Schrullen: Vom ersten Gefrierschiff 1884, das endgültig die Krise der europäischen Landwirtschaft einläutete, und den neogotischen Wellblechkapellen, die englische Missionare nach Übersee exportierten, über das letzte politische Duell in Frankreich (das erst 1967 stattfand) und den Alkoholtod des Baby-Alligators von Sarah Bernhardt, bis zu prägnanten Zitaten, die es sich zu merken lohnt, so George Orwells höchst aktuelle Klage: "Jeder Fruchtsaftapostel und Sandalenträger glaubt heutzutage eine politische Botschaft zu haben."

Dabei hatten es derlei sektiererische Weltverbesserer gerade im frivol-republikanischen Frankreich schwer; im liberalen England war die Kulturszene weit konservativer als auf dem Kontinent. Das Verhältnis von Sein und Bewusstsein war komplexer, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Immer für eine Überraschung gut und keinem ideologischen Schema verpflichtet sind auch Bloms Vorlieben und Antipathien. Er liebt Edward VII. nicht - diese "kugelförmige Verkörperung eines dekadenten Weltreiches" -, nimmt Kipling in Schutz und geißelt dafür den königlich belgischen Kongo im Kautschukfieber, mit seinen prästalinistischen Ablieferungsquoten bei Strafe der Mutilation, als Schauplatz des "größten Völkermordes der Geschichte".

Bloms "Europa 1900-1914" ist in erster Linie eine Reportage der "chattering classes", die "aussprachen, was jahrhundertelang nur von wenigen angedeutet worden war". Vielleicht ist gerade deshalb sein Buch amüsanter und unterhaltender zu lesen als so manche kondensierte Sozialstatistik, auch wenn sich die Welt nicht auf den literarischen Diskurs reduzieren lässt: "Die Intellektuellen mochten nach einem Ausweg aus der westlichen Kultur suchen, aber die meisten ihrer Zeitgenossen suchten einen Weg hinein." Daraus ergab sich das Dilemma, das auch Kulturrevolutionären späterer Epochen nicht erspart bleibt: Der "Kult des Ich und die gleichzeitige Existenz als Konfektionsgröße".

LOTHAR HÖBELT

Philipp Blom: Der taumelnde Kontinent. Europa 1900-1914. Carl Hanser Verlag, München 2009. 528 S., 25,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Einen etwas ambivalenten Eindruck hat Philipp Bloms Buch "Der taumelnde Kontinent" bei Rezensent Manuel Karasek hinterlassen. Auf der einen Seite hat er einen Menge Lob für das Werk übrig. So attestiert er dem Autor, mit der Darstellung der 15 Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu zeigen, "wie das moderne Europa entstand". Ja, das Buch ist für ihn ein attraktives und instruktives Porträt einer spannenden Epoche. Besonders gefallen hat ihm dabei der geschickte Einsatz von höchst interessantem Material sowie die nie langweilige, packende Darstellung. Auf der anderen Seite kommt Karasek nicht umhin, die Schwächen des Buchs anzusprechen. Diese sieht er vor allem darin, dass Blom zu stark auf das narrative Moment setzt, statt mehr "Deutungsmuster" zu suchen. Außerdem kriege er sein reichhaltiges Material bisweilen nur über Redundanzen in den Griff. Karaseks Fazit: ein gutes Buch, dem allerdings "von Zeit zu Zeit das Bezwingende" fehlt.

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