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Als 'Tag und Nacht reisefertig' beschrieb ein Zeitgenosse Johann Georg von Dillis (1759-1841), der als innovativer Vorreiter der deutschen Landschafts- und Freilichtmalerei zu Beginn des 19. Jahrhunderts und prägende Persönlichkeit der Entwicklung Münchens zur Kunst- und Museumsstadt gilt. 'Tag und Nacht reisefertig' waren auch die Skizzenbücher, die Dillis auf seinen zahlreichen Reisen stets bei sich hatte; handlich und leicht zu transportieren standen sie jederzeit und überall zum Einsatz bereit. Skizzenbücher dienen nicht nur der Erinnerung, Dokumentation und des Sammelns von Motiven,…mehr

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Produktbeschreibung
Als 'Tag und Nacht reisefertig' beschrieb ein Zeitgenosse Johann Georg von Dillis (1759-1841), der als innovativer Vorreiter der deutschen Landschafts- und Freilichtmalerei zu Beginn des 19. Jahrhunderts und prägende Persönlichkeit der Entwicklung Münchens zur Kunst- und Museumsstadt gilt. 'Tag und Nacht reisefertig' waren auch die Skizzenbücher, die Dillis auf seinen zahlreichen Reisen stets bei sich hatte; handlich und leicht zu transportieren standen sie jederzeit und überall zum Einsatz bereit. Skizzenbücher dienen nicht nur der Erinnerung, Dokumentation und des Sammelns von Motiven, sondern vor allem als Reflexionsraum, Arbeits- und Forschungsinstrument. Als lebendige Dokumente bildnerischer Exploration wie kognitiver Erkenntnisarbeit bieten die Reiseskizzenbücher Dillis' Zugang zu ästhetischen und epistemischen Prozessen des Zeichnens und Schreibens auf Reisen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.01.2015

Zeichner im Trab
Christiane Schachtner hat einen kunsthistorischen Schatz gehoben:
die Reiseskizzen des beinahe vergessenen Münchner Malers Johann Georg von Dillis
VON HANS KRATZER
Schon wenige Jahre nach seinem Tod ist der Münchner Maler Johann Georg von Dillis (1759-1841) in Vergessenheit geraten. Das ist bedauerlich, schließlich hätte die Kunststadt München ohne ihn niemals ihren vorzüglichen Rang erworben. Zweifellos war Dillis einer der bedeutendsten Zeichner und Kunstagenten seiner Zeit. „Er war eine der prägenden Persönlichkeiten der Entwicklung Münchens zur Kunst- und Museumsstadt“, bestätigt auch die Kunsthistorikerin Christiane Schachtner, die das Werk von Dillis intensiv erforscht und über ihn promoviert hat. Tatsächlich füllte Dillis als königlicher Kunstsammler die Münchner Schatzkammern mit allerwertvollsten Bildern und Skulpturen, nennen wir nur den Barberinischen Faun, der heute die Glyptothek ziert. Nicht zuletzt plante Dillis mit dem großen Baumeister Leo von Klenze die Alte Pinakothek. Der kunstnarrische König Ludwig I. wusste genau, was er an Dillis hatte.
  Zweifellos ist das reiche Werk von Dillis bislang zu wenig beachtet worden. Mehr als 8000 Bilder lagern in Münchner Depots, viele sind noch nicht ausgewertet. Als Maler war Dillis seiner Zeit jedenfalls weit voraus, er gilt als ein Pionier der Landschaftsmalerei in Deutschland. Als einer der ersten Künstler überhaupt hat er Landschaft und Bauernleben realistisch dargestellt, und zwar in einer Zeit, in der diese Phänomene höchstens als Staffage für Herrscherporträts, Schlachtengemälde und mythologische Themen betrachtet wurden. Dillis malte reine Natur, das war seinerzeit geradezu revolutionär.
  Christiane Schachtner hat sich als erste Wissenschaftlerin überhaupt mit den Reisetagebüchern von Dillis beschäftigt und darüber ein gewichtiges Werk verfasst. Diese Relikte sind überaus interessant, weil sie ungeahnte Einblicke in die Wahrnehmung des Alltags im 18. und 19. Jahrhundert ermöglichen. „Als Tag und Nacht reisefertig“, hatte ein Zeitgenosse den Maler Dillis charakterisiert, der gerne viel unterwegs war und stets Skizzenbücher mit sich führte. Ohne sie fuhr er erst gar nicht weg.
  Im ausgehenden 18. Jahrhundert gehörte das Reisen trotz zahlreicher Unruhen und Kriege für ambitionierte Künstler zur gängigen Praxis. Den Drang, alles festzuhalten, der heute mit Fotoapparaten und Handys befriedigt wird, verspürten die damaligen Künstler auch. Nur, dass sie mangels neuzeitlicher Technik zum Stift greifen mussten. „Die Faszination der Skizzenbücher von Dillis liegt in ihrer Unmittelbarkeit, sie bewahren all das, was er unterwegs gesehen und beobachtet hat“, sagt Christiane Schachtner. Gebunden in Buntpapiere, die Rücken und Ecken oftmals durch Leder verstärkt, sind die Bände teils mit Laschen versehen, durch die der Zeichner den Bleistift schieben konnte. Vorne findet der Betrachter meist eine Fülle eilig festgehaltener Notizen und auch Händleretiketten, die verraten, wo Dillis die leeren Bücher erworben hatte.
  Die tagebuchartigen Passagen, die Zeichnungen, aber auch die detailliert ausgearbeiteten Aquarelle strahlen eine große Lebendigkeit aus, Dillis bietet dem Betrachter ein Panoptikum des damaligen Reisens. Er listete die Reisekosten auf, machte Landschafts- und Wolkenstudien und fertigte Porträts der Reisegesellschaft sowie von Menschen an, denen er auf der Straße begegnete. „Mich faszinieren vor allem seine Versuche, sogar in der eigenen Bewegung, etwa auf einem Esel reitend, zu zeichnen“, sagt Schachtner. So vermitteln seine Bilder eben jene Momentaufnahmen, die ein Reisender heute mit seiner Handykamera aufnehmen würde.
  Christiane Schachtner hat in den Skizzenbüchern viele Fragmente und auch Spuren des Scheiterns gefunden, die sonst nicht überliefert wären. Die kunstgeschichtliche Forschung hat solche Bücher lange Zeit lediglich als Reservoir des Künstlers verstanden, der darin Motive sammelte, um sie später aufzugreifen. „Dies wird ihnen aber nicht gerecht“, sagt Schachtner. „Sie vermitteln vielmehr einen Zugang zu den ästhetischen Prozessen des Zeichnens und Schreibens auf Reisen.“
  Der Arzt Johann Nepomuk von Ringseis hat seine Reiseeindrücke mit dem Kronprinzen Ludwig und Dillis in Sicilien im Jahr 1817 in einem wunderbaren Brief festgehalten: „. . . ich auf einem Maulesel, mit Schuhen, langen gelben Hosen, dem Rhabarberrock, grüner Haube, Brillen auf der Nase und einem Buch in der Hand, weil man auf diesen sichergehenden Tieren höchst bequem lesen kann; dann eine leere Sänfte, von 2 Maulthieren getragen, noch ein drittes leergehendes, seines Reiters gewährig; in der zweiten Sänfte Dillis, ebenfalls die Brille auf der Nase, aber die Gegend betrachtend und zeichnend . . .“
Christiane Schachtner: Tag und Nacht reisefertig. Die Reiseskizzenbücher des Künstlers und Galeriedirektors Johann Georg von Dillis (1759–1841). EOS-Edition, Sankt Ottilien 2014, 39,95 Euro.
Dillis-Expertin Christiane Schachtner ist an der Staatlichen Graphischen Sammlung München tätig. Im Mai wird sie Leiterin der Grafischen Sammlung Ostdeutsche Galerie Regensburg.
Foto: privat
Szenen aus dem Skizzenbuch von Dillis: oben eine
Reisegesellschaft vor Castell Brolo an der Küste von Sizilien. 1805 beobachtete
er in einer Gasse in Portici Flachsspinnerinnen.
Fotos: staatl. graphische sammlung münchen, Städtische Galerie im Lenbachhaus
und Kunstbau, München – Dauerleihgabe des Hist. Vereins von Oberbayern
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