Joe Coughlin, geachteter Bürger von Tampa, Florida, und Consigliere des Bartolo-Syndikats, hat seine kriminelle Vergangenheit hinter sich gelassen wie Amerika die Prohibition. Bis eines Tages aus heiterem Himmel ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt wird und auf dem Spiel steht, was ihm am wichtigsten ist: sein Sohn - und der einzige Freund, den er hat. Die atemlose Geschichte von 'In der Nacht' geht weiter.
buecher-magazin.deEigentlich könnte Joe Coughlin entspannt sein Leben genießen, nachdem er während der Prohibition mit Rum-Schmuggel Reichtum angehäuft und Einfluss gewonnen hat. Er könnte sich liebevoll seinem klugen Sohn Tomas widmen und sich sonnen in seiner Rolle als größter Wohltäter Westfloridas. Doch Dennis Lehane wird das anheimelnde Szenario, das er am Anfang seines Romans entwirft, auf meisterliche Art entzaubern und unaufhaltsam in die Katastrophe führen. Natürlich gibt es beunruhigende Vorboten: das wiederkehrende geisterhafte Erscheinen eines kleinen Jungen, den nur Joe sieht, ebenso eine Warnung Theresas, einer Auftragskillerin, die im Gefängnis sitzt. Jemand wolle ihm an den Kragen, sagt sie, schon sehr bald. Aber: Joe Coughlin hat sich längst aus dem schmutzigen Straßengeschäft zurückgezogen, er arbeitet bloß noch als Consigliere für Dion Bartolo, den "Boss der Bosse" und Joes engstem Freund seit Kindheitstagen. Coughlin ist beliebt - Feinde hat er nicht. Coughlin nimmt den Hinweis ernst genug, um sich auf die Suche zu machen, wobei er fatale Entscheidungen treffen muss. Lehanes neuer Roman ist wohl sein bisher traurigster Thriller, der souverän und wie nebenbei die großen Fragen menschlichen Daseins behandelt: herzergreifend, elegisch, melancholisch.
© BÜCHERmagazin, Jeanette Stickler
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.11.2015Erschöpfte
Killer
„Am Ende einer Welt“
von Dennis Lehane
Das Dümmste, was einem anständigen Mafioso in den Dreißigerjahren passieren konnte, war die Unterschrift, die der damalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt unter den sogenannten Cullen-Harrison Act setzte. Damit beendete er die Prohibition, und all der illegal gebrannte und geschmuggelte Rum, all die Whiskey-Fässer – sie waren plötzlich keine Grundlage mehr für eine vernünftige Gangsterkarriere.
Der große amerikanische Krimiautor Dennis Lehane, der durch seine finsteren Verbrechermeditationen „Mystic River“ und „Gone Baby Gone“ berühmt wurde, hat sich in den letzten Jahren an den Untiefen der Prohibition abgearbeitet. 2008 erschien sein Boston-Epos „Im Aufruhr jener Tage“ über den Ostküstenwahnsinn der Jahre 1918 und 1919: den Beginn der Prohibition, die Kommunistenhatz, die Spanische Grippe – Boston als ein „Zoo ohne Käfige“. 2012 folgte „In der Nacht“, ein wilder Gangster-Roadtrip im Stil eines Film noir – eine hoffnungslos romantische Liebesgeschichte also.
Nun legt Lehane mit „World Gone By / Am Ende einer Welt“ den Abschluss einer losen Trilogie über Aufstieg und Fall der großen amerikanischen Verbrechersyndikate vor. Die Geschichte spielt in den frühen Vierzigerjahren in Florida. Die Mafia muss sich statt des Alkoholschmuggels neue Verdienstwege überlegen und macht durch den Krieg drüben in Europa jede Menge lukrative Geschäfte. Wie im vorherigen Buch steht der irische Gangster Joe Coughlin im Zentrum. Er hat es als Berater und Geschäftspartner der italienischen Mafia zu viel Geld und Ansehen gebracht. Nur: ein geheimnisvoller Strippenzieher hat einen Killer auf ihn angesetzt. Joe bleiben knapp zwei Wochen, um herauszufinden, wer ihn umbringen will. Zwei Wochen, in denen er die verrauchten Hinterzimmer, verschwitzten Motels und schummrigen Bars in Tampa, Florida abklappert, um seinen Kopf zu retten und den seines Sohnes.
Lehane entwirft das melancholische Panorama einer heruntergewirtschafteten Gesellschaft. Die Männer, die sich hier gegenseitig die Waffen an den Kopf halten und ihre alten Machtspielchen spielen, sie sind allesamt müde geworden, erschöpft. Sie hängen einem Wertesystem und einer Kultur an, die schon in wenigen Jahren von den ersten Ausläufern der Beat-Generation durch rituellen Vatermord abgestraft werden wird. „Am Ende einer Welt“ ist aber natürlich auch wieder eine kluge, traurigkomische Abhandlung von Lehanes großem Überthema. Joe, dieser gnadenlose Jäger und Gejagte, hat in Wahrheit noch viel schlimmere Ängste als den Tod. „Eines von Joes größten Geheimnissen war seine umfassende Furcht vor der Einsamkeit.“
DAVID STEINITZ
Dennis Lehane: Am Ende einer Welt. Aus dem Englischen von Steffen Jacobs. Diogenes Verlag, Zürich 2015. 400 Seiten, 24 Euro. E-Book 20,99 Euro.
Welche Angst ist schlimmer
als die vor dem Tod?
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Killer
„Am Ende einer Welt“
von Dennis Lehane
Das Dümmste, was einem anständigen Mafioso in den Dreißigerjahren passieren konnte, war die Unterschrift, die der damalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt unter den sogenannten Cullen-Harrison Act setzte. Damit beendete er die Prohibition, und all der illegal gebrannte und geschmuggelte Rum, all die Whiskey-Fässer – sie waren plötzlich keine Grundlage mehr für eine vernünftige Gangsterkarriere.
Der große amerikanische Krimiautor Dennis Lehane, der durch seine finsteren Verbrechermeditationen „Mystic River“ und „Gone Baby Gone“ berühmt wurde, hat sich in den letzten Jahren an den Untiefen der Prohibition abgearbeitet. 2008 erschien sein Boston-Epos „Im Aufruhr jener Tage“ über den Ostküstenwahnsinn der Jahre 1918 und 1919: den Beginn der Prohibition, die Kommunistenhatz, die Spanische Grippe – Boston als ein „Zoo ohne Käfige“. 2012 folgte „In der Nacht“, ein wilder Gangster-Roadtrip im Stil eines Film noir – eine hoffnungslos romantische Liebesgeschichte also.
Nun legt Lehane mit „World Gone By / Am Ende einer Welt“ den Abschluss einer losen Trilogie über Aufstieg und Fall der großen amerikanischen Verbrechersyndikate vor. Die Geschichte spielt in den frühen Vierzigerjahren in Florida. Die Mafia muss sich statt des Alkoholschmuggels neue Verdienstwege überlegen und macht durch den Krieg drüben in Europa jede Menge lukrative Geschäfte. Wie im vorherigen Buch steht der irische Gangster Joe Coughlin im Zentrum. Er hat es als Berater und Geschäftspartner der italienischen Mafia zu viel Geld und Ansehen gebracht. Nur: ein geheimnisvoller Strippenzieher hat einen Killer auf ihn angesetzt. Joe bleiben knapp zwei Wochen, um herauszufinden, wer ihn umbringen will. Zwei Wochen, in denen er die verrauchten Hinterzimmer, verschwitzten Motels und schummrigen Bars in Tampa, Florida abklappert, um seinen Kopf zu retten und den seines Sohnes.
Lehane entwirft das melancholische Panorama einer heruntergewirtschafteten Gesellschaft. Die Männer, die sich hier gegenseitig die Waffen an den Kopf halten und ihre alten Machtspielchen spielen, sie sind allesamt müde geworden, erschöpft. Sie hängen einem Wertesystem und einer Kultur an, die schon in wenigen Jahren von den ersten Ausläufern der Beat-Generation durch rituellen Vatermord abgestraft werden wird. „Am Ende einer Welt“ ist aber natürlich auch wieder eine kluge, traurigkomische Abhandlung von Lehanes großem Überthema. Joe, dieser gnadenlose Jäger und Gejagte, hat in Wahrheit noch viel schlimmere Ängste als den Tod. „Eines von Joes größten Geheimnissen war seine umfassende Furcht vor der Einsamkeit.“
DAVID STEINITZ
Dennis Lehane: Am Ende einer Welt. Aus dem Englischen von Steffen Jacobs. Diogenes Verlag, Zürich 2015. 400 Seiten, 24 Euro. E-Book 20,99 Euro.
Welche Angst ist schlimmer
als die vor dem Tod?
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Auch der dritte und abschließende Teil von Dennis Lehanes Reihe um den Gangster Joe Coughlin hat Katharina Granzin wieder hervorragend gefallen. Was vor allem daran liegt, dass Lehane ein versierter Stilist ist, der sich blendend auf atmosphärisch dichte Genreromane versteht und seine Figurenpsychologie dankenswerterweise nicht ausplaudert, sondern "entschlossen ins Metaphorisch-Figurale" verlegt. Im vorliegenden Roman erzielt er dies durch Gothic-Stoffen entlehnte Gespenstervisionen und eine, im Gegensatz zu den vorangegangenen Bänden, deutlich rigorosere Erzählweise, die ihren Stoff beinahe schon in die Nähe antiker Dramen rückt, wie die Kritikerin erklärt. Dass Lehanes Coughlin-Reihe nicht nur ein sorgfältig konstruiertes Gesellschaftspanorama entwirft, sondern auch in der Nähe von Superhelden-Stoffen siedelt, rechnet sie dem Autor zudem hoch an - wie auch das düstere, kathartische Ende, in das der Autor noch geschickt ein Happy-End, wenn auch nur im Kleinen, verpackt habe.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Dennis Lehane ist ein Meister des Thrillers.« Manfred Papst / NZZ am Sonntag NZZ am Sonntag