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Warum zählt Bruce Nauman zu den bekanntesten Künstlern der Welt? Was fasziniert die Betrachter an diesem vielseitigen OEuvre? Diesen Fragen geht Eugen Blume nach, ausgehend von Naumans Feststellung, sein Werk entstehe aus der Enttäuschung über die 'conditio humana'. So untersucht der Autor, was die Bedingungen des menschlichen Seins in den 1960er und 1970er Jahren waren und welche Versuchsanordnungen Nauman entwickelt hat, um sich ihrer zu vergewissern. Auch in seinen Performances erprobt Nauman elementare Bewegungen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kunst sowie für die menschliche…mehr

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Produktbeschreibung
Warum zählt Bruce Nauman zu den bekanntesten Künstlern der Welt? Was fasziniert die Betrachter an diesem vielseitigen OEuvre? Diesen Fragen geht Eugen Blume nach, ausgehend von Naumans Feststellung, sein Werk entstehe aus der Enttäuschung über die 'conditio humana'. So untersucht der Autor, was die Bedingungen des menschlichen Seins in den 1960er und 1970er Jahren waren und welche Versuchsanordnungen Nauman entwickelt hat, um sich ihrer zu vergewissern. Auch in seinen Performances erprobt Nauman elementare Bewegungen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kunst sowie für die menschliche Existenz. Zu den weiteren Aspekten, die Blume analysiert, zählen die informative, 'sprechende' Rolle des Tanzes bzw. des Körpers sowie die Auseinandersetzung mit Wortspielen, die für Nauman seit seiner Studentenzeit einen hohen Stellenwert besitzt.Ausstellung LIVE OR DIE, Hamburger Bahnhof, BerlinBruce Nauman ( 1941 in Fort Wayne, Indiana) zählt zu den berühmtesten Künstlern der Welt. Auf der Biennale in Venedig 2009 bespielte er den amerikanischen Pavillon, der als bester der 53. Biennaleausgezeichnet wurde. Nauman arbeitet mit Fotografie, Video, Skulptur, Neon und Installationen,immer sind Töne und Sprache auch wichtige Elemente seiner Arbeit.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.06.2010

No, no, no
Bruce Naumans Kunst wird gern als Sinnbild des Schreckens benutzt. Eine Berliner Schau zeigt: Sie tut wirklich weh
So ein Raum ist ja eigentlich nur da. Tut nichts, will nichts, kann nichts dafür, dass man sich darin elend fühlt. Wie in dieser Schleuse, von Bruce Nauman in den Hamburger Bahnhof gestellt. Hinein geht es durch eine Sperrholz-Gasse, immer schmaler wird sie, man glaubt, gleich festzustecken – und dann ist da nur kaltes Licht und eine weitere Öffnung. Fahlgrünes Neonleuchten, einsame Enge. Ein wenig bedröppelt steht man herum: hineingelockt, ausgeleuchtet, bloßgestellt.
Naumans Pressspan-Passagen, GipsGänge und Sperrholz-Korridore machen aggressiv, bisweilen traurig. Das ist eine gute Nachricht, gehört Naumans Name doch schon so lange zur öden Ranking-Aufzählung „wichtigster Künstler der Gegenwart“, dass man seiner Kunst – den Videoperformance-Standbildern, den Neon-StrichMännern und den gegossenen Bronzeköpfen, die wie Trophäen von der Decke hängen – viel zu häufig auf Buchcovern begegnet oder als Bebilderung von allerhand menschlichen Übeln: Gewalt, Isolation, Gefühlskälte, Entfremdung, Unterdrückung, Mackertum. Da sich der 69 Jahre alte Amerikaner selbst dem Kunstgewusel und der programmatischen Eindeutigkeit entzieht, können sich eben andere andauernd auf ihn beziehen – zumindest solange die Themenlage düster genug ist.
Gut, dass einem der Hamburger Bahnhof in Berlin nun mit der Werkschau „Dream Passage“ die Chance gibt, sich dieser Kunst, gerade den großformatigen Raum-Installationen, tatsächlich wieder einmal körperlich auszusetzen. Aussetzen, so fühlt sich das an – ungemütlich wie ein Analytikerbesuch, nur, dass man sich bei dieser Sitzung die Fragen auch noch selbst stellen muss.
Denn die Korridore, Sound- und Video-Installationen, die Bruce Nauman seit den 1970er Jahren in Museen und Galerien hineinstellt, sind keine esoterisch wabernden Wohlfühl-Lounges wie bei den Wahrnehmungsschärfern James Turrell oder Olafur Eliasson. Dort tänzeln die Besucher hinterher beschwingt hinaus wie nach einer Yoga-Stunde. Naumans Kunst ist ein harter Schlag ins Genick. Eine Wirkung, die der Künstler wünscht, so hat er es jedenfalls in einem seiner raren Interviews einmal erklärt.
Vor dem „Kassel Corridor“, 1972 für die Documenta erbaut, wartet eine kleine Schlange. Man wird nur einzeln hineingelassen, eine Wärterin überreicht jedem Eintretenden einen Schlüssel mit großem weißem Plastikanhänger. Damit hat der Besucher nun das Recht, eine Stunde drin zu bleiben, in der schrankbreiten elliptisch geformten Enge. Eine Stunde also, das empfindet zumindest Nauman selbst als angemessen, doch draußen trappelt schon der nächste Wartende – und drinnen kommt der Besucher sich schnell ziemlich komisch vor. Die hohen Holzwände lassen an beiden Enden durch schmale Schlitze ein bisschen Licht und Laute herein – zu wenig Außenwelt, beklommen steht man vor aufreizend unbeteiligten mintgrünen Wänden. Wenn hier Panik aufsteigt, ist sie selbst herbeigedacht.
Das ist die große Leistung von Bruce Nauman: Immer knallt er dem Betrachter seine eigenen Zwangsvorstellungen hin. In den Skulpturen, die man zu Recht Erfahrungsarchitekturen nennt, konfrontiert er den Besucher mit seinen Ängsten; in den Videoperformances, wo er sich selbst Exerzitien in Endlosschleife (Dauertrappeln, Dauerschminken, Dauerreden, Schreien, Stöhnen, Flehen, Betteln) aussetzt, dagegen mit den Wünschen. In den Videos sucht man stets Anzeichen des Individuellen, zu gerne würde man etwas über den Performer erfahren. Doch der Voyeur bekommt hier nur das Neutral-Allgemeine – Brutalität hockt bei Nauman eben nicht im Einzelnen, sie steckt in jedem.
Exemplarisch dekliniert Nauman, der zuerst die nüchternen Rechnerdisziplinen Mathematik und Physik studierte, bevor es ihn zur Kunst zog, diese Verallgemeinerung an seinen Clown-Performances durch. Der Clown wird zum nervig-grimassierenden Exoten geschminkt und ausstaffiert, doch verbirgt er hinter dieser Maske auch jede individuelle Eigenschaft. Er ist das Alter Ego, von Nauman und von uns allen, und in der Videoinstallation „Clown Torture“ wird er fies gequält. „No, no, no“, bettelt er immer wieder. Es ist kaum auszuhalten.
Auf den „Indoor Outdoor Seating Arrangement“, einer provisorischen Besuchertribüne, kann man sich niederlassen und den anderen Besuchern beim Erschrecken und Gruseln zuschauen, wenn sie etwa von den Monitoren am Ende der Verschläge der „Corridor Installation. Nick Wilder Installation“ zurückzucken, weil sie die Kamera suchen, die sie heimlich filmt.
Im Hamburger Bahnhof sind diese großen Installationen wie ein Zirkeltraining aufgebaut. Klaustrophobie, Einsamkeit, Panik, Verfolgungswahn, die große Halle ist ein Parcours der Beklemmung. Dieser Effekt stellt sich allerdings auch ein, weil die Kuratoren Eugen Blume und Gabriele Knapstein hier alles dicht an dicht rümpeln. Wie schon bei der Beuys-Retrospektive im Jahr 2008 scheitern sie, diese pompöse Halle zu bespielen und verramschen die Installationen als wäre dies eine trubelige Messe. Wenn man von der Kassenanhöhe am Eingang hinunterschaut, dann wirkt es sogar so, als wäre die Kunst gerade zum Abtransport vorbereitet worden – oder noch gar nicht ausgepackt. Der eigentlich großartige „Musical Chair“ von 1983, eine düstere Anklage von Folter und Gewalt, steht nur irgendwie im Weg herum.
Zum eigentlichen Ereignis dieser Schau, der von nun an fest im Hamburger Bahnhof installierten Architektur- Skulptur „Room with My Soul Left Out, Room That Does Not Care“ („Raum ohne meine Seele, ein Raum, dem das gleichgültig ist“), muss man dann noch die langen Rickhallen durchwandern, vorbei an der Sammlungs-Präsentation. Gelegentlich ist dort zwischen Beuys, Serra oder Robert Morris eine Bruce-Nauman- Arbeit untergemischt. Nicht immer leuchtet das Nebeneinander ein. Bisweilen ist es dekorativ und manchmal zum Drüberstolpern naheliegend, etwa wenn Naumans „Body Pressure“, ein Stapel rosaroter Poster, auf denen Anweisungen für die Ausstellungsbesucher stehen, wie sie sich an die Wand zu pressen haben, neben Nikolaus Langs Wandarbeit „Roadkill“, mit den Farb-Abdrucken von getöteten Tieren gelegt wird. Dann scheinen auch schlicht Platzgründe für Paarungen verantwortlich zu sein: Neben die riesige Gartenskulptur von Dieter Roth passte wahrscheinlich nur noch ein kleiner Fernsehschirm. Der zeigt den Pferde- und Rinderzüchter Nauman, den Hut tief ins Gesicht gezogen, beim Zaunbasteln, „Setting a Good Corner“ heißt der Loop.
Erst ganz am Ende der Rickhalle erhält eine Nauman-Skulptur tatsächlich den Raum, den sie verdient: ein Backstein-Einzelzimmer. „Room with My Soul Left Out, Room That Does not Care“ ist eine begehbare monumentale Architektur, ein düsterer Kreuzgang, mit vereinzelten gelben Funzeln. Genau im Zentrum blickt man hinunter in einen übergitterten Keller und hinauf in einen Schacht – beim Runtersehen wird einem schummrig, wie beim Erwachen nach einem gruseligen Traum. Noch nicht ganz da, noch nicht ganz weg. Zuletzt war das Werk 1984 in New York zu sehen, jetzt hat der Sammler Friedrich Christian Flick es der Nationalgalerie geschenkt, ein Glück für Berlin. Wo die anderen Kunstgänge der Schau aggressiv aufwühlen, macht diese Nauman-Arbeit gelassen. Statt der teflonglatten Stellwände der anderen Skulpturen, wurde sie aus Dämmplattenmaterial erbaut. Die Oberfläche ist samtig, sie schluckt jeden Laut. Hier tut Alleinsein nicht weh. Man sollte die Arbeit öfter besuchen gehen. Das erspart den Analytiker.
BARBARA GÄRTNER
„Bruce Nauman. Dream Passage“, Hamburger Bahnhof, Berlin, bis 10. Oktober. Zur Ausstellung erscheint ein Lesebuch (DuMont Buchverlag): 19,95 Euro. Info: www.smb-museum.de
Brutalität hockt bei Nauman
nicht in der einzelnen Person.
Sie steckt in allen
Panik, Einsamkeit, Klaustrophobie:
Der Besucher absolviert
ein Zirkeltraining der Angst
Hineingelockt, ausgeleuchtet, bloßgestellt: Naumans „Untitled (Helman Gallery Parallelogram)“ von 1971. Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2010 / Roman März, Berlin
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