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Im Jahr 2014 wendet sich das Jahrbuch des Deutschen Polen-Instituts dem polnischen Mann zu. Im Zuge der dramatischen Veränderungen in der polnischen Gesellschaft, die vor allem nach dem EU-Beitritt 2004 einsetzten, entziehen sich heute vor allem die jungen Menschen in den Großstädten den traditionellen familiären Banden und praktizieren das, was vor Kurzem noch tabuisiert wurde oder exotisch erschien. Wankt die traditionelle Ordnung, müssen auch die bisherigen Geschlechterrollen neu definiert und geordnet werden: Bisher genoss der polnische Mann eine privilegierte Stellung, die ihm nun auf…mehr

Produktbeschreibung
Im Jahr 2014 wendet sich das Jahrbuch des Deutschen Polen-Instituts dem polnischen Mann zu. Im Zuge der dramatischen Veränderungen in der polnischen Gesellschaft, die vor allem nach dem EU-Beitritt 2004 einsetzten, entziehen sich heute vor allem die jungen Menschen in den Großstädten den traditionellen familiären Banden und praktizieren das, was vor Kurzem noch tabuisiert wurde oder exotisch erschien. Wankt die traditionelle Ordnung, müssen auch die bisherigen Geschlechterrollen neu definiert und geordnet werden: Bisher genoss der polnische Mann eine privilegierte Stellung, die ihm nun auf allen Ebenen streitig gemacht wird.
Die Autorinnen und Autoren der rund zwanzig Essays, Interviews und Literaturbeiträge sind sich einig: Die Krise (oder der Wandel ) des traditionellen Männlichkeitsbildes ist allgegenwärtig; Karriere, Beziehung, Familie, Gesundheit all das und noch viel mehr bereitet dem heutigen Mann Kopfschmerzen. In der Regel wird als Hauptursache die Spannung zwischen überkommenen Rollenvorstellungen und den Ansprüchen der sich emanzipierenden sozialen Umwelt diagnostiziert. Unterschiedlich sind dagegen die Analysen und die Vorschläge, wie eine neue Identität, die als Hybride zwischen neuem Verantwortungsbewusstsein und Partnerschaft gesucht wird, erreicht werden kann.
Zu den Autoren des Jahrbuchs gehören u.a. Tomasz Szlendak, Brigitta Helbig-Mischewski, Dariusz Muszer, Adam Leszczynski, Marek Rymsza, Andrzej Stasiuk, Janusz Glowacki, Mariusz Sieniewicz, Szczepan Twardoch, Hanna Samson und Milka Malzahn.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.05.2014

Suche nach dem modernen Ritter
Jahrbuch des Polen-Instituts zur Lage polnischer Männer

h.r. DARMSTADT. Mit dem Slogan "Laptop und Lederhose" ist vor einigen Jahren in Bayern die schwierige Aufgabe, Tradition und Moderne zu versöhnen, auf eine Kurzformel gebracht worden. Vor dieser Herausforderung steht auch Polen, jenes Land, in dem sich zwar 93 Prozent der Menschen als Katholiken bezeichnen, in dem aber die rasante Modernisierung und Globalisierung seit den neunziger Jahren gleichwohl zu einem dramatischen Wertewandel geführt hat. Das zeigt eine Publikation des Deutschen Polen-Instituts, das seinen Sitz in Darmstadt hat, am Beispiel der Lage der Männer. Ihrer prekären Situation ist das "Jahrbuch Polen 2014" gewidmet.

Wer den Befund der Soziologen, Schriftsteller, Feministinnen, Aktivisten der Schwulenbewegung, Filmemacher und Journalisten, die auf den 240 Seiten zu Wort kommen, ernst nimmt, kann von einem "starken Geschlecht" nicht mehr reden. Der polnische Mann geht mehr und mehr auf dünnem Eis, weil seine bisherige Rolle, die stark von der katholischen Moral bestimmt war, sich in Auflösung befindet. Wie der Kulturwissenschaftler Krzysztof Arcimowicz in seinem Beitrag über "Männlichkeitsmuster im heutigen Polen" schreibt, geht dessen Vorrangstellung als Ernährer und Familienoberhaupt verloren, wofür viele Ursachen angeführt werden können: schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse, starke weibliche Konkurrenz, moderne partnerschaftliche Beziehungen jenseits der traditionellen Ehe oder die in Mode kommenden konkurrierenden Rollenverständnisse von Playboys, Machos und metrosexuellen Männern.

Letztere Spezies hat, wie der Soziologe Marek Rymsza beklagt, mit einem ritterlich gestimmten Männerbild nichts mehr gemein. Ein Cristiano Ronaldo etwa sorge sich in typisch weiblicher Weise vor allem um seine Frisur, die neueste Mode und die Präsentation seines Egos. Für eine größere und gerechtere Sache oder um "die Ehre der Dame seines Herzens" kämpfe ein derart verweiblichter Kerl nicht mehr.

Was die polnische Männlichkeitskrise, die Arcimowicz konstatiert, weiter verschärft, ist die Schwierigkeit, eine Antwort auf die Frage zu geben, was es bedeutet, ein "echter" Mann zu sein. Wie sieht die neue Identität, der neue polnische Ritter aus? Es gehört zu den wenig charmanten Aspekten der polnischen Geschlechterdebatte, dass sie vorwiegend in Frauenmagazinen geführt wird. Diese "nachlassende intellektuelle Präsenz" und die Tendenz zur Abkapslung zählt nach Meinung des Soziologen Tomasz Szlendak zu den akuten Krisensymptomen des männlichen Geschlechts.

Dem Jahrbuch Polen kann man diesen Vorwurf nicht machen. Es skizziert die Männlichkeitskrise aus zahlreichen Blickwinkeln und mit Hilfe unterschiedlicher Sprachformen - von Essays über Interviews, Gedichte bis zu Kurzerzählungen. Antworten, für die sich auch deutsche Männer interessieren könnten, enthält das Jahrbuch ebenfalls. Etwa Rymszas "Mini-Programm" für das verunsicherte Geschlecht. Es besteht aus drei Schritten: sich selbst Grenzen des Konsums setzen, Verantwortung übernehmen und Treue zu sich selbst und anderen leben - drei zeitgemäße "ritterliche Haltungen", die der Autor als Ausdruck männlicher Emanzipation versteht.

Jahrbuch Polen 2014 Männer. Herausgegeben vom Deutschen Polen-Institut, 240 Seiten, Preis 11,80 Euro.

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