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Der große brasilianische Romancier Milton Hatoum wird bewundert für seine Kunst, menschliche Beziehungen bis in ihren Kern zu erfassen. Psychologisch eindringlich erzählt er in Asche vom Amazonas eine verflochtene Familiengeschichte im tropischen Manaus, die lange im Leser nachhallt.Unterschiedlicher könnten zwei Freunde nicht sein: der künstlerisch begabte, labile Raimundo, dessen von ihm gehaßter Vater ein erfolgreicher Unternehmer und Sympathisant der Militärregierung ist, und Olavo, eine Waise aus bescheidenstem Haus, der Raimundos blindem Rebellentum hilflos gegenübersteht. Olavo wählt…mehr

Produktbeschreibung
Der große brasilianische Romancier Milton Hatoum wird bewundert für seine Kunst, menschliche Beziehungen bis in ihren Kern zu erfassen. Psychologisch eindringlich erzählt er in Asche vom Amazonas eine verflochtene Familiengeschichte im tropischen Manaus, die lange im Leser nachhallt.Unterschiedlicher könnten zwei Freunde nicht sein: der künstlerisch begabte, labile Raimundo, dessen von ihm gehaßter Vater ein erfolgreicher Unternehmer und Sympathisant der Militärregierung ist, und Olavo, eine Waise aus bescheidenstem Haus, der Raimundos blindem Rebellentum hilflos gegenübersteht. Olavo wählt den stillen Weg und wird Anwalt der kleinen Leute, verfolgt aber fasziniert den Lebensweg des Freundes, der rastlos in der Welt umherzieht und sich doch nicht von seiner Herkunft lösen kann. Auch Raimundos Mutter, eine schöne Frau mit geheimnisvoller Geschichte, kann dem Sohn keinen Halt bieten - zu stark ist sie selbst in wirre Leidenschaften verstrickt und in ein Leben, das ein Zerrspiegel ihres Glücksverlangens ist.
Autorenporträt
Hatoum, MiltonMilton Hatoum wurde am 19. August 1952 als Kind libanesischer Einwanderer im brasilianischen Manaus geboren. 1968 verließ er seine Heimatstadt, lebte für kurze Zeit in Brasília und ging dann nach São Paulo, wo er Architektur studierte. 1979 kam er mit einem Stipendium nach Madrid und Barcelona, anschließend als Postgraduierter an die Sorbonne in Paris. 1984 kehrte er nach Manaus zurück und unterrichtete französische Literatur an der Universidade Federal do Amazonas sowie als Gastdozent brasilianische Literatur an der University of California in Berkeley. Seit 1999 wohnt er wieder in São Paulo. 1989 erschien sein erster Roman Relato de um certo Oriente (dt. Emilie oder der Tod in Manaus, Piper, München 1992, bzw. Brief aus Manaus, Suhrkamp, Frankfurt 2002), für den er 1990 den angesehenen brasilianischen Jabuti-Literaturpreis erhielt und internationale Anerkennung gewann. Dois irmãos (dt. Zwei Brüder, 2002) ist der in Brasilien lang erwartete zweite Roman von Milton H

atoum, der 2000 in São Paulo erschien und für den er im folgenden Jahr ebenfalls den Jabuti-Preis bekam. Die beiden Bücher von Hatoum spielen im Spannungsfeld zweier Welten: der tropischen des Amazonasgebietes und der orientalischen der libanesischen Einwanderung. Vor dem Hintergrund des teilweise gewaltsamen Eindringens moderner Lebensmuster geben sie einen aufschlußreichen Einblick in die brasilianische Wirklichkeit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.10.2008

Plastik statt Jute

Ruin am Rio Negro: Milton Hatoums Epos über den Verfall einer Familie ist ein illusionsloses Porträt von Profitgier und gesellschaftlichem Niedergang in Manaus - brasilianische "Buddenbrooks".

Von Florian Borchmeyer

Über dem Gemäldezyklus, mit dem sich der junge brasilianische Künstler Mundo in London an der Kunsthochschule bewerben möchte, steht "Chronik eines Verfalls - Erinnerungen eines geliebten Sohnes". Zu sehen ist auf dem ersten Bild ein tropisches Feudalidyll: ein prunkvolles Herrenhaus in Amazonien mit einem Heer von indianischen Arbeitern am Fluss, unter ihnen der Künstler selbst, der das Geschehen zeichnet. Darüber thront der Herrscher und Besitzer dieses Reiches, den Lieblingshund an seiner Seite. Auf den folgenden Bildern aber "veränderten sich die Gestalten und die Landschaften, der Mann und das Tier wurden älter, nahmen seltsame und groteske Formen an, bis sich ihr Bild ganz auflöste" und schließlich auf den letzten beiden Gemälden nur noch melancholische Gegenstände, "zerrissene, zerschnittene und zerlöcherte Fetzen" zu sehen sind.

Diesen Zyklus, Haupt- und zugleich Abschiedswerk seines rebellischen Helden Mundo, präsentiert uns Milton Hatoum ganz am Schluss seines Romans "Asche vom Amazonas". Obwohl die Bildbeschreibung kaum eine Seite umfasst, enthält sie in Miniatur die rückblickende Essenz des gesamten Romans. Es könnte auch, im Stile einer Art von brasilianischen "Buddenbrooks", als Untertitel "Chronik eines Verfalls" darüber stehen. Getragen wird die Handlung vom bitteren Aufbäumen des feinsinnigen Mundo gegen seinen patriarchalischen, jähzornigen Vater Jano.

Als Jute-Baron durch sein Anwesen "Vila Amazônia" zu exorbitantem Wohlstand gelangt, residiert Jano im Manaus der frühen sechziger Jahre in ähnlichem Prunk, wie dies einst schon die Kautschukmillionäre des neunzehnten Jahrhunderts taten. Nach dem Militärputsch von 1964 zählt er die regierenden und folternden Generäle zu seinen engsten Freunden und steigert so seinen Reichtum und gesellschaftlichen Einfluss noch weiter. Dass seine schöne Frau Alícia zusehends der Spiel- und Trunksucht verfällt, toleriert Jano resigniert. Auch dass sie über Jahre hinweg ein Verhältnis mit ihrem früheren Liebhaber weiterführt, dem gleichermaßen arbeitsscheuen wie liebenswerten Hallodri Ranulfo, und Jano nur wegen seines Geldes geheiratet hat, übersieht der vom weiblichen Reiz Betörte geflissentlich. Die künstlerischen Ambitionen seines Sohnes allerdings unterdrückt er mit ebenso gewaltsamer wie hilfloser Unerbittlichkeit.

Je stärker Jano seinen Sohn unter Druck setzt und durch Internierung in eine Militärschule auf dem Weg des soldatischen Drills zu disziplinieren sucht, desto mehr treibt er ihn allerdings in die Hände des zwielichtigen Malers Arana, für Mundo eine Art Guru und Bote aus einer anderen Welt, aber auch in die seines Rivalen Ranulfo, der, weil er noch immer rettungslos in Mundos Mutter Alícia verliebt ist, sich zum liebevollen Ersatzvater aufschwingt. Als es Mundo gelingt, aus seiner Kaserne zu fliehen und mit Ranulfos Hilfe ein Urwalddorf in eine subversive Installation über die Greuel der brasilianischen Militärdiktatur zu verwandeln, kommt es zum offenen Eklat - und letztlich zum Untergang der Familie und ihres Imperiums.

In gleichermaßen packender wie subtiler Weise gelingt es Milton Hatoum, eine farben- und facettenreiche Geschichte von Aufstieg und Fall zu zeichnen. Ohne Zweifel bedeutendster literarischer Sohn der Stadt Manaus, erweist er sich dabei zugleich als ihr ebenso liebevoller wie schonungsloser Chronist. Denn was die Finesse des Romans ausmacht: Bei all ihrer individuellen Lebendigkeit wirken seine Figuren auf einer zweiten Ebene wie Figuren eines Allegorienspiels, das Geschichte und Gesellschaft dieser Stadt am Rio Negro mit all ihren schwindelerregenden Höhenflügen und Zusammenbrüchen sinnbildhaft wiedergibt - vom größenwahnsinnigen Bau eines Opernhauses mitten im Urwald über den kollektiven Ruin nach Ende des Kautschukbooms bis hin zum neuen Aufschwung der Stadt als Freihandels-Millionenmetropole. Letzterer ist bei Hatoum aber in ähnlich finsteren Farben gezeichnet wie die letzten Bilder aus Mundos Gemäldezyklus. Die Modernisierungsgier von Janos militärischen Freunden hat ihre Früchte getragen. Mundos Elternhaus musste einer Schnellstraße und einem Hochauskomplex weichen, während der Maler Arana den Erlös seiner Werke in den hochprofitablen Export von Tropenhölzern investiert hat. Die einstmals idyllischen Landschaften am Fluss versinken in Müll und Umweltzerstörung.

Vor diesem Hintergrund erhält das Scheitern von Mundo und seiner Familie die Dimension einer kosmischen Katastrophe. Es besiegelt das Ende einer Ära, die trotz der scheinbaren Stärke ihrer herrschenden Dinosaurier längst zum Tode verurteilt war. In der heutigen Welt des Amazonas gibt es keinen Platz mehr für feudale Jute-Millionäre. Plastik und Beton haben sie längst entthront. Was nach den egomanischen Feudalherrschern kommt, ist zwar gesichtslos, aber nicht weniger schrecklich. So beharrlich und besessen Mundos Rebellion gegen den Vater auch ist, so sinnlos ist sie auch. Sie befreit ihn nicht, er zerbricht daran. Die Flucht in die Hausbesetzerszene von Berlin-Kreuzberg, in die multikulturellen Künstlerkolonien von Brixton entfernt ihn nur noch immer weiter von sich selbst und von einer Lösung seines Lebenskonflikts.

Es ist diese Leere, das vollständige Fehlen einer tröstenden oder belehrenden Moral von der Geschichte, die Hatoums Roman eine so bedrückende Dimension verleiht. Gebrochen wird sie alleine durch die Figur seines Ich-Erzählers. Denn die wohl ingeniöseste Entscheidung Hatoums war es, den Bericht weder einem über dem Geschehen wie Jano über seiner Vila Amazônia thronenden Erzähler in die Hände zu legen noch, als desillusioniert-selbstmitleidige Nabelschau, in die des Rebellen Mundo. Wiedergegeben wird die Handlung von Lavo, dem Schulkamerad und engsten Freund Mundos und zugleich Neffen des Ersatzvaters Ranulfo: von einem Waisenkind aus einfachen Verhältnissen, das sich anders als der mutwillig scheiternde Künstler seinen eigenen Überlebensweg erstreitet und sich aus eigener Kraft ein Jurastudium ermöglicht.

Statt einer gesicherten Staatslaufbahn als Richter entscheidet Lavo sich schließlich dazu, seine Arbeit in den Dienst der durch die Militärdiktatur Verfolgten zu setzten. Zugleich ist er auch der einzige, der in der Lage ist und den Fleiß besitzt, Mundos verstreute Briefe, Ranulfos und Alícias stets von der Passion gebeutelte Zeugnisse zu sammeln und in eine zusammenhängende Form zu bringen - es ist jener Bericht, den er uns zu lesen gibt. Nur dieser bescheidene, weitgehend farblose Bürokrat und brave Chronist der Ereignisse weiß inmitten all der Zerstörung einen Schimmer der Hoffnung zu geben.

Gerade dieser unprätentiöse Gestus, durch Karin von Schweder-Schreiner mit bewundernswerter Eleganz in ein schlichtes und doch geschliffenes Deutsch übersetzt, macht die diskrete Schönheit dieser "Chronik eines Verfalls" aus. Mit "Asche vom Amazonas" hat sich Milton Hatoum trotz seines bislang verhältnismäßig schmalen Werks endgültig als eine zentrale Figur der brasilianischen Gegenwartsliteratur etabliert.

- Milton Hatoum: "Asche vom Amazonas". Roman. Aus dem brasilianischen Portugiesisch übersetzt von Karin von Schweder-Schreiner. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. geb., 298 S., geb., 24,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Kersten Knipp bewundert in Milton Hatoums Roman "Asche vom Amazonas" die überaus gelungene Verquickung von Amazonas-, Diktatur- und Exilroman zu einem überzeugenden Ganzen. Denn in dieser Synthese liege in den Augen des begeisterten Rezensenten die "Kunst" des brasilianischen Autors, der in seinem Buch von zwei ganz unterschiedlichen Protagonisten erzählt, die im "morbiden Setting" des abgewirtschafteten Manaus der 60er und 70er Jahre aufwachsen. Da ist zum einen der gegen die Militärdiktatur kämpfende und später ins Exil gehende Raimondo, auf der anderen Seite Olavo, der aus einfachsten Verhältnissen stammt und darum pragmatisch um Aufstieg bemüht ist, erklärt Knipp. Olavo wird zum Chronisten ihrer Freundschaft, die mit dem Tod Raimondos endet, so der hingerissene Rezensent, der auch die Übersetzung ins Deutsche von Karin von Schweder-Schreiner in den höchsten Tönen lobt.

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»Mit Asche vom Amazonas hat sich Milton Hatoum endgültig als eine zentrale Figur der brasilianischen Gegenwartsliteratur etabliert.« Florian Borchmeyer Frankfurter Allgemeine Zeitung