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Warum Philologie? Der Indologe Sheldon Pollock beschwört in diesem leidenschaftlichen Plädoyer das große Potenzial und die unbedingte Notwendigkeit philologischer Forschung im Zeitalter der Globalisierung. Die Philologie sorgt für die Kultivierung von Werten, die für unser intellektuelles, soziales und ethisches Leben unverzichtbar sind. Sie vermittelt "Lektionen der Wahrheit, der Solidarität mit anderen Vergangenheiten und der Gegenwart" und schafft kritisches Selbstbewusstsein.

Produktbeschreibung
Warum Philologie? Der Indologe Sheldon Pollock beschwört in diesem leidenschaftlichen Plädoyer das große Potenzial und die unbedingte Notwendigkeit philologischer Forschung im Zeitalter der Globalisierung. Die Philologie sorgt für die Kultivierung von Werten, die für unser intellektuelles, soziales und ethisches Leben unverzichtbar sind. Sie vermittelt "Lektionen der Wahrheit, der Solidarität mit anderen Vergangenheiten und der Gegenwart" und schafft kritisches Selbstbewusstsein.
Autorenporträt
Sheldon Pollock studierte Griechische Philologie, Sanskrit und Indische Kultur- und Literaturgeschichte in Harvard. Bevor er eine Professur an der Columbia University anstrat, lehrte er an der University of Chicago. Seine Fachgebiete sind Sanskrit, Indische Literatur- und Kulturgeschichte sowie vergleichende Kulturgeschichte. Er ist Herausgeber der zweisprachigen Ausgabe der Murty Indian Classical Library of India, diverser Fachzeitschriften sowie zahlreicher eigener Publikationen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.01.2017

Philologie
der Freiheit
Anthony Grafton über die Anfänge
historisch-kritischer Methoden
Gerade erst sind die „alternative facts“ erfunden worden, und Orwells Begriff des „Neusprech“ feiert ein Comeback bis hinein in die Bestsellerlisten. Da könnte eine beinahe vergessenen Disziplin, die von ihren eigenen Vertretern gern zu Tode geredet und von den Hochschulplanern als unnütz verachtet wird, neue Bedeutung bekommen – die Philologie.
Das zumindest hofft der amerikanische Indologe Sheldon Pollock. In einem fulminanten Essay („Philologie und Freiheit“, Matthes & Seitz, Berlin 2016) erklärt er, „dass Philologie vielleicht die exemplarischste Fachdisziplin für eine Welt-Universität des 21. Jahrhunderts sein könnte, dass sie in ihren besten Hervorbringungen und Aktivitäten die Kultivierung von Werten anleitet, die für unser intellektuelles, soziales und ethisches Leben unverzichtbar sind.“
Die Sache selbst ist so kompliziert nicht: Philologie verlangt lediglich ein gutes und genaues Lesen, anders ausgedrückt, bedarf sie der „Kritik“. Also war es eine Wohltat, mit dem Princeton-Historiker Anthony Grafton einen Nachfahren jener humanistischen Gelehrsamkeit zu erleben, deren Verpflanzung – infolge der europäischen Katastrophe des 20. Jahrhunderts – Amerikas Universitäten groß gemacht hat. An Frankfurts Goethe-Universität hielt Grafton drei öffentliche Vorträge. Ermöglicht wurden sie durch die Stifterin Dagmar Westberg, eine bedeutende Frankfurter Mäzenin und gebürtige Hamburger Jüdin, die er st zwei Tage zuvor im Alter von 102 Jahren verstorben war.
Humanistische Gelehrtheit, wie sie Anthony Grafton in menschenfreundlicher, dazu humorbegabter Haltung und Sprache verkörpert, entstammt selbst jener kosmopolitischen, vielsprachigen und überkonfessionellen Respublica literarum, mit deren Entwicklung und deren kritischem Impetus gegenüber allen früheren Überlieferungen sich Graftons Vorträge exemplarisch befassten. Sie verabscheute Folter, kannte keine Mauern, keine Einreiseverbote: Ihr Ideal schildert Grafton am Eingang seiner Essaysammlung „Worlds made by Words“ mit Sätzen des französischen „homme de lettre“ Noël Bonaventure d’Argonne von 1699: „Die Respublica literarum ist sehr alten Ursprungs (…) Sie umfasst die gesamte Welt und setzt sich zusammen aus allen Nationalitäten, allen gesellschaftlichen Klassen, sämtlichen Altersgruppen und aus beiden Geschlechtern.“ Fehlt nur noch die Konfession, derentwegen die Gelehrtenrepublik sich „Regeln der Zivilität“ und der Toleranz auferlegte.
Grafton zeichnete faszinierend die Wege nach, mit denen humanistische Gelehrte unterschiedlicher Konfession sich im Zeitalter von Reformation und Gegenreform der alten Welt und den Anfängen des Christentums näherten. Dies geschah entlang schriftlicher wie materieller Überlieferungen, aber auch entlang von Riten, Liturgien und heterodoxen Glaubensinhalten. Ironischerweise befeuerte das Misstrauen protestantischer, vor allem calvinistischer Humanisten gegenüber ihren katholischen Kollegen den beiderseitigen kritischen Impetus und die Schärfung der textkritischen Methoden. Im Wettlauf nach authentischen Zeugnissen wurden diese kopiert, geprüft, verglichen, emendiert, korrigiert, ediert und schließlich gedruckt.
Wie zuvor die Handschriften blieben auch die Druckwerke nicht unversehrt: Wo immer Platz vorhanden war, wurden sie mit Notizen und Randbemerkungen, mit Korrekturen und Kommentaren verschönert, so dass unter der Hand bereits so etwas wie rudimentäre historisch-kritische Ausgaben von Werken der Philosophen und Kirchenlehrer sowie der Kirchengeschichte entstanden. Vor allem ging es dabei um das Verhältnis der frühen Christen zu ihrer jüdischen oder heidnischen Vergangenheit.
Dogmatiker, Judenhasser und andere Zeloten mussten im Zuge der Verfeinerung der Studien regelmäßig passen: Stets stellte sich heraus, dass die frühen Christen ihre Riten, Liturgien und Feste keineswegs aus dem Nichts geschaffen, sondern regelmäßig auf jüdische oder heidnische Prototypen zurückgegriffen hatten. Der Wissenschaft eröffnete sich eine bis dahin vergessene Welt des improvisierten kulturellen Austauschs zwischen antiker römisch-griechischer, jüdischer und christlicher Welt – zur Förderung und steten Verbesserung der wissenschaftlichen, religiösen wie konfessionellen Vielfalt, Pluralität und Toleranz auch in der Gegenwart.
VOLKER BREIDECKER
Das Misstrauen zwischen
Protestanten und Katholiken
befeuerte die Textkritik
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