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"The Bitter Bierce". Siegeszug der zynischen VernunftDer amerikanische Schriftsteller Ambrose Bierce (1842-Weihnachten/Neujahr 1913/14) hatte nicht nur eine scharfe Zunge, sondern auch eine spitze Feder. Er war einer der schillerndsten Gestalten im literarischen Amerika des 19. Jahrhunderts - die personifizierte Provokation und ein gehässiger Zyniker, der kein Thema ausließ. Ganz gleich, ob es um allgemeine, kleine oder große Schwächen des Menschengeschlechts ging - seinem Hohn war nichts heilig. Berühmt wurde er mit seinem "Wörterbuch des Teufels", einer Sammlung galliger und pointiert-geistreicher Aphorismen.…mehr

Produktbeschreibung
"The Bitter Bierce". Siegeszug der zynischen VernunftDer amerikanische Schriftsteller Ambrose Bierce (1842-Weihnachten/Neujahr 1913/14) hatte nicht nur eine scharfe Zunge, sondern auch eine spitze Feder. Er war einer der schillerndsten Gestalten im literarischen Amerika des 19. Jahrhunderts - die personifizierte Provokation und ein gehässiger Zyniker, der kein Thema ausließ. Ganz gleich, ob es um allgemeine, kleine oder große Schwächen des Menschengeschlechts ging - seinem Hohn war nichts heilig. Berühmt wurde er mit seinem "Wörterbuch des Teufels", einer Sammlung galliger und pointiert-geistreicher Aphorismen.
Autorenporträt
Dr. Michael Siefener, geboren 1961 in Köln, studierte nach dem Abitur Rechtswissenschaften an der Universität Köln. Promotion über "Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie." Seit 1992 freier Schriftsteller und Übersetzer. Lebt abwechselnd in Hamburg und Manderscheid/Eifel.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.11.2013

Mit Adam kamen die Dummköpfe an die Macht
Was herauskommt, wenn Mephisto sich in einen Zeitungskolumnisten verwandelt: „Des Teufels Wörterbuch“ von Ambrose Bierce in neuer Übersetzung
Dieses Buch liefert ein gewichtiges Argument gegen das E-Book. Ein E-Book nämlich könnte sich niemals mit einem Maulwurfspelz aus schwarzem Samt, wie er hier den Einband bildet, in die Hand schmeicheln, nie mit solch satanischer Tücke seines höllischroten, metallisch tiefgeprägten Titels bezaubern und den Leser schon vor dem ersten Wort zum Komplizen des Schirmherrn machen, der im Profil, metallischrot auch er, grässlich vergnügt über die Vorderseite tanzt, mit Hörnern, Schweif und allem, was dazugehört: der Teufel persönlich. Noch das Lesebändchen wirkt wie sein Zünglein.
  „Des Teufels Wörterbuch“ nannte Ambrose Bierce sein Werk, das aus Zeitungskolumnen erwuchs und zwischendurch auch schon mal „Wörterbuch des Zynikers“ hieß. Bierce gehört zu den verwegenen Journalisten, die während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die amerikanische Presselandschaft bevölkerten und deren berühmtester Vertreter Mark Twain ist. Aber Bierce fehlt das Augenzwinkernde, Staatstragende, diese Haltung des „Nichts für ungut“, die Twain in seinen späteren Jahren entwickelte.
  Bierce bewahrt sich seine Schärfe. Er bekundet Sympathie für den Fürsten der Unterwelt und denkt ihn doch als eine Art Mephistopheles, den höhnischen Humanisten. Am Muster des Lexikons schätzt er vor allem das Erfordernis der Knappheit, welches seinem Humor zu solcher Trockenheit verhilft, dass es staubt; es bewahrt ihn vor der Eitelkeit des Aphorismus. Als selbstverständlich wird vorausgesetzt, dass Politiker korrupt sind, Feinde perfid, Freunde treulos, Autoren Holzköpfe, Christen Heuchler, die Öffentlichkeit anmaßend und verblödet, Frauen verschlagen und selbstgerecht. Eigentlich kann man sie alle unter einem einzigen Gesichtspunkt subsumieren, der Dummheit. Sie wird nicht als Mangel an Intelligenz gebucht, sondern als moralische Qualität.
  Beim Stichwort „Dummkopf“ heißt es: „Angehöriger der in Kunst und Leben herrschenden Dynastie. Die Dummköpfe kamen mit Adam an die Macht, und da sie sowohl zahlreich als auch robust sind, haben sie die gesamte bewohnbare Welt überrannt. . . . Das intellektuelle Zentrum der Rasse liegt irgendwo nahe Peoria, Illinois; in seiner moralischen Festigkeit ist der Dummkopf aus den Neuenglandstaaten jedoch der unerträglichste.“
  Aber gerade das Unerträgliche kann der Verfasser ganz gut ertragen. Ja, es verschafft ihm eine Grundstimmung grimmig-heiterer Befriedigung, dass alles wirklich so schlimm ist, wie es ist: die Affektlage des wahren Satirikers. Dieser würde niemals in den plumpen Ruf ausbrechen: Friede den Hütten, Krieg den Palästen! Verkleidet als Lexikograf, hält er stattdessen unter dem Stichwort „Slum“ fest: „Frucht einer Blüte namens Palast“ – das verhilft zu blitzhafter Einsicht in die Naturgeschichte des Kapitalismus. Unter „Besitz“ heißt es: „Vorteil, der sich für A daraus ergibt, dass B das Recht aberkannt wird, das Eigentum von C an sich zu nehmen. – Die Essenz des Rechtwesens.“ Denkt man darüber nach, so wird man finden, dass es genau so funktioniert; nur die extreme perspektivische Verkürzung führt dazu, dass der Gedanke zynisch wirkt.
  Was lässt sich zu „Friede“ sagen? „In der Weltpolitik eine Periode des Betrugs zwischen zwei Perioden des Kampfes.“ Das wirft die freundliche Illusion der Versöhnbarkeit über Bord, hält an der eisernen Fortdauer des Interesses fest und stellt uns die Frage, ob wir uns wirklich so leichtfertig vom Betrug verabschieden sollten, wo seine Alternative nur die Gewalt sein kann.
  Nicht zuletzt dient die Anrufung des Teufels dazu, eine andere Figur zu maskieren, die des Missvergnügten. Der wäre auch dann nicht zur freudigen Teilnahme an den Geschäften der Menschen zu bewegen, wenn sie alles, was sie können, zum Bessern wendeten. Das geschichtliche Dasein mag übel in seinen Details sein; übler sind seine sozusagen kantianischen Grundbedingungen. „Gegenwart: Jener Teil der Ewigkeit, der die Domäne der Enttäuschung vom Reich der Hoffnung trennt.“ Und Sterblichkeit ist „der uns bekannte Teil der Unsterblichkeit“. Hier kristallisiert der Einspruch des Skeptikers gegen alles verheißene Heil.
  „Strang: Veraltetes Gerät, um Mörder daran zu erinnern, dass auch sie sterblich sind.“ Wollen wir die Todesstrafe? Natürlich nicht! Aber sie hat zwei sehr machtvolle Begründungen von Strafe überhaupt auf ihrer Seite: die Vergeltung und die Abschreckung. Beide finden in diesem einen Satz ingeniös zusammen; er ist bestürzend gut formuliert. Doch wiederum nicht so gut, dass sein Ausdruck nicht noch gesteigert werden könnte. Der Rezensent entsinnt sich, ihn auch schon in der Form gelesen zu haben, dass hier die „Herren Mörder“ erinnert würden. Durch die Einfügung des einen Wortes erlangt der Satz auf einmal eine demagogische Energie, dass einem angst und bange werden kann.
  Womit die Frage der Übersetzung und Übersetzbarkeit angesprochen wäre. Gisbert Haefs hat, was Auswahl und Übertragung betrifft, Bewundernswertes geleistet. Jedoch hat man häufig das Gefühl, er hätte, im Sinn seines höllischen Patrons, mehr zuspitzen sollen. Das Stichwort „eifersüchtig“ ist so wiedergegeben: „Unziemlich besorgt um die Bewahrung von etwas, was man nur verlieren kann, wenn es das Behalten nicht lohnt.“ Sollte der Teufel ein so schlechter Rhetor sein? Gerade die Rhetorik traut man ihm doch zu!
  Es sollte mindestens heißen: „Unziemlich besorgt, etwas zu bewahren, das, wenn es verloren werden kann, die Bewahrung nicht lohnt.“ Noch besser wäre vermutlich eine Variante, die aus dem Wechsel von „verlieren – verloren“ ihren Grundbass bezieht, der dem rationalen Gedanken das rhythmische Gleichgewicht hält. Mein Vorschlag wäre: „Übermäßig besorgt, etwas zu verlieren, was, wenn es verloren werden kann, die Sorge nicht wert ist.“ Hier spätestens greift allerdings die Übersetzungskritik hinüber ins Original.
  Und welches sind die besten Einträge? Nach Ansicht des Rezensenten die folgenden beiden, die einander wundersam ergänzen: „Allein: in schlechter Gesellschaft.“ „Anders: auch nicht besser.“ Da denkt mal drüber nach, ihr innovativen Individualisten!
BURKHARD MÜLLER
    
    
            
Ambrose Bierce: Des Teufels Wörterbuch. Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Gisbert Haefs. Manesse Verlag, Zürich 2013. 224 Seiten, 19,95 Euro.
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