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Technische Angaben: Bildformat: 2.40:1/2.35:1 Anamorph Widescreen Sprache / Tonformate: Deutsch, Englisch, Italienisch (Dolby Digital 5.1/Dolby Surround) Untertitel: Deutsch, Englisch u. a. Ländercode: 2 Extras: Making of u. a.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Biographien Crew - Kapitel- / Szenenanwahl - Making Of - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten

  • Anzahl: 2 DVDs
Produktbeschreibung
Technische Angaben:
Bildformat: 2.40:1/2.35:1 Anamorph Widescreen
Sprache / Tonformate: Deutsch, Englisch, Italienisch (Dolby Digital 5.1/Dolby Surround)
Untertitel: Deutsch, Englisch u. a.
Ländercode: 2
Extras: Making of u. a.

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2008

Schnee des Vergessens

Wie wird der amerikanische Wahlkampf 2008 ausgehen? Natürlich mit dem Weltuntergang: Richard Kellys Film "Southland Tales" zeigt ihn.

Ein Spielzeugsoldat robbt, eher kraftlos und verwundet als kampfentschlossen, im Dunst einer breiten südkalifornischen Strandstraße auf die Kamera zu. Nebel ist Qualm ist Dampf ist weißliche Dämmerung. Ein Schrank von Mann (Dwayne Johnson) namens Boxer Santaros, dessen Körperpanzer wie zerbrochen wirkt, liegt in Embryonalhaltung in der Wüste. Der Kerl ist Kino-Actionheld und hat die Tochter eines republikanischen Politikers geheiratet, der kurz vor einer Art legaler Machtergreifung im Rahmen der kontrollgesellschaftlichen Teilverstaatlichung des World Wide Web ("USIDent") steht.

Gegen seinen Willen wird Santaros, gebaut wie Schwarzenegger, aber beim Eingriff in Staatshändel zögerlich wie Hamlet, in ein brezelartig verschlungenes Geschehen gezerrt. Das Chaos überfordert bald seinen armen Verstand; nur ein tausend Spiegelflächen reiches Facettenauge könnte es überhaupt überblicken: In den Vereinigten Staaten der nahen Zukunft kollabiert die Außenpolitik nach einem von Terroristen verübten atomaren Doppelschlag in konfuse Innenpolitik. Verbleibende linksliberale Kräfte werden ins extremistische Abseits gedrängt ("Neo-Marxists"). Eine auf Gezeitenkraft, Quantenverschränkung und drahtlose Stromübertragung gegründete neue Energieversorgungstechnik ("Fluid Karma") verspricht, die Weltordnungsfrage neu - und völlig anders als ihre Vorgängerin, die Erdölwirtschaft - auf die Tagesordnung zu setzen. Dabei hat Santaros, der diesen ganzen Wahnsinn mit seinen Schaufelbaggerhänden ordnen soll, viel persönlichere Probleme: Kaum findet er, mit schwerem Gedächtnisschaden, seinen Weg aus der Wüste zurück in die Zivilisation, muss er sich mit einer nach gesellschaftlicher Anerkennung lechzenden Pornodarstellerin (Sarah Michelle Gellar), die ebenso gerissen wie naiv ist, über die angemessene Tiefencharakteristik einer Frauenrolle im geplanten gemeinsamen Film "The Power" herumstreiten: "Ozeanographische Katastrophenspezialistin!" "Astrophysikerin!" "Nein, ozeanographische Katastrophenspezialistin!"

Die Situationskomik solcher Dialoge (man merkt der Regie eine tiefe Liebe zur in verzögerten Reaktionszeiten der Figuren aufgehobenen Slapstick-Konvention des "Slowburn" an) verleiht den gelegentlichen Längen des sich auf Apokalyptisches zuwälzenden Handlungsgangs eine eigenartige, von Understatement gefütterte Würde. Aber dies ist, so kulinarisch man als Zuschauer damit umgehen kann, nicht das Entscheidende. Es ergänzt und schützt vielmehr nur die in zahllose solcher hübschen Details wie zwischen Styroporkügelchen erschütterungssicher verpackte melancholische Grundgestimmtheit der Figuren und ihres Erfinders - da schaut etwa ein junger Irak-Veteran (die verwirrendste, bezauberndste Entdeckung im ganzen Film: Justin Timberlake) sein Publikum plötzlich von der Leinwand aus an, als wüsste er bereits von all den posthistorischen Katastrophen, die wir noch werden erleben müssen, und singt mit lüsternem Grinsen, aber kummerdunklen Augen einen Song der "Killers": "I got soul but I'm not a soldier."

Zur selben Zeit (was immer diese Formel hier bedeuten mag) erteilt eine linke Untergrundorganisation einem jungen Idealisten (Seann William Scott) den unbarmherzigen Marschbefehl für eine geplante situationistische Medienoperation: "Du musst ein rassistischer Bulle werden." Der Idealist gibt sich damit zwar redlich Mühe ("Watch out for the niggers. They're everywhere"), verliert aber bald den Faden, an dem sein Leben hängt. Dabei geht es in "Southland Tales" letztlich vor allem um ihn, den es außerdem doppelt gibt, als Zwilling Roland/Ronald Taverner (der Nachname stammt aus einem Roman von Philip K. Dick), so doppelt geschrieben und zweifach gedacht wie der Unterschied zwischen différence und différance bei Derrida: Scotts Figur, die im Irak-Feldzug zur selben Kampfeinheit gehörte wie Timberlake, muss die von der Spaltung zur Versöhnung strebende Moral der komplexen Geschichte verkörpern - erst wenn Amerika sich seine jüngsten Sünden vergeben kann, wird es eine Zukunft haben. Kein Wunder, dass Taverners Selbstbild an dieser schweren Last kaputtgeht: Wir sehen ihm dabei zu, wie er sich im Spiegel verkennt, wie er durch einen Türspion als Zerrbild beäugt wird, wie er sich schließlich eine Droge injizieren muss, die nichts anderes ist als sein eigenes Gedächtnis.

Das alles ist auf schwer schriftlich zu beschreibende, filmisch aber mit großer Anmut dargestellte Weise tieftraurig, mitten im grell Satirischen, und eben deshalb schön. Die Trauer im Werk hat ihre Entsprechung im Schicksal desselben: Man müsste diesem Film, um den sein Schöpfer Richard Kelly jahrelang einen aussichtslosen Kampf gegen alle Finanzierungs- und Sehgewohnheiten Hollywoods gekämpft hat und von dem Rezensionen jetzt, da man ihn endlich sehen darf, schon mal explizit und hämisch behaupten, er werde Kellys Karriere beenden, eigentlich einen Nachruf schreiben, keine Kritik. Während sich quälend hinziehender Monate wurde "Southland Tales", nach bestenfalls interessiert skeptischer Aufnahme durchs Cannes-Premierenpublikum im Mai 2006, vom Zahn der Zeit gründlicher zernagt als die bombastischsten Post-production-Werkstücke der Computerbildära: Neu schneiden, "klarer machen", lautete die Weisung der Finanziers, und Kelly tat sein Bestes. Weniger zielführend jedoch hätte wohl keine Order sein können. Denn worauf bei derlei geachtet werden muss, die sogenannte Zugänglichkeit von Plot und Story, hat mit Kellys hohen Ansprüchen ans eigene Schaffen nur äußerst mittelbar zu tun.

"Southland Tales" nämlich ist Lyrik, nicht Epik - dass die beiden republikanischen Politiker im Zentrum der geschilderten Faschisierung des Gemeinwesens "Frost" und "Eliot" heißen und folglich Zitate aus "The Waste Land", "The Hollow Men" und "The Road Not Taken" (neben Bibelversen und Auszügen aus einem Song von "Jane's Addiction") die Fülle der Motive verklammern, hat daher strengste Methode. Es ist dieselbe, der sich alles, was man in "Southland Tales" betrachten und hören kann, mit pedantisch durchchoreographiertem Ernst unterordnet: Die vielen Dampf- und Nebelbilder etwa, vom Trockeneis einer Showbühne über den kalten Hauch des flüssigen Stickstoffs im Labor bis zur rußigen Rauchsäule bei Krawallen in Los Angeles, sind im Sinne des Rhapsodischen, Dichterischen durchaus blickführend, das heißt: enthüllend und verschleiernd zugleich gemeint, weshalb für "Fog Elements" sogar eigens eine Spezialeffektfirma engagiert wurde. Auch der Einsatz der Musik des Elektronik-Innendekorateurs Moby oder parodistisch zugespitzter Radioformate (vom Britney-Spears-Song bis zum Indie-Rock) soll eine präzise lyrische Gliederung nach Strophe-Refrain-Schema erleichtern, die den drei durchnumerierten Kapiteln des Werks zugrunde liegt. Und selbst die geschätzten zwölf Milliarden Anspielungen auf literarische Sciencefiction (einmal sagt ein Polizist tatsächlich: "Flow, my tears", denn einer der besten Romane von Philip K. Dick heißt ja "Flow, My Tears, the Policeman Said") führen sämtlich nach Rom - nämlich auf die Spur der motivisch aggregierenden Montage von einprägsamen Sentenzen - wie in der gelungenen Ode oder Hymne, nur dass diese "Sätze" hier visuell sind, also Bildeinheiten.

Kelly geht mit seinem Quellenmaterial, dem Genre der negativen Zukunftsvision, folglich schlicht so um, wie Eliot und Ezra Pound, Wallace Stevens oder W.H. Auden mit Browning und Keats umgegangen sind. Er will im Sinne Harold Blooms ein "starker Dichter" sein, ein mythopoetischer Erneuerer des Sciencefiction-Kinos. Sein zu bekämpfender und zu beerbender Vorfahr heißt da vor allem Ridley Scott (als Auteur von "Alien" und "Blade Runner"), wie derjenige Clint Eastwoods John Ford heißt, wenn Eastwood Western dreht. Dass Kelly, dessen vorangegangener Erstling "Donnie Darko" ähnlich ehrgeizige Absichten in Rätselbündeln umsetzen konnte, welche bei denselben Kritikern, die "Southland Tales" nun ablehnen, noch Zustimmung fanden, sich diesmal außerdem noch viel mehr vorgenommen hat als starke Dichtung - den patriotischsten linken Film der späten Bush-Ära abzuliefern; David Lynch zu zeigen, was eine postlineare Schnitt-Harke ist; ein Comic-Heilmittel gegen die amerikanische Geschichtsmüdigkeit zusammenzukochen und so fort -, lässt ihn in "Southland Tales" manchmal zwar allzu üppige Wahngebilde aufeinandertürmen. Was er sich damit aufgeladen hat, müsste dem robustesten Altman-Episodenfilm das Rückgrat brechen.

Aber der verrückte Übereifer, mit dem hier nicht nur der eigenen Hybris, sondern auch der Hypertextualität zeitgenössischer Medienerfahrungen (die Vorgeschichte zu "Southland Tales" erzählen Comics und mehrere von Kelly verantwortete Websites, auf die zahlreiche ansonsten opake Szenen des Films rekurrieren) alles geopfert wird, was aus Sciencefiction-Produktionen von "Transformers" bis "Superman Returns" sonst die bekannten schwerfälligen, lieblos dröhnenden Monster macht, speist eine zitternde Größe, der man den Respekt nicht verweigern sollte.

Es gibt überhaupt nur eine Handvoll Filme (auf nicht wenige davon spielt "Southland Tales" explizit an), die dem phantastischen Genre genug zutrauen, dass sie bereit sind, seine Erzählklischees preiszugeben, um seine Seele zu retten - Godards "Alphaville" gehört dazu; auch "Repo Man" von Alex Cox (dessen Schluss das Ende von "Southland Tales" aus der Ferne zuwinkt). Kelly hat die Kino-Sciencefiction mit seiner irrwitzigen Verzweiflungstat aus den Klauen der Dröhnblödmänner befreit. Er hat den "Schnee des Vergessens", von dem sein liebstes T.-S.-Eliot-Gedicht spricht, zu einem schäumenden Bilderstrom verflüssigt, zur tragikomischen Geschichte vom verfrühten Sterben der Zukunft. Damit ist ihm zwar nicht die Rettung der Welt gelungen, aber doch die der Ehre einer Sorte spekulativer Filmpoesie, ohne deren Vision es in der visuellen Welt zwischen Pop und Infotainment bald nichts mehr zu träumen gäbe.

DIETMAR DATH

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